Klinge

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Die Menschheit lebte hinter den Mauern und kämpfte jeden Tag aufs neue ums Überleben. Während ihr Horizont von den hohen Mauern versperrt wurde, sahen die Menschen zum Himmel und fragten sich, ob es für die Vögel ebenso irgendwelche Grenzen gab, oder ob sie die Lebewesen waren, die wirkliche Freiheit kannten. Doch so wie die Menschen hinter den Mauern nach Freiheit lechzten und den blauen Himmel über ihnen als selbstverständlich hinnahmen, so sehr sehnten sich die Menschen im Untergrund nach frischer Luft und der Sonne.
Die Parallelgesellschaft, die unterhalb der Erde lebte, setzte sich zum Großteil aus Kriminellen, Betrügern, Mördern und zwielichtigen Gestalten zusammen. Für Geld wurde fast alles gemacht und erledigt. Morde waren an der Tagesordnung. Doch einen Mord unter Kriminellen zu begehen, kann sich oftmals als schwieriger herausstellen, als an einem gewöhnlichen Adligen, der sich sich einen Ausflug in den Untergrund gönnt, um seine besonders perversen Gelüste zu befriedigen. Für diese Spezialaufträge, die einzigartige Fähigkeiten bedürfen, beauftragt man im Untergrund und Zeitweise auch über der Erde den Auftragsmörder „Klinge". Versiert im Umgang mit Messern und jeglichem scharfen oder spitzen Gegenstand der töten und verletzen kann, wirft die Klinge aus 20 Meter Entfernung nach ihrem Opfer und trifft exakt den gewünschten Punkt – Vorzugsweise direkt in den Hals, oft durchtrennt. Das besondere ist, dass die Klinge so gut wie nie gesehen wird. Sie schleicht sich wie der lautlose Tod an, erledigt ihre Arbeit, gründlich und schnell. Die Arbeit geht Klinge nie aus. Doch nicht nur ihre Opfer sehen den nahenden Tod nicht, auch die Kunden sehen ihren Dienstleister nur im seltensten Fall. Eine junge Frau, erledigt die finanziellen Geschäfte der Klinge, heißt es nur. An sie muss man sich auch wenden, wenn man einen Auftrag aufgibt.

Was wohl niemand vermutet, ist dass es genau diese junge Frau ist, die wohl eine der gefährlichsten Personen hinter den Mauern und unter der Erde ist. Hanna ist der lautlose Tod, Hanna trifft jedes Opfer mit einer ihre 11 Klingen - verteilt auf ihrem ganzen Körper -, Hanna Last ist die Klinge, die so manch einen vor Angst nicht schlafen lässt, falls sie jemanden verärgert haben, der ihnen einen Auftragsmörder auf den Hals schicken könnte.
Sieht man Hanna auf den ersten Blick, fällt einem nur eine schlanke junge Frau auf, mit hochgestecktem Haar, ein paar Strähnen fallen ihr ins Gesicht. Braune Augen blicken einen an und man fühlt sich geborgen ihn ihrem ehrlichen Blick. Bis der Blick zum Hals wandert und eine Narbe entdeckt, die sich quer über den ganzen Hals zieht. Eine dünne rötliche Linie, ein Versuch Hanna zu erwürgen. Der einzige Versuch sie zu töten und das ausschlaggebende Ereignis in ihrem Leben, dass sie zur Klinge werden lies.
Die Kunden schätzen sie, nicht nur weil sie Respekt vor ihrer so sichtbaren Verletzung und Vergangenheit haben, sondern auch weil sie die einzige scheint, die weiß, wer sich hinter Klinge verbirgt. Vor allem die Männer mögen sie, sie flirtete mit ihnen und gibt immer eine ehrliche Antwort, was auch die Frauen an ihr schätzen. Im Großen und Ganzen lebt Hanna ein Leben im Untergrund, dass sie nicht hasst aber auch nicht liebt, sie kommt zurecht. Besonders, da sie Mittel und Wege kennt, doch ab und zu zur Oberfläche zu kommen, schließlich gibt es auch dort genug zahlende Kundschaft, die sie unterstützt.
Die Welt unter dem Himmel ist eine andere als unter der Erde. Die Menschen haben mehr Stolz, dafür aber auch mehr Angst, so kommt es Hanna vor. Immer wieder wundert sie sich über die Idioten, die sich zum Militär melden, nur um jeden Tag etwas zu essen zu haben. Gerne sieht sie sich an, wie der Aufklärungstrupp zu Expeditionen aufbricht, zählt die Personen, nimmt Wetten an wie viele zurück kommen und streicht oftmals einen hohen Gewinn ein.
Sie kennt all die hohen Tiere im Militär, die Adligen, die wichtigsten Leute in der Wirtschaft, in ihrem Job muss man gut informiert sein. Umso überraschter und hin-und hergerissen war Hanna, als sie eines Tages den Auftrag zur Ermordung Erwin Smith, den Kommandant des Aufklärungstrupps, mitgeteilt bekam. Eine Mutter, die ihren Sohn verloren hatte, legte all ihre Ersparnisse auf den Tisch, nur um endlich ihre Rache zu bekommen. Ein etwas fragwürdiges Motiv, dazu noch ein Kommandant... Hanna vermied es, solche hochrangigen Personen umzubringen, das wirbelt zu viel Wind auf, die Sicherheitsvorkehrungen wurden überall verstärkt und monatelang wurde die Arbeit aufwändiger. Hätte Hanna nicht all ihre eigenen Ersparnisse beim Wetten verloren, sie hatte zu sehr gezockt und gewettet, dass Levi Ackermann nicht mehr von der Expedition kommen würde, hätte sie sicher abgelehnt. Diese verdammte Wette, nüchtern betrachtet war sie nochmal bescheuerter, dachte Hanna. Sie war betrunken an diesem Abend, was auch immer sie geritten hatte, es war völlig absurd, jeder wusste, dass dieser Ackermann nicht klein zu kriegen war. Hanna hatte von mehreren Leuten gehört, dass er selbst aus dem Untergrund käme. Deswegen ist er wohl so zäh, grübelte Hanna, vor ihr immer noch die jammernde und rachsüchtige Mutter.
„Die Klinge wird den Auftrag annehmen", sagte sie mit einem Servicelächeln zur Frau.
„Ohh danke! Danke! Mädchen, sag der Klinge, sie soll kein Erbarmen zeigen!"
„Die Klinge kennt kein Erbarmen", antwortete Hanna, immer noch lächelnd.
„Danke! Danke!", die Frau war überglücklich.
Skurril, wenn man bedenkt, dass sie sich so sehr über einen künftigen Mord freute.

Erwin Smith also... das wird nicht leicht. Hanna legte sich einen Plan zurecht, während sie in einer Kneipe ihr Bier nippte, die üblichen Schlägereien beobachtete und aufdringliche Männer freundlich aber direkt abwies.
Das Beste wird sein, ich nehme ihn mir vor, wenn sie wieder nach Trotteln suchen, die ihrem Trotteltrupp beitreten wollen, versank Hanna in ihre Pläne für den nächsten Auftrag der Klinge.

To Kill or to LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt