Gestern Abend kam Dad ziemlich spät nach Hause. Eigentlich konnte man es gar nicht mehr als Abend bezeichnen, weil es schon nach zwölf Uhr war. Ich hatte Stimmen gehört und es war nicht nur seine eigene. Mit ziemlicher Sicherheit stellte ich fest, dass es sich um eine Frauenstimme handeln musste, allerdings ging mich das wohl erstmal nichts an.
Heute morgen wurde ich dann von Dad geweckt.
"Keira, bist du wach? Ich muss etwas mit dir besprechen" sagte er, nachdem er an meiner Zimmertür geklopft hatte.
"Ja, ich bin gleich da."
Mir der Hoffnung, dass er mir endlich das große Geheimnis erzählen würde, ging ich in die Küche.
Augenblicklich blieb ich stehen, als ich eine Frau am Küchentisch sitzen sah. Ich hatte mich also nicht verhört.
Sie lächelte mich an und ich zwang mich dazu ebenfalls zu lächeln.
"Keira, das ist Darla. Wir kennen uns schon etwas länger" stellte mein Vater die Fremde vor."Schön Sie kennenzulernen" sagte ich höflich und reichte ihr die Hand. "Das finde ich auch, nenn' mich doch einfach Darla."
Diese Frau strahlte ja richtig vor Freude. Und Dad auch.
"Seit wann kennt ihr euch?" wollte ich schließlich wissen. "Seit einem halben Jahr" kam es von Dad und ich nickte nur. Ich war erstaunt und enttäuscht zugleich. Er hätte es mir ruhig erzählen können. "Tut mir leid, dass ich es dir verschwiegen habe. Ich dachte, es würde dir schwer fallen, es zu akzeptieren."
"Nein, ich freue mich für dich. Wirklich." Ich bemühte mich, weiterhin freundlich zu gucken. "Und ihr seid-" begann ich zögerlich, wurde jedoch von Darla unterbrochen: "Ein Paar. Ja, das sind wir." Darla grinste zuerst mich und dann ihren Freund wie ein Honigkuchenpferd an.
Dad hatte tatsächlich eine neue Freundin. Seit einem halben Jahr. Wie konnte ich davon nichts mitbekommen?
Sie schien ja ganz nett zu sein und scheinbar hatte sie Pfannkuchen zum Frühstück gemacht. Dad konnte es nicht gewesen sein, denn er kochte für gewöhnlich nicht.Während des Frühstücks wurde ich von Darla über die Schule, meine Hobbies, meine Freunde und alle möglichen Dinge ausgefragt.
Diese Frau redete wie ein Wasserfall, sie erzählte von den ersten Dates mit meinem Vater und ihrer Schulzeit, dann erzählte sie wie romantisch, fürsorglich und toll mein Vater ja war. Das alles wollte ich doch gar nicht so genau wissen.
Ich konnte Darlas hohe, aufgeregte Stimme nach einer Zeit nicht mehr hören. Sie mochte ja freundlich und nett sein, aber sie hörte verdammt nochmal nicht auf zu reden.
Ich war genervt, das ließ ich mir aber nicht anmerken, doch bevor die Neue meines Dads mir auch noch meinen letzten Nerv rauben konnte, stand ich auf und verschwand kurzerhand wieder in meinem Zimmer.'Mein Vater hat eine Frau mit nach Hause gebracht' schrieb ich in eine Nachricht an Lorna. 'Wir müssen dringend reden' folgte die nächste.
Ohne auf eine Antwort von meiner besten Freundin zu warten, zog ich mich um und machte ich mich auf den Weg zu ihr.
Ich ging durch durch den Keller nach draußen, sodass Dad nichts davon bemerkte. Aber er war wahrscheinlich so sehr mit seiner Darla beschäftigt, dass er es eh nicht mitbekommen hätte.Was sollte ich davon halten, dass mein Vater jemanden kennengelernt hat? Ich wollte keins von den Kindern sein, die ihr Elternteil hassten, weil sie einen neuen Partner haben. Ich freute mich natürlich für Dad und ich war auch davon überzeugt, dass eine Beziehung ihm guttun würde. Aber wollte ich eine 'neue Mum'?
Darla hatte mir mehrfach versucht klarzumachen, dass sie meine Mutter niemals ersetzen könnte, geschweige denn ersetzen wollte. Und ich glaubte ihr das auch, denn sie hatte in ihrer piepsigen Stimme gesagt, dass sie als Mutter völlig überfordert wäre. Und um ehrlich zu sein, genau so kam sie auch rüber.Glücklicherweise war ich schon 17 und brauchte keine Mutter mehr.
Ich war es ja auch nie anders gewohnt, denn ich hatte mehr als die Hälfte meiner Kindheit ohne eine Mutter verbracht.
Klar habe ich sie manchmal vermisst, aber ich bin auch gut mit Dad alleine zurechtgekommen.
Jedenfalls in der Zeit, bevor mein Vater mich jedes Mal angebrüllt hatte, wenn ich auch nur einen Meter zu nah an Mason herantrat.
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nachdem die Welt erloschen war
Teen FictionEs ist leichter an eine Lüge zu glauben, die man hundertmal gehört hat, als eine Wahrheit, die man noch nie gehört hat. ~ Robert Staughton Lynd Als Keira eine schreckliche Lüge der Vergangenheit immer weiter aufdeckt, entsteht Dunkelheit in ihrem Le...