Winterhawk Au (Teil 2/4)

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Clint stand zum zweiten Mal vor Bucky Barnes Tür. Es waren mehrere Wochen vergangen und Steve hatte heute erneut keine Zeit gefunden, um bei seinem Freund vorbeizusehen. Clint hatte ihm mit Freuden angeboten, erneut auszuhelfen. Der seltsam isolierte Freund seines Freundes war ihm nicht aus dem Kopf gegangen und er wollte ihn ehrlich gern besser kennenlernen, herausfinden, warum er so war. Es war ihm immer noch zuwider, Steve zu sehr über Bucky auszufragen. Dieses Mal strahlte die Sonne hell vom Himmel und es war keine einzige Regenwolke zu sehen. Und auch an sich war heute alles recht gut verlaufen, immerhin hatte Clint heute nicht bei wildfremden Leuten klingeln müssen, um ins Haus zu gelangen. Bucky hatte sich dieses Mal nach seinem zweiten Klingeln erbarmt und den Türöffner betätigt. Mit guter Laune war Clint die Treppen nach oben gesprintet und wartete nun, nach seinem Anklopfen – diesmal darauf bedacht, nicht allzu energisch oder laut zu sein – darauf, dass Steves Freund ihm die Tür aufmachte. Nachdem die scheinbar unzähligen Türschlösser geöffnet wurden, stand Bucky vor ihm, und wenn Clint nicht alles täuschte, hatte er die Tür sogar ein Stück weiter geöffnet, als beim ersten Mal. „Hi. Ich bins wieder, Clint." Er hob grüßend die Hand und fragte sich im gleichen Moment, warum er sich noch einmal vorgestellt hatte. Bucky hatte sich seinen Namen sicher gemerkt, so abgeschieden wie er lebte. Er bekam schließlich von niemand anderem als von Steve – und nun auch von ihm – Besuch. „Ich weiß.", war Buckys simple Antwort. Clint nickte. „Äh wie geht's dir? Alles im Reinen oder brauchst du irgendwas?" Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. „Alles okay." Clint nickte wieder. „Steve scheint es ja wirklich erwischt zu haben.", versuchte er, dass Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken, damit Bucky nicht gleich wieder in seiner Wohnung verschwand. „Er will mir nicht sagen wie sie heißt, der kleine Mistkerl. Ich dachte irgendwie immer, er hat neben seinem Job nur Zeit für uns, und vor allem für dich. Du bist ihm ziemlich wichtig, das merkt man." Bucky sah an ihm vorbei und senkte den Kopf etwas. „Ist das so? Das mag vielleicht sein. Wir kennen uns schon seit ich denken kann.", antwortete er leise. Aber Clint bekam plötzlich das Gefühl, etwas Falsches gesagt zu haben. Wieso wirkte er auf einmal so bedrückt? Und wieso dieses 'Ist das so?' Vielleicht sollte er einfach ein anderes Thema anschneiden. Aber was? Er konnte über so viele belanglose Sachen reden, zu jeder Zeit, aber jetzt, wo es nötig war, wollte ihm nichts Gescheites in den Sinn kommen. Na wunderbar! Clint warf einen Blick nach draußen, durch das Fenster. Neben dem Wohnblock lag eine kleine Wiese, direkt dahinter befand sich ein anderer Wohnblock. Die Gegend war gar nicht so schlecht. Er hatte sich Wohnblocks immer wie dreckige, heruntergekommene Häuser vorgestellt, als richtige Rattenlöcher. Es schien so, als wären seine Vorstellungen oft schlimmer, als die Realität. Wegen Bucky hatte er sich schließlich auch getäuscht. Draußen auf der Wiese erblickte er plötzlich eine Katze, die zwischen grünen Grashalmen herum lief und irgendetwas zu jagen schien. Immer wieder machte sie größere Sätze und vollführte Luftsprünge, um ihre Beute – sicher eine Maus – nicht entkommen zu lassen. Plötzlich viel Clint ein Thema ein, worauf er Bucky ansprechen könnte. „Wie sieht's aus, hast du Haustiere?" Überrascht sah ihn sein Gegenüber an. „Nein. Steve hat eine Tierhaarallergie. Als wir noch zusammen gewohnt haben konnten wir uns keine Tiere anschaffen und bis jetzt habe ich nicht mehr darüber nachgedacht." Irgendetwas in seinem Blick veränderte sich, als er von dieser scheinbar längst vergangenen Zeit sprach, irgendetwas hoffnungsvolles, irgendetwas Glückliches. Seine Augen leuchteten ein bisschen auf, waren nicht mehr so stumpf und traurig. Clint horchte bei seinen Worten auf. Das hatte Steve ihnen noch nicht erzählt! So weit er wusste, wohnte Steve schon seit einiger Zeit bei Sam Wilson, einem anderen guten Freund. Dieser Kerl – der es ebenso wie er selbst liebte, alle mit schlechten Witzen zu nerven – war ein totaler Vogelfanatiker und hatte sich tatsächlich einen Falken als Haustier angeschafft. Clint hatte nichts gegen Vögel, auch nicht gegen Falken, aber er sah ihnen lieber in Freiheit zu, als sie in einen Käfig zu sperren. Sam hätte sich ja stattdessen Wellensittige anschaffen können, die waren an so ein Leben gewöhnt. Bei den Gedanken, wie Wilson von ein paar kleinen bunten Vögeln attackiert wurde, musste Clint in sich hineingrinsen. Bucky hatte ihn während seiner Überlegungen nachdenklich gemustert und hatte seine Tür noch etwas weiter geöffnet. Dann verschränkte er die Arme vor der muskulösen Brust und sah ihn fragend an. „Was ist so lustig?" „Hä?", fragte Clint ungehalten – obwohl er ihn verstanden hatte. Es war ein seltsamer Reflex, der ihn manchmal einfach überkam. „Ach ich hab nur an einen Bekannten gedacht. Wie ihn Wellensittige angreifen würden." Bucky runzelte die Stirn. „Du hast komische Vorstellungen Clint." Clint nickte und war für einen Moment davon abgelenkt, wie schön sein Name doch klang, wenn Bucky ihn aussprach. Aber dann konzentrierte er sich wieder auf das Wesentliche. Er musste Steve unbedingt fragen, warum er und Bucky nicht mehr zusammen wohnten. Nicht dass es ihn etwas anging, aber je mehr er sich mit dem isolierten Mann beschäftigte, des do mehr interessierte ihn dessen Vergangenheit, dessen Geschichte. Plötzlich vibrierte sein Handy. „Oh, sorry." Eilig zog er es aus seiner Jackentasche und betrachtete das Display. Eine Nachricht in ihren Gruppenchat. Die konnte er sich auch später noch ansehen. Ihm war nicht entgangen, wie Bucky bei dem Geräusch zusammengezuckt war. Der Mann war wirklich sehr sensibel, wie Steve ihn beschrieben hatte. Wenn er noch öfter nach ihm sehen würde – und Gott würde er das gern tun – musste er wohl vorher sein Telefon lautlos stellen. Er wollte ihm wirklich keine Angst einjagen oder ihn erschrecken. Clints Handy wanderte zurück in seine Tasche. Bucky hatte sich wieder etwas weiter in seine Wohnung zurückgezogen und es sah so aus, als würde ihr Gespräch hier enden. Clint bedauerte es, aber scheinbar viel es ihm schwer, viel Konversation mit einem Fremden zu führen. Vielleicht war es das meiste, was er je mit einer außenstehenden Person gesprochen hatte! Aber er konnte darüber nur mutmaßen, Ahnung hatte er keine. „Okay, dann sag ich mal tschüss." Clint gab ihm ein schiefes Lächeln. „Bis zum nächsten Mal denk ich." Bucky nickte. Er sah aus, als würde er wegen irgendetwas mit sich hadern. Etwas ging in seinem Kopf vor. Clint blieb abwartend stehen. Er hatte das Gefühl, dass der andere ihm noch etwas sagen wollte – und dass dies ihm unglaublich schwer zu fallen schien. „Wegen deiner Handynummer . . .", begann Bucky und sah dabei wieder an ihm vorbei, scheinbar etwas verlegen. Clint erinnerte sich daran, dass er sie ihm gegeben hatte – und ziemlich lange darauf gehofft hatte, eine Nachricht von ihm zu bekommen. Aber Bucky traute ihm sicher noch nicht genug. „Ja?" „Es tut mir echt leid aber ich konnte die Zahlen nicht lesen. Deine Schrift ist krakelig und zudem war alles total verschmiert, durch das Regenwasser." Clint zog die Augenbrauen hoch. War das eine indirekte Frage, ob er ihm die Nummer ein zweites Mal geben würde? Er beschloss, es als das gelten zu lassen und begann wortlos, nach einem der kleinen Zettel zu kramen. Dieser war wirklich unversehrt. Er hielt ihn Bucky hin. „Hier. Aber sag nichts gegen meine Schrift, so eine schöne siehst du nie wieder!" Er grinste und gab seinem Gegenüber den Zettel. Bucky streckte die Hand aus und nahm ihn entgegen. In dem Moment fiel Clint auf, dass er einen Handschuh über seiner linken Hand trug. Wieso hatte er das zuvor nicht gesehen? Fragend runzelte er die Stirn. Es war bald Sommerzeit und bei weitem nicht so kalt, dass man einen Handschuh noch benötigte – vor allem nicht wenn man den ganzen lieben Tag allein in seiner Wohnung verbrachte. „Danke." Bucky schien sein Blick auf seine Hand aufgefallen zu sein und er ließ sie samt dem Zettel mit Clints Nummer darin hinter seinem Rücken verschwinden. Dann schloss er die Tür, hektisch, beinahe panisch. Clint fühlte sich seltsam. Was versteckte Bucky? Irgendetwas musste vorgefallen sein, er war niemals ohne Grund so. Aber was? Was war sein Geheimnis? Grübelnd machte er sich auf den Weg nach unten und zu sich nach Hause. Die nächsten Tage verstrichen, nicht ohne dass er immer wieder darüber nachdachte, was wohl der Grund für Buckys seltsames Verhalten sein konnte.

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Wie auch beim letzten Mal hatte sich Clint nach seinem Besuch bei Bucky mehrere Tage später mit Steve getroffen – diesmal aber nur virtuell. „Also mir scheint als vertraut er dir recht schnell.", sagte Steve gerade. „Uh findest du? Ich meine, ich glaub wir würden sicher etwas besser klar kommen, wenn er ein bisschen offener wäre. Aber ich finde dafür, dass wir uns erst zwei Mal gesehen haben läuft es gar nicht so schlecht zwischen uns. Ich wusste übrigens nicht, dass ihr mal zusammen gewohnt habt. Hast du nie erwähnt." Clint schob sich eine Handvoll Chips in den Mund und begann geräuschvoll darauf herum zu kauen. Am anderen Ende des Telefons schwieg Steve auf einmal. „Steve?" „Musst du unbedingt essen während wir telefonieren?" Clint schluckte die Chips runter. Aber deshalb war er nicht still geblieben. Irgendetwas an seiner Erzählung hatte Steve in Schweigen versetzt. Er wusste nicht warum, aber ihm hatte der Ton nicht ganz gefallen, der ganz unauffällig in seiner Stimme mitgeschwungen hatte, als er meinte, Bucky würde ihm scheinbar vertrauen. Oder hatte er sich das nur eingebildet? Sicher. Was sollte Steve schon dagegen haben, wenn sein bester Freud ein wenig Interaktion mit anderen Menschen hatte? „Ja, ich muss das. Ich brauche Nahrung um zu überleben." Er konnte förmlich hören, wie Steve die Augen verdrehte. „Du bist unmöglich." „Ich bin hungrig!", gab Clint zurück. Plötzlich war im Hintergrund eine gedämpfte Stimme zu hören. Clint warf einen verwunderten Blick auf sein Telefon, ehe er es sich mehr ans Ohr presste. „Wer war das gerade? Sam?", fragte er. „Ich glaub ich muss Schluss machen. Man sieht sich Clint.", sagte Steve, kurz angebunden. Clint konnte noch ein schnelles „Tschau!" aussprechen, dann ertönte bereits ein leises Klicken in seinem Handy und Steve hatte aufgelegt. Verwirrt starrte Clint das Display an. Was war denn jetzt auf einmal los gewesen? Er zuckte mit den Schultern und griff erneut in die Chipstüte. Vielleicht hatte er einfach einen schlechten Tag gehabt. Plötzlich poppte eine Nachricht auf seinem Screen auf. Von einer unbekannten Nummer. Verwirrt klickte Clint darauf. Er hatte doch niemanden – Bucky! Seine Augen flogen über den kurzen Text, den Steves Freund ihm gesendet hatte.

Hier ist Bucky.

Das war's. Mehr hatte er nicht geschrieben. Aber das störte Clint nicht wirklich. Er antwortete mit einem kurzen und einfachem Hi. ehe er Buckys Nummer einspeicherte. Jetzt konnte er wenigstens so etwas Kontakt zu ihmhalten, ohne sich auf den Weg machen zu müssen. Clint fragte sich, ob Buckywohl so ein offeneres Verhalten ihm gegenüber zeigte. Er hatte mal irgendwogehört, dass es vielen Menschen leichter viel, Dinge nur zu schreiben, weil mansomit einer direkten Konversation aus dem Weg ging.

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