Kapitualtion

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Es war zu spät. Sie konnte sich nicht wehren. Vor Schmerzen schrie Hanna auf während Levi ihren Arm verdrehte.
„Was ist jetzt? Hinrichtung oder Aufklärungstrupp?"
Levi war ungeduldig. Sei nicht blöd, wähl den Aufklärungstrupp, dachte er. Ohne dass es Erwin merkte, lockerte er etwas den Griff. Es stimmte, er war aus dem Untergrund, sie teilten die gleiche Herkunft und niemand, der im Untergrund aufwuchs, hatte eine schöne Kindheit gehabt. Levi fühlte sich Hanna verbunden, schon als er sie verfolgte, merkte er, dass sie sich ähnlich sind. Sie schlug die gleichen Haken mit dem 3D-Manöver, die er auch gewählt hätte, deswegen wusste er auch, dass sie in diese Gasse einbiegen würde. Es erschreckte ihn, wie ähnlich sie ihm war und doch so anders. Sie sah wie die Unschuld vom Lande aus, sehr hübsch und eine tolle Figur und immer ein verschmitztes Grinsen auf den Lippen. Reiß dich zusammen Levi, du hast hier die meistgesuchte Mörderin innerhalb der Mauern vor dir, sie wollte dich umbringen!
Während Levi über Hanna grübelte und sie von Kopf bis Fuß musterte, versuchte sie ihre Schmerzen in den Griff zu bekommen und eine rationale Entscheidung zu treffen. Der Schmerz ließ sogar etwas nach oder war es Levi, der den Griff gelockert hatte? Ich habe keine Waffen mehr, sie sind zu zweit und die Türen sind abgesperrt. Nach dieser Aktion werden sie die Sicherheitsmaßnahmen morgen auf dem Weg zur Hinrichtung verschärfen und dieser Levi-Arsch wird sich das nicht entgehen lassen. Sobald er da ist, habe ich keine Chance mehr! Es ist als wäre er in meinem Kopf, als wüsste er jederzeit was ich vorhabe! Hannas Augen wanderten zu Levi, der sie weiterhin mit seinem undurchschaubaren Blick musterte. Entweder sterbe ich morgen, dachte Hanna oder ich werde den Rest meines Lebens mit diesem durchdringenden stahlgrauen Augen verbringen müssen.
„Tch...", brachte Hanna hervor, eher verächtlich zu sich selbst, da eine Stimme tief in ihrem Hinterkopf sagte: „Was ist daran so schlimm? In diesen Augen kann man versinken!"
„Ich hab dich nicht verstanden", raunte Levi und kam mit seinem Gesicht näher zu Hanna heran.
„ufklärumgsp", murmelte Hanna kaum verständlich.
„Rede gefälligst deutlich oder hast du das in der Gosse verlernt?", sagte Levi verärgert und zog an Hannas Arm, so dass sie an die Gitterstäbe gepresst war, von Angesicht zu Angesicht mit dem Soldaten. Zwischen ihnen war ein minimaler Abstand und Hanna blickte noch tiefer in seine Augen.
„Auf-klärungs-trupp!", erwiderte sie Levi überdeutlich ins Gesicht und brachte absichtlich viel Bewegung in ihre Lippen. Verdammt diese Lippen!, dachte Levi, ließ sofort ihren Arm los und trat zurück. Sie weiß genau, dass sie mit ihren Reizen spielen kann, schoss es Levi durch den Kopf.
„Jetzt hast du was du wolltest Erwin: eine Mörderin im Trupp. Zufrieden?", sagte Levi verärgert, dass er fast auf Hannas Reize reingefallen wäre.
„Sie wird uns nichts tun, nicht wahr Last?", richtete sich Erwin an Hanna.
Sie stand nur da und massierte ihren geschundenen Arm, blickte Erwin kurz an und rollte mit den Augen.
„Wieso?", fragte Levi, „Warum sollte sie uns nicht alle massakrieren oder es zumindest versuchen?", so würde ich es auf jeden Fall machen, dachte sich Levi.
„Genau deswegen, weil sie jetzt keine Chance mehr hat, nicht wahr?", noch eindringlicher sah Erwin zu Hanna.
„Wenn sie jetzt untertaucht, wird jeder sie suchen, das Kopfgeld schnellt in die Höhe, es gibt keine neuen Aufträge mehr und keinen Zufluchtsort. Und wohl das wichtigste Argument: Hanna Last, genannt die Klinge, ist eine Auftragsmörderin. Sie mordet, wenn man ihr den Auftrag gibt und sie dafür bezahlt. Die Klinge ist professionell, vergiss das nicht Levi", führte Erwin aus und konzentrierte sich bei den folgenden Worten voll und ganz auf Hanna:
„Hanna Last, ich gebe dir als dein Kommandant den Auftrag, Titanen zu töten. Sieh dein Leben als deinen Lohn an!"
______________
So weit ist es also mit mir gekommen, dachte Hanna und schlenderte über den Trainingshof des Hauptquartiers Levi Ackermann hinterher. Söldnerin für diesen Selbstmordtrupp und dann auch noch unter der Aufsicht von IHM. Innerlich rollte Hanna die Augen, doch gleichzeitig war sie froh, sie hätte es sicher auch schlechter treffen können.
„Unschwer zu erkennen ist das der Trainingsplatz", erläuterte Levi während er voran ging. Er war nicht begeistert Hanna einzuweisen. Nur weil alle anderen Angst vor ihr hatten, musste er als Aufpasser herhalten. Außerdem war es selbst für ihn schwer, sich normal in ihrer Gegenwart zu verhalten. Nicht weil er Angst hatte, sie würde ihm nichts tun, Erwin hatte recht, er war in ihrer Gegenwart eher verlegen. Levi kannte das nicht, Frauen waren in seinem Leben mal da und mal wieder nicht, oft kannte er ihren Namen nicht mal mehr. Aber sie provozierte allein schon, wenn sie seinem Blick standhielt und einfach zurück starrte. Wieso machte sie das immer wieder?!
„Ich will meine Messer wieder", quengelte Hanna auf einmal hinter ihm.
„Davon träumst du auch nur!"
„Ich dachte ihr wärt euch sicher, dass ich niemanden umbringe? Doch nicht so überzeugt was?", lachte Hanna Levi aus, „Macht euch nicht lächerlich, ich brauch meine Messer. Sieh es wie ein... modisches Accessoire", grinste Hanna Levi an, der sich inzwischen umgedreht hatte und wiedermal strafend starrte.
„Ach komm schon", bettelte Hanna schon fast belustigt, „wenigstens meine Haarnadel und mein Hauptmesser. Aus sentimentalen Gründen", zwinkerte sie Levi an, dem man ein kurzes empörtes Augenzucken ansehen konnte. Hanna merkte es nicht, da sie belustigt kicherte.
„Sentimentale Gründe?...", fragte Levi überrascht nach.
„Ja, das waren immerhin die Klingen mit denen ich dich angegriffen hab! Captain Levi", letzteres fügte Hanna süffisant und ironisch hinzu.
Die gute Laune hielt bei Hanna nicht lang, denn schon wurde sie an ihrem Hemd gepackt und hochgehalten. Ihre Füße schwebten über dem Boden und zappelten. Ihre Hände fassten zu Levis starker Hand. Mit Leichtigkeit hielt er sie hoch und starrte sie an.
„Du denkst du bist lustig?", fragte er emotionslos, „Du bist nicht lustig, damit du das weißt!"
„I-iich denke d- du", ächzte Hanna hervor, „bist da eeiin schlechter Maa- Maßstab", und grinste trotz ihrer langsam aufkommenden Atemnot.
„Dir wird das Lachen noch vergehen", so Levi und merkte, dass Hanna langsam wirklich nicht mehr atmen konnte und schmiss sie auf den Boden.
Röchelnd rappelte sie sich langsam auf und konterte:
„So wie dir, Levi? Macht das der Aufklärungstrupp mit einem? Oder warst du schon immer so?",
voll aufgerichtet, stellte Hanna sich selbstbewusst vor Levi und verschränkte die Arme.
„Ich werde mein Lachen nicht aufgeben, so bin ich. Ich habe schreckliche Dinge getan und ich habe schreckliche Dinge erlebt aber ich bin nicht wie du, Levi. Ich mache das beste aus jeder Situation und versinke nicht in... in... was auch immer du für ein Problem hast!"
Levi schrie innerlich. Wie konnte man nur so sein? Wie konnten sie sich so ähneln und doch so verschieden sein.
„Ich war schon immer so. Und jetzt halt die Klappe, ich muss dir den Rest zeigen."
„Krieg ich meine Messer?", fragte Hanna während sie wieder hinter Levi hertrottete.
„Nein."
„Krieg ich sie morgen?"
„Nein."
„...-",Hanna holte aus um erneut zu sprechen.
„Nein."
„Ich hab doch gar nicht...!"
Nochmal drehte sich Levi um und musterte Hanna.
„Du wirst dich hier bewähren müssen. Außerdem hat das 3D-Manöver auch Klingen, das sollte dich befriedigen", kaum hatte Levi es ausgesprochen, bereute er auch schon die Wortwahl. Sie sprang sofort drauf an.
„Also... Klingen befriedigen mich nicht", grinste und zwinkerte Hanna.
Schon wieder! Sie muss damit aufhören!
„Hör damit auf!"
„Mit was? Dem Fragen? Schon in Ordnung, ich werde geduldig sein, brav ein paar Titanen abschlachten und wenn ihr mir vertraut, bekomme ich meine Klingen. Schon verstanden!"
„Nein, nicht das! Das andere".
Lass es Levi, du machst dich nur zum Idioten, sagte eine Stimme in seinem Kopf.
„Welches andere?", fragte Hanna unschuldig zurück. Sie wusste, sie hatte es übertrieben. Es gab einen Punkt, an dem Männer nicht mehr tolerieren, dass sie verlegen gemacht werden. Levis Grenze war extrem niedrig, staunte Hanna. Er hat doch sicher viele Frauen, die ihn anhimmeln, das sollte doch nichts neues für ihn sein. Moment...ich himmel ihn nicht an oder? Schoss es durch Hannas Gedankengänge.
„Tch", war die einzige Antwort von Levi, der sich umdrehte und weiter voranging Richtung Haupthaus.
Fuck war das knapp! Levi starrte entgeistert geradeaus. Sieh ihr jetzt nicht mehr ins Gesicht Levi! Zieh das jetzt noch durch und dann hast du deine Ruhe!
Ich hab es versaut, dachte wiederum Hanna. Sie ärgerte sich. Jetzt hatte sie ihn zum Feind, alle anderen hatten Angst vor ihr und ihre Klingen würde sie nun wohl gar nicht mehr bekommen. Wobei das wichtigste immer noch ihr Armreif war. Ihr Armreif mit dem Drahtseil...

To Kill or to LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt