Winterfrost (Teil 2/2)

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~ Da ich heute wieder mal meine sogenannte "Schreibnacht" veranstalte: hier ist endlich der zweite Winterfrostteil^^ Ich hoffe, dir gefällt diese Fortsetzung, obwohl sie vielleicht etwas komisch rüberkommen könnte - ach ich weiß auch nicht. 

Begehren und Verlangen. Zwei Worte, die eigentlich beide die gleiche Bedeutung hatten. Das Sehnen einer Seele nach etwas, was sie nicht haben konnte. Loki hatte begehrt und verlangt, schon sein ganzes Leben lang. Er hatte Asgard haben wollen. Er hatte über Midgard regieren wollen. Er hatte endlich aus dem Schatten seines Adoptivbruders treten wollen. Wollen und wünschen. Nur weitere Ausdrücke für das Sehnen einer Seele – seiner Seele. Er hatte viel gewollt, viel gewünscht, viel verlangt und viel begehrt. Aber niemals war es eine Person gewesen. Jemand aus Fleisch und Blut, ein atmendes, lebendiges Wesen. Sein Fokus war eher auf materielle Dinge gerichtet gewesen, auch wenn Macht nicht gerade materiell war. Aber dennoch, niemals eine Person. Aber die Dinge konnten sich ändern. Loki wollte immer noch Macht, das war keine Frage. Er würde auch nicht aufhören, Chaos zu stiften und Unruhen hervorzurufen. Aber zu seinen sonstigen Unterhaltungen und Beschäftigungen war etwas Neues hinzugekommen, ein neues Gefühl, das ihn ziemlich fertig machte. Er hatte mit solchen Sachen, wie eben Gefühlen, noch nicht wirklich Kontakt gehabt, zumindest nicht so, dass sie von seiner Seite ausgingen. Er war froh, dass er wenigstens noch so viel Kontrolle über sich selbst hatte, dass er nach außen hin noch immer vollkommen wie immer wirkte. Aber trotz aller seiner Bemühungen, sich wie der Loki zu benehmen, den jeder kannte, merkte James sehr schnell, dass sich etwas bei ihm verändert hatte, dass ihn etwas beschäftigte. James . . . Wie sollte Loki es verständlich für die Allgemeinheit ausdrücken, wenn die Wahrheit für ihn selbst schon so unwirklich, geradezu bizarr klang? Es war nicht normal, jeden Tag den drängenden Wunsch zu verspüren, Besitz vom Körper des Menschen zu ergreifen. Es war nicht normal, ihn berühren zu wollen. Es war nicht normal, unbewusst nach seiner Liebe zu verlangen, geradezu innerlich danach zu schreien. Es war nicht normal, ihn zu begehren. Loki hasste sich selbst mehr, als das er James dafür hasste, diese Gefühle überhaupt in ihm auszulösen. Aber mit jedem Tag, der verging und an dem sie sich ein winziges Stückchen näher kamen, wurde es schwieriger für den Gott, dem Sehnen seiner Seele standzuhalten. Dem Sehnen seiner Seele nach Liebe, nach dem Gewissheit gewollt zu werden. James war die einzige Person, die ihm das geben konnte – er wusste es nur noch nicht. Zurzeit verbrachte er die Tage damit, still in seinem Zimmer zu sitzen und seinen Gedanken nachzuhängen. Wie Loki später erfahren hatte, war niemand anderes als der gute Captain Amerika der Mann, der sich dafür einsetzte, dass James nun im Avenger Tower festsaß und nicht in diesem Unterwasser – Hochsicherheitsgefängnis. Die beiden hatten wohl irgendeine tiefgreifende Beziehung zueinander, aus der Zeit, bevor James bei Hydra landete und bevor Rogers das Supersoldatenserum in den Körper injiziert bekam. Loki hatte bis jetzt nicht viel über die gemeinsame Vergangenheit der beiden herausgefunden, was ihn frustrierte. Er wusste so wenig über James Vergangenheit – außer das, was ihm der alte Mann erzählt hatte, während er auf der Suche nach dem Tesserakt in den Reihen Hydras zufällig auf James gestoßen und ihn ohne groß nachzudenken mitgenommen hatte. Vielleicht war es Schicksal gewesen. Einer Bestimmung gleich, die dazu erschaffen worden war, um Loki für das zu strafen, was er in der Vergangenheit getan hatte. Um ihn für die Opfer zu bestrafen, die die Erreichung seiner Ziele erfordert hatte. Er war sich sicher, dass er irgendwann an diesen Gefühlen zugrunde gehen würde – und das Schlimmste war, das er vollkommen machtlos dagegen war. Er hatte keine Chance mehr, sein Schicksal zu ändern. Er konnte nur hilflos daneben stehen und mit ansehen, wie er zerbrach. Das hier würde sein Ende sein. James würde sein Ende sein. Seine Zerstörung. Sein Untergang. Wie sollte er damit bloß umgehen? Loki fuhr sich leise seufzend durch die Haare. Er konnte nicht mehr ohne James, so viel war klar. Seine Situation war ausweglos. Wenn er sich nicht zusammenreißen würde, wäre er vor Verzweiflung sicherlich bereits durchgedreht. Ohne es bewusst zu tun umspielten plötzlich grün leuchtende Nebelschlieren seine Finger. Magie zu beherrschen war in der Tat ein machtvolles Gefühl. Er sah fasziniert dabei zu, wie das grüne Licht über seine Hände zuckte und wie anschließend seine gesamte Umgebung in Sekundenschnelle in einem hellen Lichtblitz verschwand. Und nur wenige Augenblicke später war er an dem Ort, zu dem er eigentlich nicht mehr hätte zurückkehren dürfen. Getan hatte er es trotzdem, denn nie mehr dorthin wiederzukehren brachte er nicht übers Herz. Er war wieder bei James. Illusionszauber hatten so viele Vorteile . . . „Loki! Was machst du hier?" Die nur allzu vertraute Stimme des Menschen, seines Menschen, ließ sein Herz schneller schlagen. „Hallo James." Loki beobachtete, wie James von dem Boden aufstand, auf dem er gesessen hatte. Er schien sich tatsächlich über das unangekündigte und überraschende Auftauchen des Gottes zu freuen. Dieser antwortete nicht auf seine Frage. Was sollte er denn auch sagen? Loki konnte James unmöglich von seinem tiefgründigen Verlangen nach ihm erzählen. Dieses Unterfangen war abwegig, unrealistisch. Das würde James nur verwirren und ihn von Loki entfernen – und das konnte er auf keinen Fall zulassen. Diese verdammte Abhängigkeit von dem Menschen! Sollte er denn vollkommen verrückt, gar wahnsinnig werden? „Geht es dir gut? Du siehst blass aus – also blasser als sonst.", bemerkte James, ernstlich besorgt. Loki zuckte leicht mit den Schultern. „Es ist nichts Wichtiges, Darling." Er log. Wie immer. Er war nicht umsonst der Gott der Lügen. Aber es war schmerzhaft, James anzulügen, gerade eben weil er die Wahrheit scheinbar so offensichtlich sehen konnte. War er wirklich blasser als normal? Andererseits, war die Tönung seiner Gesichtsfarbe wichtig? Nein. Es gab bei weitem wichtigere Themen. Nur viel ihm in dem Moment natürlich nichts ein. James betrachtete ihn schweigend, nachdenklich. Worüber hatte er nachzudenken? Selbstverständlich fragte sich Loki, was in seinem Kopf vorging, aber er wusste genauso gut, dass die Antwort auf seine Frage nicht berechtigt war. Es ging ihn nichts an, was sein Gegenüber dachte – ebenso wenig, wie James davon mitbekommen sollte, was in seinem eigenen Kopf passierte. Loki trat einen Schritt auf ihn zu, ehe er sich hätte stoppen können. Seine Beine bewegten sich automatisch, ganz von allein in James Richtung. Als würde sein Körper von einem Magneten angezogen. Eigentlich war es keine schlechte Idee, James mit einem Magneten zu vergleichen. Er übte tatsächlich eine gewisse Anziehungskraft auf ihn aus, selbst wenn es nur ein kurzer, flüchtiger Blick war, den James ihn aus seinen tiefgründigen blauen Augen schenkte. In seinem Fall sagten die Blicke noch viel, viel mehr als nur Worte. James war praktisch dazu in der Lage, nur über seinen Blick zu kommunizieren, was äußerst faszinierend war, wie eigentlich alles an ihm. Loki blieb direkt vor ihm stehen. Sie waren sich jetzt so nah, dass er seine Hand nur ein wenig hätte ausstrecken müssen, schon würde er James berühren können. Aber er schaffte es, sich zurückzuhalten. „Warum lügst du eigentlich?" Die Frage war ungewöhnlich, aber nicht unbeantwortbar. „Es liegt einfach in meiner Natur. Ich kann nicht anders." Diese Antwort war tatsächlich ehrlich gemeint. Loki konnte nicht ohne Lügen, Intrigen oder Chaos leben – und wollen tat er das ebenfalls nicht. Er spürte, dass James nach seiner Hand griff. Zögerlich, aber gleichzeitig auch bestimmt. Kalte, glatte Metallfinger schlossen sich um seine eigenen. Oh nein, suchte sein Gegenüber etwa die Gefahr? Loki umklammerte seine Hand jedoch reflexartig. Nur sein letztes bisschen Verstand hielt ihn jetzt noch davon ab, Besitz von James zu ergreifen. Die Zukunft schien an einem seidenen Faden zu hängen. „Loki.", wisperte James. „Warum bist du hergekommen?" Der Gott wagte es, ihm direkt in die Augen zu sehen. Es war ihm, als hätte das Blau an Intensität gewonnen. Er liebte diese Farbe. Er liebte diesen Menschen. Er beugte sich etwa zu James herunter, bis sein warmer Atem auf seinem Gesicht abprallte. „Darum.", gab er genauso leise von sich, wie sein Gegenüber zuvor. Dann küsste er James. Dann war er eben wahnsinnig. Dann war er eben verrückt. Dann begehrte er eben einen Menschen. Es kümmerte letzten Endes sowieso keinen. In dem Moment, in dem ihre Lippen aufeinander trafen, war alles, was Loki zur Sorgen bereitet hatte, alles, worüber er sich den Kopf zerbrochen hatte, unwichtig geworden. Das Einzige was jetzt noch zählte, war, dass James seinen Kuss zaghaft erwiederte. 

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