Einsam schläft der Einsame ein.
Er drückt das Kissen an sich und flüstert 'gute Nacht'. Er kuschelt sich in die linke Hälfte seiner Decke. 'Wenn ich schnarche, darfst du mich wecken', sagt er.
Einsam wacht er auf.
Während er noch seine Augen geschlossen hält und er die letzten Szenen seines Traumes genießt, kehrt sein Bewusstsein zurück. Er wird sich bewusst, dass die Lippen, die im Traum noch einen Abschiedskuss erfahren, in Wahrheit trocken und kalt sind.
'Habe ich etwa nicht geschnarcht?', fragt er. Er lacht so laut, dass die Vögel im Garten kurz aufhören, den Morgen mit ihrem Gesang zu begrüßen. Denn es ist das Lachen eines Verrückten. Der nachts seiner Einsamkeit entflieht und bei dieser Flucht jemanden kennen gelernt haben muss.
Jemanden, für den er morgens eine Tasse Kaffee mitkocht. Jemand, der ihm zuhört ohne ihn zu unterbrechen. Jemand, der ihn weiterschlafen lässt, wenn er anfängt zu schnarchen.
Jemanden, den er droht zu verlieren, würde er auf einmal nicht mehr einsam sein.
***
Aufgrund der aktuellen, äußerst prekären Lage möchte der Autor folgendes anmerken:
Emotionale Einsamkeit ist insbesondere in den westlichen Industriestaaten weit verbreitet. Etwa 10 % der Bevölkerung fühlen sich laut Umfragen einsam. Schwerwiegende Verläufe können zum Phänomen eines imaginären Partners, einer imaginären Partnerin führen. Diese Traum-Beziehung kann durchaus einen hohen Stellenwert in der Realität des Betroffenen einnehmen wie der obige fiktionale Text verdeutlichen soll.
Dass Einsamkeit kein ausschließlich individuelles Problem, sondern vielmehr ein gesamtgesellschaftliches ist, zeigte beispielsweise die Einführung eines Einsamkeitsministeriums in Großbritannien bereits im Jahr 2018.
Ob es nun ein eigenes Ministerium in Deutschland braucht um der Vereinsamung der Gesellschaft entgegenzuwirken, ist natürlich strittig. Meine Botschaft ist hingegen klar: Auch in Zeiten der Bedrohung durch infektiöse Partikel, dürfen wir nicht diejenigen Mitmenschen vergessen, die unter den Kontaktbeschränkungen zusätzlich leiden. Wir leben nunmal in einer Gesellschaft, die sich aufgrund der kapitalistisch geprägten Leistungs- und Konsumorientierung und den zahlreichen Single-Haushalten zwangsläufig distanziert.
Gerade in der jetzigen Zeit ist größte Umsicht und Aufmerksamkeit gefordert. Schickt den Menschen, die ihr kennt, einen Gruß - egal ob Sprachnachricht, Mail (oder vielleicht sogar ein Brief?) - allein der Gedanke daran, dass jemand anderes an einen denkt, kann weniger einsam und somit glücklich machen.
Eine kleine Geste, ein geringer Aufwand, doch eine große Wirkung.Die Gesellschaft in unserem Land mag gespaltener sein als je zuvor. Doch das ändert nichts daran, dass wir alle Teil der Gesellschaft sind. Wir alle wollen das Beste - nicht nur für uns selbst, sondern eben auch für unsere Mitmenschen. Hören wir uns respektvoll zu, halten wir gemeinsam durch, akzeptieren wir die Freiheit der Meinung und die Selbstbestimmung über unseren eigenen Körper!
Danke für jeden Leser, der eine Nachricht an einen Freund, eine Freundin sendet.
♡
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Gedichte
PoetrySelbstgeschriebene Gedichte über Freiheit und Verzweiflung über Liebe und Trennung über das Glück man selbst zu sein