13 Jahre später
Es war wieder der 20. Dezember, genau an diesem Tag vor 13 Jahren sind meine Mum und mein Bruder gestorben. Bei einem Autounfall. Mein Vater saß hinter dem Steuer, er war der einzige der überlebt hat. Was er miterlebt und gesehen hat, muss schlimm gewesen sein.
Mir lief ein Schauder über den Rücken, als ich darüber nachdachte, denn selbst für mich war es unfassbar schlimm, einen Teil meiner Familie zu verlieren. Ich war zwar nicht dabei, aber selbst die Vorstellung dieses Unfalls machte mich fertig. Meinem Vater fiel es an diesem Tag besonders schwer, ruhig zu bleiben und nicht die Fassung zu verlieren, und ich hatte natürlich vollstes Verständnis dafür. Hätte ich zusehen müssen, wie zwei der Menschen, die ich liebte, sterben, ginge es mir genauso schrecklich.
Dass es kurz vor Weihnachten war, machte die ganze Situation auch nicht besser. Nach dem Unfall hatten wir viele Jahre kein schönes Weihnachtsfest gefeiert und auch die letzten Jahre wurde die - eigentlich sehr festliche und besinnliche - Weihnachtszeit durch die Erinnerung an jenes Ereignis beeinträchtigt.
Die Eltern meiner Mutter hatten vor 13 Jahren den Kontakt zu uns abgebrochen, mit der Begründung, sie könnten meinen Vater und mich nicht mehr ansehen, ohne zurück in Trauer zu verfallen. Hinzu kam auch, dass meine Großmutter der festen Überzeugung war, mein hätte Dad den Unfall verhindern können, wenn er besser aufgepasst hätte. Diese Behauptung machte mich wütend, da ich mir sicher war, dass mein Vater damals alles versucht hatte, um sie zu retten.
Manchmal wünschte ich, dass meine Großeltern uns nicht im Stich gelassen hätten, denn sie waren die einzige Familie, die ich hier in meiner Heimat hatte.Die Eltern eines Vaters lebten in einer Stadt, am anderen Ende Englands und besuchten uns nur sehr selten. Weihnachten war der Grund für ihren nächsten Besuch und es war schon in wenigen Tagen soweit, dass ich sie endlich wiedersehen würde. Nach dem Unfall hatten sie sehr lange bei uns gewohnt und geholfen, den Schmerz zu verarbeiten. Ohne ihre Hilfe hätten wir unser Leben wahrscheinlich viel langsamer in den Griff bekommen.
An 20. Dezember gingen wir immer zum Friedhof und beteten, obwohl wir nie eine stark religiöse Familie waren. Meine Großeltern mütterlicher Seite nahmen ihre Religion ein wenig ernster, weshalb wir ihnen hin und wieder auf dem Friedhof begegneten. Allerdings gingen wir uns - so gut es ging - aus dem Weg, denn jedes Gespräch zwischen meiner Großmutter und meinem Vater endete in einem Streit. Meine Großmutter nutzte jede Gelegenheit, Dad zu beschimpfen und ihm die Schuld am Tod ihrer Tochter und ihres Enkelsohns zu geben.
Es war Donnerstag, ich hatte an jenem und dem darauffolgenden Tag Schule. Nach diesen Tagen, würden endlich Weihnachtsferien sein. Die Weihnachtstage würden Dad und ich mit meinen Großeltern hier verbringen und wenige Tage später würden wir in den Urlaub in die französischen Alpen fahren.
Die Berge waren unfassbar schön und ließen mich jedes Jahr all die Probleme um mich herum vergessen. Ich konnte es kaum noch erwarten, endlich wieder dort zu sein.
Doch zuerst musste ich den 13. Todestag von Mum und Lorenzo überstehen und vor allem meinen Vater unterstützen.Es war noch früh, als ich mein Zimmer verließ und in die Küche ging. Durch einen kurzen Blick aus dem Fenster, konnte ich erkennen, dass es draußen noch dunkel war. Ich nahm Eier und Milch aus dem Kühlschrank, um meinem Vater und mir Rührei zu machen. Während das Rührei in einer Pfanne bruzelte und ich es immer wieder umrührte, deckte ich schnell den Tisch und schnitt ein paar Scheiben vom Brot ab. Als das Rührei fertig war, stellte ich es auf den Küchentisch.
In der Zwischenzeit war auch Dad in die Küche gekommen und hatte Kaffee gemacht. Er schüttete uns beiden eine Tasse ein und setzte sich schließlich zu mir an den Tisch. Bis auf ein 'Guten Morgen', als er die Küche betreten hatte, hatte Dad nichts gesagt.
Auch in diesem Jahr machte der Unfall ihm zu schaffen. Deshalb lächelte ich ihm zu, um ihn ein wenig aufzuheitern. Daraufhin konnte ich ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen erkennen, doch mir war bewusst, dass es nicht seinen wahren Gefühlszustand widerspiegelte.Dad täuschte oft vor, glücklich zu sein, damit ich mir keine Sorgen um ihn machte, aber ich wusste, dass es ihm anders ging.
DU LIEST GERADE
nachdem die Welt erloschen war
Teen FictionEs ist leichter an eine Lüge zu glauben, die man hundertmal gehört hat, als eine Wahrheit, die man noch nie gehört hat. ~ Robert Staughton Lynd Als Keira eine schreckliche Lüge der Vergangenheit immer weiter aufdeckt, entsteht Dunkelheit in ihrem Le...