Dad schien nicht viel Hunger zu haben, denn er stocherte mit seiner Gabel in seinem Rührei herum und schob es hin und her.
Er starrte herunter auf seinen Teller, bis er sich schließlich von Stuhl erhob und die Küche wieder verließ. Auch ich stand auf, als ich mein Frühstück beendet hatte und räumte den Tisch ab. Normalerweise verstanden mein Vater und ich uns sehr gut. Er war immer für mich da und wir verbrachten viel Zeit zusammen, doch am 20. Dezember war er ein ganz anderer Mensch. Dad redete wenig und vermied den Kontakt zu anderen Menschen.Damit ich pünktlich in der Schule ankommen würde, musste ich früh genug losgehen. Besonders, weil es draußen dunkel und glatt war, plante ich ein wenig mehr Zeit ein.
Mit einer dicken Jacke, Winterschuhen und meinem Rucksack verließ ich schließlich das Haus.Während ich die Auffahrt unseres Hauses runterlief, hörte ich wie mir jemand etwas zurief: "Na Keira, mal wieder zu Fuß unterwegs?" Und darauf folgte ein schadenfrohes Lachen. Sofort war mir klar, dass es sich um Mason handelte, der mit seinem Auto hinter mir war.
Er machte sich gerne über mich lustig und ich musste das schon seit vielen Jahren ertragen. Ich konnte ja nichts dagegen machen, denn eine andere Möglichkeit als zur Schule zu laufen, hatte ich nicht.
Mit dem Fahrrad war es mir im Winter zu gefährlich und mein Vater hatte oft Probleme, in ein Auto zu steigen. Vor allem im Winter erinnerte es ihn immer wieder an den Unfall, sodass er nur sehr selten fuhr.
Mason war der Sohn des ehemals besten Freundes von Dad, aber aus irgendeinem Grund - den ich nicht kannte - hatten sie sich zerstritten und redeten seit einiger Zeit kein Wort mehr miteinander. Deshalb sah sich Mason vermutlich dazu verpflichtet, sich auch mit mir nicht gut zu verstehen, aber anstatt mich einfach zu ignorieren, nutzte er jede Gelegenheit, mir das Leben schwer zu machen.Ich beschloss, ihn zu ignorieren, aber so schnell kam ich leider nicht davon. "Ich habe dich etwas gefragt" rief Mason jetzt etwa lauter.
"Du siehst doch wohl, dass ich laufe" antwortete ich, ohne mich umzudrehen. Ich lief weiter und es begann, immer mehr zu schneien, also setzte ich meine Kaputze auf.Plötzlich fuhr Mason mit seinem Auto neben mich und hielt an. Allerdings ging ich einfach weiter, weil ich nur noch mehr Beleidigungen oder Witze über mich erwartete.
"Hey, jetzt warte doch mal!" Genervt blieb ich stehen und drehte mich zu Mason um, der mich durch das geöffnete Fenster der Beifahrertür anschaute.
"Was willst du?" fragte ich und grinsend sagte er: "Los, steig ein, ich nehme dich mit."
Ich schüttelte den Kopf: "Du willst mich doch eh nur wieder lächerlich machen. Wieso solltest du mir freiwillig einen Gefallen tun?" "Ich meine das ernst. Vertrau mir nur ein einziges Mal." Draußen war es wirklich kalt und trotz meiner dicken Winterjacke fror ich.Der Gedanke in Masons warmem Auto mitzufahren, war sehr verlockend.
Allerdings zögerte ich, weil es mich wunderte, dass er mir dieses Angebot gemacht hatte. Mason bemerkte mein Zögern und deutete dann auf einen Knopf in seinem Auto: "Ich hab eine Sitzheizung."Plötzlich musste ich lächeln, obwohl ich das eigentlich nicht wollte.
Ich bemühte mich, sofort wieder ernst zu gucken, aber Mason hatte es schon bemerkt: "War das ein 'ja'?" Jedoch antwortete ich nicht, woraufhin er bestimmte: "Ja, das war es. Und guck dir mal das Wetter an, das ist schon fast ein Schneesturm." "Okay, du hast ja Recht."
Mit diesen Worten öffnete ich die Beifahrertür, nahm meinen Rucksack in die Hand und stieg in sein Auto.Wärme umgab mich und ich fühlte mich wohl, obwohl es Masons Auto war, in dem ich saß. Das ließ ich mir aber nicht anmerken, schließlich wollte ich ihm nicht das Gefühl von Genugtuung geben. Dass ich überhaupt in sein Auto gestiegen war, musste schon bestätigend genug für sein Ego sein und das sah man ihm auch an, denn er fuhr mit einem stolzen Grinsen auf den Lippen los.
Mason und seine Familie wohnten in der gleichen Straße, wie Dad und ich, nur wenige Häuser entfernt. Deshalb begegnete ich ihm sehr oft, aber ich hatte nie normal mit ihm geredet.
Jedes Gepräch, das wir geführt hatten, bestand darin, dass er sich über mich lustig machte und ich versuchte mich zu verteidigen.
Als ich noch jünger war, hatte ich ihn auch ab und zu beleidigt, aber er war schon immer viel größer als ich, weshalb ich ihm nichts anhaben konnte.
Besonders in solchen Momenten hätte ich Lorenzo gebraucht, denn er wäre zwei Jahre älter als ich und somit auch ein Jahr älter als Mason gewesen. Dadurch, dass ich keinen großen Bruder hatte, der mich verteidigen konnte, musste ich lernen, mich selbst zu verteidigen. In vielen Fällen war das möglich, nur gegen Mason hatte ich nie eine Chance, weshalb ich auch irgendwann mit meinen Versuchen, mich zu verteidigen, aufgehört hatte.Draußen war es dunkel, weshalb Mason die Scheinwerfer seines Autos angeschaltet hatte, die einen Teil der Straße beleuchteten. Die Straßenlaternen brachten ebenfalls etwas Licht auf die Straße.
Ich lehnte meinen Rücken an den beheizten Sitz und schaute au dem Fenster. Draußen waren einige Menschen mit ihren Autos unterwegs und ich sah nur sehr wenige Fußgänger.
Eigentlich wäre ich auch eine von den Fußgängern gewesen, aber mittlerweile war ich echt froh, dass Mason mir angeboten hat, mich mitzunehmen. Ich konnte allerdings immer noch nicht verstehen, wieso."Soll ich Musik anmachen?" fragte Mason, nachdem für eine Weile keiner von uns etwas gesagt hatte. "Meinetwegen" gab ich zurück und er wollte wissen, ob ich irgendwelche Wünsche hab. Ich schüttelte den Kopf und kurz darauf ertönte ein Weihnachtslied im Radio. Ich musste zugeben, dass ich das nicht erwartet hatte.
Nachdem ich dem Lied eine kurze Zeit zugehört hatte, bechloss ich Mason die Frage zu stellen, die ich mir schon die ganze Zeit durch den Kopf gehen ließ: "Warum bist du gerade so nett zu mir?" Mason schaute weiterhin nach vorne auf die Straße.
"Bald ist Weihnachten" bekam ich als Antwort, doch das war keine Erklärung für seine Freundlichkeit.
"Das war dir doch die letzten Jahre auch egal" erwähnte ich.
"Dann hat sich das eben geändert."
"Das beantwortet meine Frage nicht" hakte ich weiter nach.
"Du musst es aber als Antwort auf deine Frage akzeptieren, weil du eine andere nicht kriegst" erklärte Mason, sah kurz zu mir und grinste mich provokativ an. Danach wandte er sich wieder der Straße zu und ich blickte kopfschüttelnd nach links aus dem Fenster.Viele Häuser waren mit Lichterketten und anderem Weihnachtsschmuck geschmückt. Vor einigen Häusern standen Weihnachtsbäume und vor anderen leuchtende Rentiere. Der 'Schneesturm' - wie Mason ihn nannte - hatte sich wieder ein wenig beruhigt, sodass man eine bessere Sicht hatte.
"Was hast du in der ersten Stunde?" fragte Mason nach einer langen Stille. "Mathe" antwortete ich.
"Okay", begann Mason, "ich hab Geographie - falls es dich interessiert." "Nein, tut es nicht" entgegnete ich eintönig.
Daraufhin sagte Mason nichts, wie ich eigentlich erwartet hätte.In der Zwischenzeit waren wir schon fast bei der Schule. Ich konnte schon den Eingang sehen, als Mason das Auto auf einen kleinen Parkplatz vor der Schule fuhr.
Es dauerte eine Weile, bis wir aussteigen konnten, da Mason unbedingt rückwärts einparken wollte, damit er nach der Schule, wenn so viele Leute auf dem Parkplatz herumlaufen, leichter aus der Parklücke rausfahren kann.Als wir dann endlich ausgestiegen waren, ging ich los, in Richtung des Schulgebäudes.
"Viel Spaß bei Mathe!" rief Mason mir hinterher, woraufhin ich mich zu ihm umdrehte und entgegnete: "Viel Spaß bei Geographie - und danke für's mitnehmen."Während ich zum Gebäude ging, dachte ich über das nach, was Mason gesagt hatte.
Ich konnte akzeptieren, dass er nett zu mir war und mich mit zur Schule nahm, aber es fiel mir schwer, zu glauben, dass das Ganze kein gemeiner Trick von ihm war, um mich zu Ärgern.
Einereits konnte ich nie verstehen, was für ein Problem er mit mir hatte, aber andererseits wusste ich auch nicht, wieso er das plötzlich ignorierte.
In der Schule ließ Mason mich meistens in Ruhe und tat so, als kannten wir uns nicht. Deshalb sah ich seine ganzen Beleidigungen und Witze auch nicht als Mobbing an.Schließlich ging ich die Treppen vor dem Eingang hoch und betrat das Gebäude.
Die Gänge waren voller Schüler, die auf ihre Lehrer warteten. Einige Türen standen offen und in den Räumen sah ich Schüler auf den Tischen oder Stühlen sitzen. Sie waren in Gespräche vertieft oder schrieben in letzter Sekunde die Hausaufgaben von jemand anderem ab.
Ich ging durch einen der Gänge und musste den jüngeren Kindern ausweichen, die auf dem Flur Fangen spielten.Am Ende des Gangs befand sich ein Treppenhaus, das ich bis zum dritten - dem letzten - Stockwerk hochging.
Der Raum, in dem mein Mathekurs stattgefunden hat, befand sich in ungefähr der Mitte des Flurs. Dort war es ruhiger als in den unteren Stockwerken, weil hier größtenteils die höheren Klassen Unterricht hatten.Ich betrat meinen Kursraum und ging zu meinem Sitzplatz. An jenem Tag war ich sehr früh da, weil ich dachte, ich müsste zur Schule laufen.
Es waren noch nicht ganz so Viele meiner Mitschüler da, aber ein paar Freunde von mir saßen schon im Raum. Neben mir saß Lorna, eine meiner besten Freunde.Als ich unserem Tisch näher kam, sah sie mich leicht verwirrt an. "Was machst du denn schon hier?" fragte sie.
"Du wirst nicht glauben, wer mich mitgenommen hat" teilte ich mit und ihr Blick sah jetzt sehr neugierig aus. "Wer?"
"Mason" berichtete ich und sie lachte kurz, bevor sie behauptete: "Das glaube ich dir echt nicht."
"Hat er aber und er war wirklich ein bisschen komisch drauf", erklärte ich, "er war nett."
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nachdem die Welt erloschen war
Teen FictionEs ist leichter an eine Lüge zu glauben, die man hundertmal gehört hat, als eine Wahrheit, die man noch nie gehört hat. ~ Robert Staughton Lynd Als Keira eine schreckliche Lüge der Vergangenheit immer weiter aufdeckt, entsteht Dunkelheit in ihrem Le...