Im Zwiespalt

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„Lass mich das nicht bereuen",

die Worte hallten in Hanna noch lange nach. Sie zogen sich beide wortlos wieder an. Was gab es auch schon zu sagen? Hanne bereute es nicht, es war das, was sie wollte und noch dazu, schien es, als würde Levi endlich zu seinen Gefühlen stehen. Hatte sie ihn endlich in der Hand? 

Levi weichte ihrem Blicken aus. Er schien auffällig lange beschäftigt damit zu sein, seine Hose zuzumachen. Erst als es unausweichlich wurde, blickte er sie mit einem durchdringenden Blick an, sagte jedoch nichts. Hanna fühlte sich gedrängt, irgendwas auf seine letzten Worte zu erwidern.

„Keine Sorge... ich werde es für mich behalten", 

war das einzige was ihr am Ende einfiel.
Ohne eine letzte Berührung, Geste oder Worte verließ Levi den Schuppen und Hanna stand etwas zerzaust und alleine zwischen den Pferdesatteln. 

„...oder auch nicht.",

fügte Hanna für sich in die Stille sagend hinzu. Von Anfang an wusste sie, dass sie Levi nur mit Gefühlen ausschalten konnte. „Dieser Ackermann" war nur psychologisch zu bewältigen, doch... wollte Hanna das überhaupt noch? Hatte sie sich nicht im Aufklärungstrupp eingelebt, fühlte sie sich hier nicht schon Zuhause? Und Levi war... Levi war nicht mehr nur ein Hindernis, das aus dem Weg geräumt werden musste, um ihren Kommandanten zu töten. Nein, Levi war... ihr Geliebter? Ihr Lover? Zumindest mehr als noch vor einige Zeit. 

Grübelnd schlich sich Hanna aus dem Schuppen und überlegte, was das alles für sie bedeutet. War sie noch eine Attentäterin oder  bereits eine einfache Soldatin des Aufklärungstrupps, die zufälligerweise mit Äxten nach Titanen schmiss? War ihr Auftrag denn noch aktuell? Sie musste an ihre Auftraggeberin, die Mutter mit ihrem gefallenen Soldaten-Sohn denken. 

„Ich muss ihr das Geld zurück geben", 

dachte sich Hanna. Die Klinge hat ihren Auftrag nicht erfüllt und selbst wenn, ist schon eine zu lange Zeitspanne vergangen. Ja, es gab beim Attentats-Service der Klinge tatsächlich so was wie eine Garantie. 

„Doch gebe ich das Geld zurück, wird das endgültig das Ende für die Klinge sein. Ich werde keine Aufträge mehr annehmen und eine Soldatin des Aufklärungstrupps sein. Und...",

Hanna blieb ihn der Sonne stehen und blickte auf das Hauptquartier, horchte auf die Befehle die am Trainingsplatz gebrüllt wurden und sah wie ein paar Pferdeställe ausgemistet wurden,

„...und ich werde Levi Ackermann ehrlich gegenüber treten und seine Gefühle nicht gegen ihn verwenden",

murmelte Hanna nachdenklich. Hanna überkam ein Schauer, als würde ihr ganzes bisheriges Leben verschwinden und in einen Abgrund fallen. War es denn so falsch, wie ich bisher gelebt habe? Zweifel kämpften mit ihrer neu gewonnen Erkenntnis. Mitten in diesem Zwiespalt mit sich selbst und ihrer Existenz, wurde ihr Name gerufen: der Kommandant verlangte nach ihr.

„Soldatin Last, sie haben eine fragliche Vergangenheit. Doch jetzt möchte ich mir diese zu Nutzen machen",

Erwin Smith kam schnell zum Punkt. Ein gelangweilter Levi stand neben Erwins Schreibtisch, vor dem Hanna etwas verdutzt, den Worten des Kommandanten zuhörte. Es war kaum zu glauben, dass dieser Mann noch vor gut einer halben Stunde stöhnend an ihrer Brust lag und sich verausgabte und jetzt völlig emotionslos hier im Raum stand. Etwas verärgert aber unbewusst blickte sie zu Levi. 

„Last! Wenn Sie ein Problem mit Captain Levi haben, klären Sie das nachher. Jetzt sollen sie meinem Befehl ausführen",

Erwins Augenbrauen zogen sich zu einem verärgerten Gesichtsausdruck zusammen. Schnell salutierte Hanna. Sie erinnerte sich an ihre neu gewonnene Erkenntnis:

„Kommandant, ich habe das Attentäter-Leben hinter mir gelassen. Ich bin nun eine Soldatin des Aufklärungstrupps."

„Dessen bin ich mir bewusst, Last. Doch als Soldatin wirst du auch den Befehlen deines Kommandanten Folge leisten. Ich greife auch nicht gerne auf diese Methode zurück, doch es ist die einzige Möglichkeit, mit der wir den Fortbestand des Aufklärungstrupps sichern können",

Erwin holte einen Umschlag hervor und zog ein Dokument hervor.

„Das ist die Zielperson. Ein oberster Richter, der die Fäden hinter der Militär-Budgetierung zieht, lediglich zu seinen Vorteilen. Töte ihn – diskret, das ist ein Befehl."

Hanna sah die Zeichnung auf dem Schreibtisch kurz an, sie kannte diesen Mann. Gut bewacht und ein hohes Tier, es würde enorme Wellen schlagen, wenn er umgebracht würde.

„Sir...",

Hanna wusste nicht, wie sie Kommandant Erwin kritisieren sollte. Während sie nach Worten suchte,  sprach Levi:

„Erwin, ich dachte, du willst ihm nur Angst einjagen? Sie sollte ihn nur etwas „beschneiden" und nicht töten. Wenn er stirbt, führen alle Wege sofort zum Aufklärungstrupp als Täter...und am Ende zur der Person, die zu Attentaten ausgebildet ist..."

Zum Glück hat er es gesagt, dachte sich Hanna nur.

„Du sagst es Levi, Soldatin Last ist dafür ausgebildet, sie ist also die perfekte Person dafür."

„Du lässt sie am Ende den Kopf hin halten!", 

kam es darauf verärgert von Levi. Die beiden Männer hatten wohl schon völlig vergessen, dass Hanna selbst noch im Raum stand.

„Ohne den Aufklärungstrupp hätte sie schon lang keinen Kopf mehr! Vergiss nicht, dass wir es hier mit „der Klinge" zu tun haben Levi!"

„Sie ist jetzt eine von uns!",

Levis Stimme hatte sich deutlich erhoben und er verlieh seiner Worten noch mehr Ausdruck als er mit der geballten Faust auf den Schreibtisch haute.

„Levi! Reg dich ab",

kam es ruhig aber bedrohlich vom Kommandant. Langsam zog sich Levi wieder zurück und hielt sich unter Kontrolle. Beide blickten plötzlich wieder zu Hanna, die etwas verlegen war. Sie hatte das Gefühl, dass sie diese Diskussion nicht hätte mitbekommen sollen. 

„Last, geh diskret vor, dann wirst du auch weiterhin eine Zukunft im Aufklärungstrupp haben,"

und eine Zukunft mit Levi?, fragte sich Hanna weiter.

„wirst du allerdings erwischt oder verdächtigt",

fuhr Erwin fort,

„wirst du unter allen Umständen jeglichen Bezug zum Aufklärungstrupp verneinen. Dabei meine ich wirklich unter allen Umständen, hast du verstanden was ich damit sagen will?"

Er meint, dass ich mich umbringe, bevor sie irgendwelche Informationen unter Folter aus mir rausbekommen, schoss es durch Hannas Kopf. Sie salutierte.

„Sir, ja Sir!"

Levis Blick durchbohrte sie von der Seite.

„Gut, sie können nun gehen. Ich erwarte die Ausführung ihres Auftrags innerhalb dieser Woche."

Hanna verschwand aus dem Büro, ging den Flur entlang und merkte, dass sie keine Luft mehr bekam. Ihr Hals war komplett zugeschnürt. Sie musste raus, raus an die Luft. Sie hatte eine Panikattacke.

To Kill or to LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt