Kapitel 12

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Als ich aufstand war es noch sehr früh. Ich ging in die Küche und holte mir ein Glas Wasser.
Danach wollte ich das Gästezimmer für meine Großeltern vorbereiten.
Ich betrat das Zimmer, drückte auf den Lichtschalter und bekam ein frisch gemachtes Bett zu Gesicht. Auf den Kissen lag jeweils ein Stück Schokolade. Das ist doch meine Aufgabe gewesen.
Ich wollte mich zwar nicht beschweren, weil Betten beziehen noch nie meine Lieblingsbeschäftigung war, aber ich bin extra etwas früher aufgestanden, damit das Zimmer fertig war, wenn Grandma und Grandpa ankommen sollten.
Dann hätte ich ruhig ein bisschen länger schlafen können.
Naja, jetzt war es zu spät.

Es klingelte an der Haustür. Wenn das schon meine Großeltern waren, mussten die aber schnell unterwegs gewesen sein.
Dad machte die Tür auf. Zwei Sekunden später knallte er sie wieder zu.
Was sollte das denn?
Dad ging sofort wieder von ins Wohnzimmer. Also lief ich zur Tür und öffnete sie erneut.

Miles entfernte sich gerade von unserem Haus. "Hey, warte" rief ich und er drehte sich zu mir um.
Ich hatte zwar nur Socken an, aber trotzdem ging ich ihm entgegen.
Er hielt eine kleine Tüte in der Hand. "Hier, das ist für euch."
Masons kleiner Bruder hielt mir die Tüte hin.
"Danke" sagte ich uns nahm sie ihm ab.
"Schöne Weihnachten" wünschte ich ihm und, während er losging sagte er: "Wünsche ich dir auch."

Ich schaute in die Tüte. Darin befanden sich Pralinen und eine Weihnachtskarte.
Seit wann schenkte uns Masons Familie etwas zu Weihnachten?
War das jetzt ein Friedensangebot von Callum an meinen Dad?

Dad hätte ruhig mal ein bisschen freundlicher zu Miles sein können und ihm nicht die Tür vor der Nase zuknallen sollen.
Miles konnte genauso wenig für Dads uns Callums Streit wie Mason und ich. Davon ging ich jedenfalls aus.
Aber was soll er mit seinen neun Jahren schon damit zutun haben?

Ich ging schnell zurück ins Haus, denn meine Füße waren mittlerweile sehr kalt geworden.
Die Tür fiel hinter mir zu, als Darla mir entgegen kam und ein Paar Kuschelsocken in der Hand hielt.
"Du bist doch verrückt" lachte sie und warf mir die Socken zu. "Danke," begann ich, "äh, für die Socken natürlich."

Nachdem ich mir die flauschigen und warmen Socken angezogen hatte, fragte ich Darla, die mir noch immer gegenüber stand: "Hast du die Betten für Grandma und Grandpa gemacht?"
"Ja, das war ich. Ich dachte, wenn ich schon hier wohne, dann kann ich wenigstens etwas im Haushalt beitragen."
"Und ich dachte schon, dass Dad das gewesen ist" lachte ich - allerdings nur um freundlich zu sein, da ich nicht wusste, was ich sagen sollte.

"Ich habe Frühstück gemacht" teilte mir Darla dann mit. "Okay." Ich ging in die Küche, wo ich einen gedeckten Tisch mit selbstgemachtem Kuchen, Rührei und verschiedenen geschnittenen Obstsorten sah. So viel zu 'wenigstens etwas im Haushalt tun', dachte ich. Darla schmiss den Haushalt schon fast ganz alleine, aber damit hatte ich kein Problem.
Dad saß am Tisch und las die Zeitung. Als er mich bemerkte, begrüßte er mich ohne von der Zeitung aufzuschauen: "Guten Morgen, Keira."
"Guten Morgen" gab ich zurück und stellte die Tüte auf den Tisch.

Mein Vater schloss seine Zeitung und legte sie neben seinen Teller auf den Tisch. Dann sah die Tüte und starrte sie für einen Moment an. Danach schaute er mich mit einem fragenden Blick an.
"Was ist das?" wollte er schließlich wissen.
"Das hat Miles vorbeigebracht" antwortete ich nur. Dad wurde wütend. "Sowas kommt mir nicht ins Haus" schimpfte er sofort und ich schaute ihn kopfschüttelnd an. "Das ist doch nur Schokolade. Ist doch nett."
"Keira, ich hab dich gewarnt. Schmeiß das sofort in den Müll!" befahl er, doch ich widersprach: "Nein, sowas macht man nicht."
Dad versuchte nach der Tüte zu greifen, ich war jedoch schneller. "Es werden keine Geschenke von denen angenommen, wirf es weg!"

"Thiago, Schatz. Deine Tochter hat Recht, das war doch nur nett gemeint" stellte sich Darla plötzlich auf meine Seite. Aber Dad verteidigte weiterhin deinen Standpunkt: "Du hast keine Ahnung, wer Callum überhaupt ist."
"Führ' dich doch bitte nicht so kindisch auf" bat Darla ihren Freund.
Dad jedoch stand auf und verschwand aus der Küche. Ich hörte noch seine Schritte, bis er schließlich sein Arbeitszimmer betrat und die Tür hinter sich zuknallte.

"Der kriegt sich schon wieder ein" meinte Darla dann und legte sich ein Stück Kuchen auf den Teller. Ich tat es ihr gleich und nachdem ich ein Stück davon gegessen hatte, stellte ich fest, dass ich Darla unbedingt noch eine weitere Chance geben sollte. Ich konnte mich nicht erinnern, dass ich jemals einen so leckeren Kuchen gegessen hatte.
"Hast du Kochkurse belegt?" fragte ich sie, woraufhin Darla antwortete: "Nein, wieso?"
"Der Kuchen ist wirklich lecker."
Darla lächelte mich an, aber diesmal war es kein aufgesetztes Lächeln, um sympathisch zu wirken. Ich hatte das Gefühl, dass sie sich über dieses Kompliment wirklich gefreut hatte. "Wenn du Lust hast, können wir für Weihnachten gemeinsam etwas backen" schlug sie stolz vor.
Ich nickte. "Ja, gerne."

Meine wechselhafte Meinung Darla gegenüber wurde immer deutlicher. Es gab nichts, was sie wirklich schlecht machte, aber in manchen Situationen mochte ich sie einfach nicht. Zu diesem Zeitpunkt fand ich sie wirklich nett, obwohl sie mir am Abend davor noch ziemlich unsympathisch gewesen war.

Nachdem wir gefrühstückt hatten, räumten Darla und ich zusammen den Tisch ab und Darla brachte Dad noch etwas zu essen in sein Arbeitszimmer.

Scheinbar hatte sich Dad wieder beruhigt, denn ich hörte, wie er sich bei Darla für sein Benehmen entschuldigte. Noch eher hätte er sich bei mir entschuldigen sollen, denn schließlich hatte ich den größten Teil seines Ärgers abbekommen. Das hörte sich egoistisch an, so egoistisch wollte ich nicht klingen. Es war gut, dass er wenigstens seine Freundin um Entschuldigung bat. Ich wollte ja schließlich nicht, dass sie wegen einer solch unnötigen Auseinandersetzung Streit hatten. Vor allem nicht kurz vor Weihnachten.

Schließlich wurde ich von der Klingel der Haustür aus meinen Gedanken gerissen. Das konnte niemand anderes als meine Großeltern sein. Schnell lief ich zur Haustür, weil ich diejenige sein wollte, die sie zuerst begrüßt. Ich hatte Grandma und Grandpa wirklich sehr vermisst, da unsere letzte Begegnung schon etwas länger her war.

Ich öffnete schnell die Haustür und wurde direkt von Grandma in die Arme genommen. Danach umarmte mich auch Grandpa und ich half ihnen nach unserer Begrüßung dabei, ihre Reisetaschen ins Haus zu tragen.

Ich war gespannt auf ihre Reaktion gegenüber Dads Freundin, denn ich fragte mich noch immer, ob sie bereits davon wussten.

Während ich die Tür geöffnet hatte, hatte Dad sich schon in dein Eingangsbereich unseres Hauses gestellt, um seine Eltern willkommen zu heißen. Neben ihm stand Darla.

Ich beobachtete die Situation ganz genau und stellte fest, dass meine Großeltern genauso wenig wir ich vor ein paar Tagen von der Beziehung meines Vaters wussten. Darla stellte sich vor und Grandma und Grandpa reagierten sehr erfreut über diese Neuigkeit.

In Dads Blick konnte ich erkennen, dass ihn das erleichterte. Aber mir war generell aufgefallen, dass er, seitdem er mir Darla bekannt gemacht hatte, weniger angespannt wirkte. Das schloss allerdings nicht seine kritische Einstellung gegenüber Callums ganzer Familie mit ein.

Doch auch ich war an diesem Tag sehr glücklich, weil es für einen Moment schien, als sei die Welt in Ordnung. Zwar wusste ich, dass das nicht der Fall war, aber ich versuchte, es so gut wie möglich auszublenden, denn ich wollte die Weihnachtstage genießen.

Nachdem wir gemeinsam die Reisetaschen meiner Großeltern ins Gästezimmer gebracht hatten, setzten wir uns ins Wohnzimmer und begannen uns von den vergangenen Wochen und Monaten zu erzählen, an denen meine Großeltern und ich uns lange nicht gesehen hatten. Grandma und Grandpa hatten viel zu erzählen, denn sie hatten verschiedenste Reisen gemacht. Und so erfuhr ich von ihrem Ausflug nach Paris, Den Haag und Sevilla. Sie zeigten mir eine Menge Fotos, Postkarten und Videos. Sogar eine spanische Zeitung hatten sie mitgebracht.

Auf diese Weise verging einige Zeit, in der meine Großeltern und ich erzählten und erzählten. Es war wirklich schön, mal wieder persönlich mit ihnen zu sprechen.

nachdem die Welt erloschen warWo Geschichten leben. Entdecke jetzt