Es war endlich so weit. Der Tag, der mich ein wenig von der übrig gebliebenen Trauer ablenkte war gekommen. Es war Weihnachten.
Am Morgen des 25. Dezembers stand ich auf. Nicht all zu früh, aber auch nicht spät.
Tatsächlich war ich die erste die wach war, weshalb ich in die Küche ging. Weil es ein Feiertag war, hatten alle Bäckereien geschlossen. Deshalb schob ich Aufbackbrötchen in den Ofen und stellte den Timer an meinem Handy auf zwanzig Minuten.Mir fiel ein, dass ich meine Geschenke für meine Großeltern und meinen Vater noch gar nicht unter den Tannenbaum gelegt hatte. Also lief ich schnell in mein Zimmer zurück und öffnete eine Schublade meines Kleiderschranks. In dieser Schublade befanden sich die Geschenke, die ich sorgfältig mit einer Decke und T-Shirts bedeckt hatte, damit niemand sie findet. Die Decke sorgte dafür, dass man die Päckchen nicht sah und die T-Shirts sollten der Schublade eine für einen Kleiderschrank übliche Wirkung geben.
Vielleicht waren diese Versteck-Maßnahmen auch überflüssig, da ich mir ziemlich sicher war, dass mein Vater eh nicht in meine Schränke gucken würde. Das hoffe ich jedenfalls, denn mittlerweile war ich mir darüber nicht mehr ganz so sicher. Mein Vater war schließlich sehr misstrauisch geworden, seit dem ich hin und wieder mit Mason Kontakt hatte.Ich schob also die T-Shirts zur Seite und nahm die Decke hoch. Darunter befanden sich ein die drei Päckchen, die in rotem Geschenkpapier mit weißen Rentier-Silhouetten eingepackt waren. Es handelte sich um ein Buch für meinen Großvater, ein Armband und einen Schal für meine Großmutter und eine Flasche Wein für Dad. Für Darla hatte ich leider kein Geschenk mehr besorgen können, aber sie hatte bestimmt auch von Dads Geschenk etwas.
Vorsichtig nahm ich dann die Geschenke aus der Schublade und platzierte die Decke und die T-Shirts wieder so, wie sie vorher lagen. Daraufhin ging ich schnell zurück ins Wohnzimmer und legte die Geschenke zu den anderen unter den Weihnachtsbaum.
Gerade noch rechtzeitig verließ ich das Wohnzimmer, denn nur wenige Sekunden später betrat meine Großmutter die Küche, die sich direkt im Raum nebenan befand.
"Guten Morgen, Liebes. Frohe Weihnachten" begrüßte sie mich. "Frohe Weihnachten, Grandma" sagte ich während sie mich in ihre Arme nahm. Ich fühlte mich geborgen und sicher bei ihr.Meine Grandma war schließlich die Frau, die nach dem Tod von Mum und Lorenzo am meisten an meiner Erziehung mitgewirkt hat. Sie war immer für mich da, selbst wenn sie einige Kilometer weit entfernt war, konnte ich sie anrufen, wenn ich Probleme hatte oder einfach nur jemanden zum Reden brauchte. Allerdings vertraute ich ihr nicht alle meine Geheimnisse an.
Lorna war die Person, die am meisten über mich wusste. Je mehr man von sich Preis gab, desto angreifbarer machte man sich zwar, aber mein Vertrauen in Lorna war größer als die Angst von ihr bloßgestellt zu werden.Der Rest der Familie kam nach wenigen Minuten auch in die Küche, in der Grandma und ich kurz vorher den Tisch gedeckt und alles für das Frühstück vorbereitet hatten.
Wir wünschen und gegenseitig Frohe Weihnachten und umarmten uns.
Dad lächelte, und diesmal sah es echt aus. Es kam aus seinem Inneren und schien seine wahren Gefühle zu spiegeln. Ich freute mich, dass er glücklich war und auch mit der Tatsache, dass er eine neue Freundin hatte, hatte ich mich mittlerweile angefreundet.
Jedenfalls für den Moment, denn meine Meinung Darla gegenüber hatte sich schon einige Male geändert.Nach dem Frühstück rief ich Lorna an, um ihr und ihrer Familie frohe Weihnachten zu wünschen. Gerade in dem Moment, als ich auflegte, erschien eine Nachricht auf dem Bildschirm meines Handys. Kayden. 'Ich dachte mir, ich wünsche dir mal Frohe Weihnachten und schöne Feiertage. Und es tut mir leid, dass ich immer so ein Idiot dir gegenüber war' hatte er geschrieben. 'Das wünsche ich dir auch und weil heute Weihnachten ist, nehme ich deine Entschuldigung an' tippte ich in das Nachrichtenfeld.
Nachdem ich die Nachricht abgeschickt hatte, entschied ich, auch Mason zu schreiben. Dieser Gedanke kam mir ein wenig komisch vor, da ich ihm nie zuvor schöne Weihnachten gewünscht hatte.Ich schrieb ihm die Nachricht jedoch nicht nur aus Freundlichkeit, sondern mit einem Hintergedanken. Schließlich wollte ich wissen, was er vor mir verheimlichte. Während ich mich also verhielt als wären wir mehr oder weniger befreundet, hoffte ich, er würde mir vielleicht mehr vertrauen und mir davon erzählen.
Ob dieses Vorhaben letztendlich etwas bringen würde, konnte ich nicht wissen, jedenfalls antwortete er mir wenig später mit einer ziemlich knappen Nachricht: 'Danke, dir auch.'
Mehr hätte ich wohl auch nicht erwarten sollen. War ich enttäuscht über diese kurze Antwort? Warum sollte ich enttäuscht darüber sein? Er war doch nur für eine kurze Zeit so anders. Wie konnte ich mir denn einbilden, er hätte sich verändert?
Er war nach wie vor Mason. Der selbe Idiot wie früher.
Von seiner Nachricht war ich verunsichert. Ich hätte ihm nicht schreiben sollen, denn erst jetzt bemerkte ich, dass ich auf sein nettes Verhalten reingefallen war. Oder meinte er es vielleicht doch ernst?
Jeder einzelne Gedanke darüber verunsicherte mich nur noch mehr, deshalb versuchte ich sie wieder zu verdrängen.Schlussendlich schaltete ich mein Handy aus und legte es weg, da ich verhindern wollte, ein weiteres Mal über Masons Nachricht nachzudenken.
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nachdem die Welt erloschen war
Teen FictionEs ist leichter an eine Lüge zu glauben, die man hundertmal gehört hat, als eine Wahrheit, die man noch nie gehört hat. ~ Robert Staughton Lynd Als Keira eine schreckliche Lüge der Vergangenheit immer weiter aufdeckt, entsteht Dunkelheit in ihrem Le...