Ein paar Tage später
Samu:
Es ist heiß heute. 34,6°C zeigt das Thermometer auf meinem Balkon an. Ich bin vor einer Viertelstunde aus der Dusche gekommen und könnte jetzt direkt wieder reingehen. Sommer in Deutschland ist definitiv härter als Sommer in Finnland, aber bei längerem Nachdenken wenigstens nicht ganz so heiß, wie in Spanien.
Ich laufe kreuz und quer durch meine Wohnung, sammle hier und da ein paar Sachen auf und stopfe sie in meine Sporttasche. Dabei fällt mir auf, dass ich mal wieder aufräumen müsste. Auf dem Couchtisch liegen unzählige vollgeschriebene Blätter verstreut, dazwischen stehen leere Gläser und Teller der letzten Tage. Gestern Abend und den Abend davor, saß ich lange wach und habe die Battles für mein The Voice Team geplant. Je früher desto besser. Dabei saß ich noch bis spät in die Nacht auf dem Sofa, was aber nicht schlimm war, weil bei dieser Hitze zurzeit an Schlaf sowieso kaum zu denken ist. In den nächsten Tagen soll es abkühlen und regnen. Zum Glück.
Ich werfe einen Blick auf mein Handy und stöhne auf. „Fuck.” In einer halben Stunde bin ich mit Rea, Michi, Smudo und Steff an einem Waldbad verabredet, das etwa 20 Minuten außerhalb Berlin liegt. Und ich werde zu spät kommen. Eilig greife ich nach der Sonnencreme, die auf dem Sofa liegt, und werfe sie zusammen mit meinem Handy in die Sporttasche in meiner Hand.
Das heute wird vermutlich unser letztes privates Treffen bis zu den Aufzeichnungen der Battles sein. Und diese kann man ja auch nicht wirklich als privates Treffen bezeichnen. Michi und Smudo haben mit dem Rest ihrer Band nächste Woche ein paar OpenAirs und Rea fliegt mit seiner Familie für eine Woche nach Irland. Und danach wird jeder von uns alle Hände voll zu tun haben mit dem Coaching unserer Talente und der Vorbereitung der anstehenden Battles.
Ich gehe schnellen Schrittes ins Bad, wo ich mir meine Badehose anziehe und schließlich die letzten Dinge in meine Tasche packe. Dann stürme ich aus der Tür. Für gewöhnlich stresst es mich nicht so, zu spät zu sein. Aber heute fiebere ich dem Treffen so entgegen, dass der Gedanke daran, ich könnte mich verspäten, mich rasend macht.
In den letzten Tagen habe ich nichts mehr von Steff gehört. Ich habe sie nicht mehr angerufen und obwohl ich des Öfteren mit dem Gedanken gespielt habe, ihr im Einzelchat auf Whatsapp zu schreiben, habe ich es nicht getan. Das heißt aber nicht, dass ich weniger an sie gedacht habe, im Gegenteil. Sie ist ständig und überall präsent. Ihr helles Lachen und die Berührung ihrer Hand an meinem Arm verfolgen mich mittlerweile sogar in meinen Träumen.
Es kommt mir so idiotisch vor, aber ich werde magisch angezogen von ihr. Egal, wie sehr ich versuche, mich von ihr abzulenken, egal wie oft ich mit Vivi spreche und wie sehr ich mich in die Arbeit die mein Team betrifft vertiefe, früher oder später führen all meine Gedankengänge wieder zu ihr.
Nachdem ich meine Tasche auf dem Beifahrersitz platziert habe, starte ich sofort den Motor und fahre los. Es ist Donnerstag und früher Nachmittag und ich hoffe sehr, dass im Waldbad nicht die Hölle los sein wird.
Das Navi führt mich immer weiter in Gegenden, in denen ich noch nie gewesen bin. Berlin lasse ich hinter mir, mittlerweile befinde ich mich auf einer Landstraße, rechts und links neben mir nichts als Felder. Bald erhebt sich vor mir ein Wald. Es ist nicht mehr weit, drei Minuten noch, sagt die Stimme aus meinem Navi. Ich muss von der breiten Hauptstraße in einen schmaleren geteerten Weg abbiegen, es geht ein Stück bergab und dann bin ich da.
Als ich aussteige und die frische Luft einatme, die nach Bäumen und Sommer und Freiheit schmeckt, breitet sich ein Gefühl des Friedens in mir aus. In der Enge der Großstadt hatte ich fast vergessen, wie sich das anfühlt.
Tatsächlich ist weniger Betrieb als ich dachte. Der Parkplatz, der ohnehin nicht sehr viel Raum bietet, ist nur etwa zur Hälfte voll. Vor dem Eingangshäuschen warten schon die anderen auf mich. Da ich mich jetzt doch ziemlich beeilt habe, bin ich nur wenige Minuten zu spät.
„Ach, da isser ja”, höre ich Michi schon von weitem rufen.
„The coolest ones are always a bit late”, lacht Rea, worüber ich grinsen muss.
Als ich vor den anderen stehe, pflichte ich ihm bei: „You’re right as always, Mr. Garvey.” Dann entschuldige ich mich trotzdem kurz für die Verspätung und schließlich, nachdem Smudo mit den bereits gekauften Eintrittskarten gewedelt hat, mustere ich Steff.
Sie trägt ein schwarzes Top und eine lange flattrige Hose in einem satten Grünton, der sich perfekt mit dem Wald um uns herum ergänzt. Auf ihrer Stirn sitzt eine Sonnenbrille. „Hi”, sage ich zu ihr, während Smudo sich mit den Karten am Eingang zu schaffen macht.
Sie schaut zu mir hoch und lächelt. „Hi. Alles klar?”
„Alles klar. Und bei dir?”
„Ja, auch.” Dann lächeln wir uns einfach an und sehen dabei wahrscheinlich ziemlich bescheuert aus, weil keiner weiß, was er sagen soll.
„Habs!”, ruft Smudo von vorne. Steff und ich gehen als letzte durch das schmale Tor, wobei Steff sich mit dem Henkel ihrer Tasche am Gitter des Tores verharkt.
„Fuck”, stöhnt sie nur. Die anderen gehen schon voraus, aber ich bleibe und warte auf sie. Sie rüttelt und zieht mit den Händen an ihrer Tasche und setzt ein angestrengtes Gesicht auf.
„Should I help you?”, frage ich belustigt, aber sie schüttelt wild mit dem Kopf. Eine Minute später hat sie die Tasche befreit. Sie rollt die Augen, wirft sich die Tasche wieder über die Schulter und fährt sich mit der Hand durch die Haare.
„Mein Gott, dass bei mir auch immer alles schiefgehen muss”, murmelt sie und schaut mich an. Ich bin immer noch am Grinsen, weil der Anblick von ihr, wie sie verzweifelt an ihrer Tasche reißt, einfach zum Brüllen war. „Dont’t look at me like that!”
„Okay, okay, sorry”, verteidige ich mich lachend und hebe beschwichtigend die Arme. „Can we go now?”
„Yes.” Sie stolziert mit rotem Kopf an mir vorbei und zupft im Gehen an ihrem Top herum. Ich schließe schnell wieder zu ihr auf und wir laufen nebeneinander.
Als sich der Wald vor uns lichtet und ich das große Schwimmbecken in der Mitte der Lichtung erblicke, entfährt mir ein erstauntes „Wow!” Es ist eher ein Badesee als ein klassisches Becken, wie man es aus dem Schwimmbad kennt. Das Sonnenlicht fällt darauf und lässt das Wasser schimmern. Und drumherum ist der Wald mit seinen hohen Bäumen und den vielen blattbehangenen Ästen, die auf der Liegewiese angenehmen Schatten spenden.
Ich bemerke, wie Steff mich von der Seite anschaut. „Schön, oder?”, fragt sie.
„Oh, fuck, yes”, kommt es von mir. Sie lacht und jetzt kann ich nicht anders, als sie auch wieder anzusehen. Ihr dunkles Haar glänzt in der Sonne und sie ist verdammt nochmal wunderschön.
„Ich war schon ein paar Mal mit Thomas hier”, sagt sie. Und schon ist der kurze schöne Moment wieder vorbei. Es ist wie ein Schlag in die Magengrube, von einem auf den anderen Moment rutscht mir das Grinsen vom Gesicht. Ich schlucke.
„Ah”, mache ich dann.
„Es ist so was wie unser geheimer Ort. Ein Mal hat es gerade als wir angekommen sind angefangen, wie aus Eimern zu schütten. Wir waren sofort patschnass, oh man. Dieser Ausflug war echt ein totaler Reinfall, aber irgendwie…”
Ich höre gar nicht mehr hin. Wenn sie Deutsch spricht, verstehe ich ohnehin nicht viel. Und das was sie gerade erzählt, will ich auch gar nicht verstehen. Jedes Wort erinnert mich an den Mann in ihrem Leben, der nicht ich bin. Es macht mich kirre.
Als wir zusammen zu den anderen aufschließen, die es sich bereits an einem schattigen Platz unter einer großen Eiche gemütlich gemacht haben, fühlt sich mein Körper ganz taub an.
Steff liebt Thomas, das merkt selbst ein Blinder mit Krückstock. Aber zum ersten Mal beginne ich mich zu fragen, ob ich Vivi wirklich liebe. Und wenn nicht, was dann?
Ich fühle mich wie ein Roboter, als ich meine Tasche ins Gras fallen lasse und mir das T-Shirt über den Kopf streife. Irgendwie ist mir jetzt noch heißer, als sowieso schon. „I’m going to swim a little now. Need to get meine Kopf frei”, nuschele ich geistesabwesend in Richtung der anderen.
Ob jemand etwas antwortet, bekomme ich überhaupt nicht mit. Ich entferne mich einfach, gehe auf den Beckenrand zu und tauche mit einem fließenden Sprung ins Wasser ein.
Das kühle Nass ist eine willkommene Abkühlung an diesem schrecklich heißen Tag. Ich bleibe einen Moment lang unter Wasser, lasse mich treiben und genieße das Gefühl der Schwerelosigkeit. Dann schwimme ich. Weg vom Beckenrand, weg von den anderen, weg von Steff. Ich kann es nicht ertragen, sie anzusehen, in diesem Outfit das ihr so gut steht, mit diesen leuchtenden grün-braunen Augen und dem hellen Lachen.
Wenn ich Vivi nicht liebe, liebe ich dann sie? Nein. Es ist viel zu früh und zu voreilig um an so etwas zu denken. Außerdem kenne ich Steff immer noch nicht wirklich. Bis jetzt habe ich nur an ihrer Oberfläche gekratzt. Aber ich kann nicht leugnen, dass sie mein Interesse geweckt hat. Sie erfüllt jeden Raum mit ihrer Präsenz, sie ist laut und extrovertiert und charismatisch, aber etwas gibt mir das Gefühl, dass das nicht alles ist.Irgendwie muss da mehr sein, und ich hoffe, dass ich es herausfinden kann. Ob sie mich reinlässt und mir ihr Inneres offenbart, ist eine andere Frage.
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Hello people, und schönes Wochenende euch allen!
Eigentlich sollte das Kapitel an der Stelle noch gar nicht aufhören, aber der Teil aus Steffs Sicht, der danach kommt, ist so lang geworden, dass ich die ganze Schwimmbad-Experience doch lieber aufgeteilt habe.Haltet durch bitte, ich kann mir gut vorstellen, dass ihr euch wünscht, dass zwischen Samu und Steff endlich mal was passiert. Ich wünsch es mir auch! Ein paar Kapitel müsst ihr euch leider noch gedulden, aber ich verspreche euch: Ihr werdet nicht enttäuscht werden. ❤️
Bleibt gesund!
-A
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& wir war'n 𝘶𝘯𝘦𝘯𝘥𝘭𝘪𝘤𝘩
FanfictionThe Voice of Germany, Staffel 4 Wir schreiben das Jahr 2014. Stefanie Kloß, Frontfrau der bekannten Band Silbermond, hat eingewilligt, dieses Jahr als Coach bei The Voice dabei zu sein. Eine Zeit, auf die sie sich freut, genauso wie auf das anstehen...