18. Kapitel

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Steff:

Die Battles kommen und der Tag wird schneller von der Nacht ertränkt, als mir lieb ist. Ich schlüpfe in das Outfit, für das ich mich entschieden habe, wie in den Blinds eine einfache schwarze Jeans und ein dunkles Top. Die Jacke, die ich darüber anziehe, ist oben weiß, verläuft aber weiter unten ebenfalls ins Schwarze. Ich lasse mir die Haare stylen und mich schminken und plötzlich geht es schon los.

So gut es geht versuche ich, mich auf die Auftritte zu konzentrieren. Es gelingt mir mal mehr und mal weniger, denn Samu sitzt wieder auf dem Stuhl neben mir, trägt ein Jeanshemd über dem dunklen T-shirt und hat die Haare lässig über die Stirn gekämmt. Im Gegensatz zu mir macht er nicht den Eindruck, als würde es ihm schwerfallen, gut gelaunt zu sein.

Erst gegen Ende der Aufzeichnungen fühle ich mich besser, beginne, Samus Anwesenheit mehr angenehm als belastend zu finden. Im letzten Battle des Abends treten zwei Talente aus seinem Team gegeneinander an und das ist der Moment, in dem der Druck seine Krallen öffnet und ich mich einfach befreit fühle. Die beiden Männer singen Love never felt so good von Michael Jackson. Ein Film spielt sich in meinem Kopf ab, nicht von Thomas, sondern von Samu. Und nur dieses eine Mal lasse ich es zu, beginne zu lachen und im Takt der Musik auf meinem Stuhl zu tanzen. Als ich zu Samu hinüber schaue, schmunzelt er mich an.

Baby”, singen die zwei Talente, „Love never felt so fine...” Ich lächele vorsichtig zurück und mir wird ganz heiß, als er herausfordernd eine Augenbraue nach oben zieht. Es muss Ewigkeiten her sein, dass ich mich das letzte Mal so gefühlt habe.

Der Auftritt ist bald vorbei und während Rea, Michi und Smudo ihre Meinung abgeben, muss ich mich erstmal sammeln. Mein ganzer Körper kribbelt wegen diesem Lied, diesem Blick von Samu, der Vorstellung davon, wie seine Hände meinen Körper herabwandern.
„Stefanie, wie sieht’s bei dir aus? Bist du auch angesext?”, fragt Thore und ich spüre, wie meine Wangen aufflammen.

Mit einer Hand spiele ich an meiner Halskette herum und antworte grinsend: „Äh, ja, also von den Stimmen bin ich auf jeden Fall angesext.” Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Samu noch immer zu mir rüber lächelt. Er weiß es, verdammt. Er weiß, dass nicht der Auftritt der beiden Männer, sondern er der Grund dafür ist, dass ich schwitze und meine Nervosität schon wieder überspielen muss.

Für welches der beiden Talents er sich am Ende entscheidet, bekomme ich gar nicht richtig mit. Viel zu beschäftigt bin ich damit, meine verrückt spielenden Gefühle in den Griff zu bekommen. Samu, rast es mir durch den Kopf, wieder und wieder. Samu. Samu.

Thore beendet seine Abmoderation, die Kameras gehen aus und ich höre, wie die Menschen aus dem Publikum hinter uns langsam aufstehen und redend und lachend das Studio verlassen. Ich dagegen sitze wie festgeklebt auf meinem Stuhl, versuche durch ruhiges Atmen meinen rasenden Herzschlag etwas herunterzufahren. Thore quatscht mit Michi und Smudo, Rea tippt auf seinem Handy herum.

Was Samu betrifft, so traue ich mich gar nicht, ihn anzusehen. Ich weiß tief in mir drin, dass es falsch ist, mir zu wünschen, ihm nahe zu sein. Ich weiß, dass es nicht passieren darf, auch wenn er mir klar gemacht hat, dass er es auch will. Da ist Thomas, der Mann den ich liebe; den ich glaube zu lieben.

Trotzdem habe ich jetzt einen Ohrwurm von Love never felt so good, und während dieses Auftritts gerade habe ich mich zum ersten Mal seit langem wieder so gefühlt, als würde ich wirklich wissen, was ich will. Dieses Gefühl verflüchtigt sich jedoch in der Sekunde, in der Samu sich auf seinem Stuhl zu mir rüberlehnt und leise „Steff?” sagt.

Ich ziehe scharf die Luft ein. Es ist, als würde die Blase des Tagtraumes in meinem Kopf zerplatzen. Die Zweifel kommen wieder, das schlechte Gewissen wegen Thomas, wegen der Band. Ich darf das nicht. Scheiße, ich darf das nicht. „Nein”, presse ich hervor und dann stehe ich auf, meine Beine tragen mich durch das Studio und den Backstage-Bereich, bis hin zu meiner Gaderobe.

Keuchend lasse ich die Tür hinter mir zufallen, schließe ab und lasse mich auf den Boden sinken. Meine Hände zittern, als ich verzweifelt mein Gesicht darin vergrabe. Es kann einfach alles nicht wahr sein. Ich wollte bei The Voice einfach nur ne coole Zeit haben und Deutschlands Gesangstalente genießen und jetzt ist es schon so weit gekommen, dass die Musik dieser Show bloß noch Nebensache ist. Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass irgendjemand meine Gefühle für Thomas in Frage stellen könnte. Schon gar nicht jemand wie Samu.

Verdammt. „Verdammt!”, brülle ich in meine Hände. Ich weiß nicht, ob es Wut, Frust, Verzweiflung oder alles zusammen ist, was mich gerade so aufreibt. Oder einfach der Fakt, dass ich mir nicht eingestehen kann, dass ich etwas für Samu empfinde.

Ich will am liebsten weinen, aber es kommen keine Tränen. Also sitze ich einfach nur zitternd auf dem Boden und weiß nicht wohin mit mir. Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergeht, wie lange ich so auf dem kalten Fußboden hocke. Es klopft irgendwann an meiner Tür, aber ich zeige keine Regung und wer immer es auch war, entfernt sich mit leisen Schritten wieder.

Irgendwann schleppe ich mich zum Schminktisch, reibe mir aggressiv das Make-Up aus dem Gesicht und betrachte mich im Spiegel. Ich sehe müde aus, meine Augen glänzen nur noch stumpf und meine Wangen sind immer noch gerötet. Was findet Samu nur an mir?

Meine Hände greifen roboterartig nach meinem Telefon und noch bevor ich Thomas' Nachrichten öffnen kann, haben meine Finger auch schon Samu Haber Freundin in die Google-Suchleiste eingetippt. Und ich glaube, ich vergesse wie Atmen funktioniert.

Verdammte Scheiße, diese Frau ist wunderschön.
Instagram–Zeitschriftencover–Laufsteg–schön. Wallendes blondes Haar, schlanker Körper und ein perfekt symmetrisches Gesicht. Ich beiße fest die Zähne aufeinander, während ich auf das Display starre. Mit so einer kann ich nicht mithalten. Mit so einer könnte ich niemals mithalten, scheiße, sie ist eine Göttin.

Ich überfliege ihren Wikipedia-Artikel. Sie heißt Vivianne, das wusste ich schon. Sie ist Model. Natürlich. Und mit Samu ist sie seit 2010 liiert, fast so lange wie ich mit Thomas. Die Bilder von den beiden zusammen tun ungewollt stark weh und so schließe ich die Seite wieder, lege das Handy beiseite.

Mit beiden Händen raufe ich mir die Haare, schaue meinem Spiegelbild erneut in die Augen. Es erklärt sich mir einfach nicht, wie Samu mich wollen kann, wenn er doch sie hat, die so makellos und perfekt ist. Vielleicht spielt er nur mit mir, vielleicht macht er sich einen Spaß daraus, zu sehen ob ich so naiv bin, mich auf ihn einzulassen.

Und wenn nicht, wenn er mich wirklich will…scheiße. Ich habe keine Ahnung, was ich machen soll. Ein schneller Blick auf die Uhr verrät mir, dass es schon fast halb 11 ist. Ich sollte nach Hause fahren. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, Thomas jetzt nahe zu sein.

Frustriert stehe ich wieder auf, ziehe mich um und beschließe dann, zu gehen. Hier zu bleiben, allein in meiner Garderobe eingeschlossen, macht es immerhin auch nicht besser. Thomas‘ Nachrichten lasse ich ungeöffnet, stopfe das Handy nur schnell in meine Tasche, werfe mir meine Jeansjacke über und eile dann aus der Tür. Aber bevor ich den Flur verlasse, zögere ich. Aus Michis Garderobe höre ich Musik und Stimmen und ich will nicht so unhöflich sein, zu verschwinden ohne mich zu verabschieden. Samu ist da drin. Mit Sicherheit. Ich will nicht, dass er mich so aufgewühlt sieht, denn er wird wissen, dass es wegen ihm ist.

Trotzdem überwinde ich mich und klopfe zaghaft an der Tür. Weil niemand öffnet —vermutlich ist die Musik zu laut—drücke ich schließlich selbst die Klinke nach unten.
Michi ist hier, gemeinsam mit Rea und Smudo. Und ohne Samu. Die drei hören auf voller Lautstärke die Backstreet Boys, was mich schmunzeln lässt, und auf dem Tisch vor Michis Sofa stehen drei Bier.

„Steff!”, ruft Smudo als er mich sieht und dreht die Musik leiser.

„Hi, feiert ihr hier ne Party, oder was?”, frage ich so locker wie nur irgend möglich.

„Ja, wir wollten einfach nochmal anstoßen. Hab vorhin bei dir geklopft, aber du hast nichts gesagt also dachte ich, du bist schon gegangen.”

„Nee”, erwidere ich zerstreut. „Ich hab nur mal ein bisschen Zeit für mich gebraucht.”

„Ist alles okay?”, fragt Rea.
Schnell nicke ich. „Ja. Ja, es ist alles gut. Ich geh dann jetzt auch…bin ziemlich müde.” Ich ernte ein verständnisvolles Nicken von den dreien und hänge noch vorsichtig dran: „Äh, Samu fehlt irgendwie bei eurer Party, oder?”

„Ja.” Smudo lacht. „Der ist schon gegangen. Keine Ahnung, was dem für ne Laus über die Leber gelaufen ist, aber nach dem Dreh war er irgendwie ganz komisch drauf.”

„Ah”, mache ich und mein Mund wird staubtrocken. „Na dann, äh. Gute Nacht. Und, feiert schön?”

„Gute Nacht, Steff. Komm gut nach Hause”, sagt Michi. Ich schenke den dreien ein Lächeln, bevor ich die Tür wieder schließe. Einen Moment lang bleibe ich so stehen, hier auf dem Flur, nur ich und mein pumpendes Herz. Schon gegangen. Er ist schon gegangen.

Wie von selbst tragen meine Beine mich nach draußen, laufen zu dem schwarzen Audi. Ich fühle mich benebelt, als ich mich auf den Rücksitz fallen lasse. Die Fahrt dauert lange, oder kurz, ich weiß es nicht, habe jegliches Zeitgefühl verloren. Es kommt nur ein knappes „Danke” aus meinem Mund, als wir vor meiner Haustür stehen.

Ehe ich mich versehe, ist das Auto schon wieder aus meinem Blickfeld verschwunden. Ich stehe völlig verloren hier auf dem Gehweg, meine Tasche geschultert. Ich schaue an dem Haus nach oben, in dem wir wohnen. Wir. Das sind Thomas und ich. Im dritten Stock leuchtet es noch in einem Fenster. Das ist unser Flur. Thomas ist vielleicht gerade im Bad oder er hat das Licht im Flur angelassen für mich, damit es nicht stockfinster ist, wenn ich nach Hause komme. Ich schlucke.

Steff, du gehst da jetzt rein. Legst dich neben den Mann, den du liebst, und ruhst dich aus. Aber mein Blick verliert sich in der entgegengesetzten Richtung, mein Herz ist dort hinten irgendwo, in einem anderen Haus, einer anderen Wohnung, bei einem anderen Mann. Ich darf das nicht. Und trotzdem setzen sich meine Füße in Bewegung.

Wenige Minuten später stehe ich vor Samus Wohnungstür.

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DER CUT IST MIES, ICH WEIẞ. Tut mir leid 🥺🥺🥺

Ich habe irgendwie so die leise Vorahnung, dass Steff sich nicht länger zurückhalten kann. 🤫

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& wir war'n 𝘶𝘯𝘦𝘯𝘥𝘭𝘪𝘤𝘩Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt