Flüchtiges Schweigen
Als Tyler die Tür vorsichtig öffnete, fiel eine Person hinein und fand sich kniend auf dem Boden wieder. "Tyler...", stöhnte der Mann erschöpft und fiel nun entgültig um.
"Grace! Mach den Tisch frei! Er muss verarztet werden..!", rief Tyler. Ich eilte und räumte den Tisch frei, bevor ich ein weißes Bettlaken darüber legte und Tyler half den Unbekannten anzuheben. Es roch nach Blut. Der Duft war streng. Ich krümmte meine Nase und hielt mir kurz meine Hand davor um nicht den Verstand zu verlieren."Kennst du ihn??", wollte ich nun neugierig wissen. "Ja. Er hat mir geholfen erfolgreich zu fliehen und mich zu verstecken. Er ist einer von Ivans Wölfen."
"Was?!", ungläubig starrte ich den Mann auf dem Tisch an. Tyler holte den Verbandskasten aus dem Badezimmer und breitete die Utensilien neben dem Unbekannten aus. "Ich werde ihm einen Druckverband anlegen. Kümmer du dich um die Kratzer auf dem Brustkorb und den Armen. Der eine sieht tief aus...", stellte er fest und wandte sich seiner Aufgabe zu. Ich säuberte die kleinen Wunden und versuchte sie so gut es geht zu verbinden.
Tyler war sogut wie fertig, als der Mann schnell atmend aufwachte und sich aufsetzte. "Sie kommen... Tyler, Sie sind auf dem Weg!", keuchte er erschöpft, "Packt alles zusammen. Ivan kennt euren Aufenthaltsort."
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In dieser Nacht wurde unser Leben erneut zur Flucht. Der Mann, welcher sich als Siruz bekannt machte, leitete Ivan auf eine falsche Fährte. Erst jetzt wurde mir klar, wie loyal er gegenüber Tyler handelte. Nie zweifelte er an seiner Entscheidung und als ich die beiden beobachtete, bemerkte ich Tylers Verhalten und wie respektvoll er war. Er hatte mir gesagt ich solle nichts mitnehmen. Er würde an meiner Seite bleiben und dafür sorgen, dass mir nichts passieren würde! Ich vertraute ihm bedingungslos und als wir unsere Flucht zum zweiten mal begonnen, folgte ein flüchtiges Schweigen...
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Wir rannten zusammen. Erst als Menschen, bis wir der Straße weit genug gefolgt waren. Als wir dann am Waldrand standen, blickten wir uns in die Augen. Tyler nickte mir zu und zusammen sanken wir auf unsere Knie. Die Knochen unserer Körper verformten sich und die Haut wurde von dichten Haaren überzogen. Ich schüttelte mich. Das Gefühl war wieder ungewohnt, aber auch befreiend. Er lief los und ich folgte. Sein Ziel war mir bis vor kurzem noch nicht klar, aber als wir die Rudelgrenze überquert hatten, begann ich zu begreifen. Würden wir schnell genug sein und kein Aufsehen erregen, dann könnten wir das Rudelhaus nutzen, um eine Weile dort zu bleiben. Ivan würde nie in seinem Gebiet suchen, wenn wir es gut vertuschten!Überzeugt von Tylers Plan rannte ich schneller. Ich konnte das Dach erkennen. Das Haus war weit entfernt vom Rudelplatz. Die Nähe zum See war deutlich, denn durch die Büsche hindurch glitzerte das Wasser im Schein des Mondes. Wir waren auf der anderen Seite des Sees.
Ich streckte aufmerksam meine Nase in die Luft und wurde langsamer. Es roch nach Wolf. Tyler nahm mein Zögern wahr und sah sich um. Als seine hellen Augen einen Wolf im Dickicht bemerkten, sprintete er los. War er verrückt?! Er lief genau auf ihn zu! Ich folgte mit meinem Blick. Der Wolf schien ihn zu bemerken und duckte sich, bevor die beiden sich entgegensprangen. Was war plötzlich mit ihm???
Tyler riss den Wolf zu Boden und versenkte seine Zähne in seiner Kehle. Ich stoppte. Das Wimmern, welches ich vernahm, bevor Tyler ihn tötete, war zum Glück leise gewesen, aber wir konnten ihn nicht hier liegen lassen! Ich beendete den Weg zum Haus und sah zurück. Tyler kam langsam auf mich zu und stellte sich vor mich. Seine Augen glühten förmlich... Ich begab mich zurück in meine menschliche Form und hockte mich zu ihm. "Beruhige dich.." Meine Worte schienen wenig Einfluss zu haben, denn er schüttelte sich und verwandelte sich ebenfalls. Er war nicht er selbst. Eilig kam er auf mich zu und packte mich grob. Tyler hob mich an. Er fischte einen Schlüssel aus dem verwelkten Blumentopf neben der Tür und trug mich kurz darauf ins Haus. Gott, dieser Mann ist eine tickende Zeitbombe! Ich versuchte seinen festen Griff zu lösen, scheiterte jedoch. "Lass mich..!", schrie ich und stützte mich auf seiner Brust ab. Er hörte verdammt nochmal nicht!"HEY! Verdammt, lass mich los, du tust mir weh!", rief ich entsetzt und kam endlich los von ihm. Ich packte seinen Arm und zog ihn zu dem Bett im Raum. Rücksichtslos stieß ich ihn in eine sitzende Position und fixierte ihn mit meinem Blick. "WAS ZUM TEUFEL IST IN DICH GEFAHREN?", fragte ich ihn laut. Keine Antwort. "Tyler..." Auch ich begann mich nun zu beruhigen und seufzte. "Was ist los mit dir.. Rede mit mir. War das geplant, vorhin?!"
Sein Blick sagte alles. Er bereute nichts. "Ich kann das nicht, Grace.", meinte er berührt. "Was meinst du?" "Ich kann nicht länger warten. Ich kann meine Gefühle nicht unterdrücken, nicht in deiner Nähe und nicht jetzt."
Es muss eine Qual sein. So nahe, bei dem Wolf zu sein, auf den man sich geprägt hatte und rein gar nichts von ihm zu bekommen. Keinen langen Blick. Kein Wort über Gefühle oder Instinkte. Ich vermied jede Situation, die ihn dazu bringen hätte können, seinen Verstand zu verlieren, aber der Stress war zu gewaltig.
Er tat mir leid. Aber ich tat mir noch viel mehr leid! Ich konnte meine Gefühle nicht zugeben. Ich scheiterte bei jedem Gedanken an ihn, etwas zu sagen, was einen Unterschied machen würde.
"Tyler?"
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"Ich liebe dich."
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PAUSED/ Grace - Auf den Spuren des Nordrudels
Manusia SerigalaIn einer Welt, in der es als Wolfsmensch mehr als nur wichtig ist ein Rudel zu finden, irrt die frisch aus Gefangenschaft entflohene Grace alleine in feindlichen Gebieten umher. Sie trifft auf mehrere Wölfe und hofft auf ein offenes Ohr und einen Pl...