16. Kapitel

334 18 25
                                    

Steff:

Auch der nächste Morgen bringt keine Erlösung mit sich. Gestern Abend habe ich mit Thomas geschlafen und nur etwas dabei gefühlt, weil ich die Augen geschlossen hatte und mir vorgestellt habe, er sei Samu. Danach ist er sofort eingeschlafen, aber ich lag fast die ganze Nacht wach und habe mir den Kopf darüber zerbrochen, wie zur Hölle ich das alles wieder geradebiegen kann. Mir ist keine Lösung eingefallen.

Es ist Samstag, wir treffen uns mit Hannes und Nowi im Proberaum, dann ist Sonntag, wir schlafen aus und gehen später ins Kino, dann ist Montag. An die gesamte nächste Woche kann ich mich nur verschwommen erinnern. Ich weiß im Nachhinein nur noch, dass die Zeit elend langsam vergangen ist, die Temperaturen wieder gestiegen sind und ich mich Nacht für Nacht schlaflos im Bett hin– und hergewälzt habe.

Und plötzlich ist es wieder Montag. Eine Woche später. Keine Ahnung, wie ich das überlebt habe, aber irgendwie hat es funktioniert. Ich fühle mich, als hätte ich sieben Tage hintereinander einen gewaltigen Kater gehabt. Samu hat nicht mehr geschrieben. Gott sei Dank. Ich hätte die Kraft, ihm zu antworten, nicht aufbringen können.

Wann genau wir uns wiedersehen, weiß ich nicht, und das macht mich noch nervöser. Heute beginnen die Proben für die Battles, aber die finden zunächst nicht im Studio Adlershof statt. Wo Samus Team seine Vocalcoachings hat, wurde mir nicht gesagt. Ich werde auf jeden Fall von dem schwarzen Audi zu einem schönen alten Fachwerkhaus gefahren, wo mich schon das Kamerateam erwartet.

Es wird ein ganz schön langer Tag, denn jeder bekommt seinen Battle-Song mitgeteilt und dann gibt es für jedes Battle-Paar ein Coaching von etwa 20 Minuten. Dazwischen dann immer wieder Pausen und ab und zu muss ich auch eins meiner Talente beruhigen. Viele sind doch ganz schön nervös mit den vielen Kameras drumherum.
So vergehen der erste und zweite Tag der Proben und ich bin froh, wieder etwas zu tun zu haben und Thomas abends eine plausible Erklärung liefern zu können, warum ich jetzt schon früh ins Bett will.

Am Morgen des dritten Probentages schnürt mir die Nervosität die Kehle zu. Studio Adlershof. Heute geht es dorthin zurück, nicht nur für mein Team und mich, sondern für alle. Das bedeutet kurz gesagt: Früher oder später werde ich Samu heute sehen. Und was dann passieren wird, steht in den Sternen.

Thomas schaut mich komisch an, als ich die Tüte mit Samus Klamotten in die Hand nehme und die Wohnung verlasse, aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Ich hab wirklich mein bestes gegeben, mich so unauffällig wie möglich zu verhalten.

Als ich zum ersten Mal nach mehreren Wochen wieder einen Fuß in meine Garderobe setze, muss ich schlucken. Alles sieht noch so aus, wie letztes Mal als ich hier war. Dort auf dem Sofa habe ich gesessen und gesungen und Samu hat mich belauscht. Das war das erste Mal, dass er mir wirklich aufgefallen ist.
Seitdem ist so viel passiert. Ich seufze und gehe zu dem Sofa, sehe, dass darauf ein Blatt Papier liegt. Ein Zeitplan. Heute ist Probentag, morgen werden Interviews und Zwischensequenzen gedreht und in zwei Tagen ist Generalprobe. Danach beginnen die Battles. In der nächsten Woche werde ich Samu jeden Tag sehen. Bei dem Gedanken daran wird mein Atem ganz zittrig. Verdammt, ich wünschte, er würde mich einfach kaltlassen.

Auf dem Weg von der Garderobe zum Studio läuft mir Rea über den Weg. „Hi Steff. Good to see you”, begrüßt er mich und wir umarmen uns kurz. „Gehst du jetzt zu deine Proben?”

Ich nicke. „Du, sag mal…hast du Samu heute schon irgendwo gesehen?”

„Nein, ich glaube, der ist noch nicht hier. Aber wenn ich ihn sehe, soll ich ihm dann sagen, dass du ihn suchst?”

„Nein!”, rufe ich schnell. „Äh, nein. Danke, aber das passt schon. Ich—ich suche ihn eigentlich gar nicht wirklich, ich muss ihm nur…was geben. Aber das kann ich auch später noch machen.”

Rea mustert mich stirnrunzelnd. „Okay. Äh. Dann viel Erfolg bei den Proben. See you later.”

Dankbar lächle ich ihn an, weil er keine weiteren Fragen stellt und dann nicken wir uns zu und gehen getrennte Wege. Ich hole mir einen Kaffee aus dem Automaten, der zwar eher wie bittere Brühe schmeckt, aber besser ist als gar nichts.

Während der Proben stehe ich völlig neben der Spur, was zum Glück keinem sonderlich auffällt. Nach außen schaffe ich es einfach fast immer, fröhlich und aufgeweckt zu wirken. Trotzdem sacke ich danach auf dem Sofa in meiner Gaderobe müde zusammen. Die Tüte mit Samus Sachen steht noch immer neben der Tür, wartet darauf, dass ich sie zu ihm bringe. Ich stöhne laut, als ich spüre, wie ein starker Kopfschmerz mich überfällt. Am besten bringe ich Samu das Zeug einfach schnell rüber und mache dann, dass ich hier wegkomme.

Für den Fall der Fälle, dass ich ihn in seiner Gaderobe nicht antreffen sollte, nehme ich mir einen Zettel und schreibe Danke für deine Hilfe darauf. Diesen lege ich sorgfältig auf die Klamotten in die Tüte, atme einmal tief durch und gehe schließlich mit klopfendem Herzen zu Samus Gaderobe herüber.

Bevor ich den Mut aufbringen kann, anzuklopfen, geht die Tür auf — und ich stoße prompt mit Samu zusammen. „Huch”, sagt er und gleich darauf, als er merkt, dass ich es bin: „Oh. Hello Steff.”

„Ja. Hi”, antworte ich gepresst und verfluche mein vermaledeites Herz dafür, dass es schon wieder zu rasen beginnt. Ich traue mich nicht, Samu in die Augen zu sehen, also drücke ich nur die Tüte gegen seine Brust. „Ich will—dir nur deine Sachen wiedergeben.”

Ungeduldig warte ich darauf, dass er sie entgegennimmt. Als ich spüre, wie er eine Hand um die Tüte schließt, nuschele ich „Danke” und will sofort wieder umdrehen, aber er hält mich sanft am Arm fest.

„Steff.” Und schon werden meine Knie wieder weich. Vorsichtig hebe ich mein Kinn an, schaue jetzt doch in seine blauen Augen und mir fällt nichts ein, was ich sagen könnte. „Don’t you want to come in?” Ich will den Mund öffnen und irgendeine ungewollt schnippische Antwort geben, aber er sagt „Please” und klingt so verzweifelt, dass ich nicht Nein sagen kann.

Stumm nicke ich. Er starrt mich an, als hätte er damit gar nicht gerechnet, tritt dann aber einen Schritt zurück und ich schiebe mich an ihm vorbei in seine Garderobe. Ich höre, wie er leise die Tür schließt, trete nervös von einem Fuß auf den anderen.

„Do you want to, äh, drink something?”, fragt er.

Ich drehe mich zu ihm um und funkele ihn an. „Nein. Verdammt, ich—I really shouldn’t be here.”

Er nickt, stellt die Tüte neben der Tür ab und macht, was er immer tut, wenn er nicht weiter weiß: Er kratzt sich am Hinterkopf. „I understand you, okay? Ich verstehe dich. And if you never want to see me again, then—”

„Samu!”, unterbreche ich ihn frustriert. Tränen steigen in mir auf, aber ich will nicht weinen. Was ich will ist, ihn zu küssen, ihn zu spüren; Ihn, der nicht Thomas ist. „Kannst du bitte einfach sagen, was du zu sagen hast, damit ich wieder gehen kann?”

Er seufzt, knabbert an seiner Unterlippe. Schließlich kommt er auf mich zu und ich bin unfähig, mich von der Stelle zu rühren. „I already said everything I wanted to say. I just—want you to know that I was and still am serious. I—there’s something about you that I can’t explain, Steff. And it makes me go fucking crazy.”

Ich beiße mir fest auf die Zunge um die Tränen zu unterdrücken, kann nicht glauben, dass es wahr ist. Dass er mich genauso will, wie ich ihn und wir uns trotzdem nicht haben können. Weil es einfach nicht geht. „Samu, ich—I don’t know what to say”, flüstere ich.

Er schüttelt den Kopf. „I don’t expect you to say anything. Even though it breaks my heart. I—just—fuck.” Ich zucke zusammen, als er seine Hand an meine Wange legt. Er ist so nah, steht direkt vor mir und, scheiße, es wäre so einfach. Ich könnte ihn küssen, jetzt und hier und es ist das was ich will, aber nicht das was ich kann. Und es tut weh. „I don’t want to bother you, Steff”, sagt er und seine Stimme zittert jetzt auch. „I will—I will leave you alone if that’s what you want. I won’t ever come close to you again.” Er schluckt und ich kann meinen Blick nicht von seinen traurigen Augen lösen, wünsche mir, dass er erkennt, dass es mir genauso geht wie ihm. „But I don’t think that you don’t feel anything.”

„W–what?” Ich blinzele ihn an, das Atmen fällt mir immer schwerer. Seine Hand liegt immer noch auf meiner Wange und ich bin wie eingefroren.

„Steff”, sagt er und die Sicht verschwimmt vor meinen Augen. Muss er ständig meinen Namen sagen? „You told me you are thinking about someone who’s not…your boyfriend.” Ich keuche. Von Anfang an wusste ich, dass es eine schlechte Idee war, ihm davon zu erzählen. Er kann mich nicht dazu bringen ihm zu sagen, dass er es ist, den ich meinte. Er kann nicht. „Steff, I—can you please just tell me if I’m the one?”

Nein. Nein kann ich nicht. Darf ich nicht. Werde ich nicht. Obwohl es klar wie Kloßbrühe ist, dass er es ist. Ich kann es nicht zugeben. Samu lehnt seine Stirn gegen meine und streicht mit seinem Daumen die Tränen von meiner Wange, die stumm über mein Gesicht laufen. Er ist direkt hier, von seinem Körper geht so eine Wärme und Sicherheit aus und all das könnte ich haben, würde ich es nur zulassen.

Aber unweigerlich muss ich wieder an Thomas denken und vor allem an die Band. Verdammt, die Band. Wenn was-auch-immer zwischen Samu und mir passiert, wird das früher oder später Konsequenzen für die Band haben und das ist eine Last, die ich nicht tragen kann. Die Band ist das wichtigste für mich. Ein leises Schluchzen kommt aus meinem Mund. „I’m—I’m sorry but I—I can’t”, presse ich unter Tränen hervor.

Und obwohl es mir das Herz zerreißt, stolpere ich von Samu zurück und renne aus dem Raum, lasse ihn dort stehen und weiß nicht, ob ich das jetzt bereuen soll oder nicht.

-----------------------------------

Byyyee, mein Herz. 🥺 Ich mag das Kapitel aber eigentlich, bin zufrieden damit. :)

Votes und Kommentare sind immer willkommen! ❤️

& wir war'n 𝘶𝘯𝘦𝘯𝘥𝘭𝘪𝘤𝘩Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt