Sechs

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Wie erstarrt stehe ich da. Kein Zentimeter meines Körpers rührt sich. Was hat das alles zu bedeuten? Was passiert hier? Verdammte scheiße, was ist hier los?
Gerade beobachte ich, wie unser Haus leer geräumt wird. Männer, die dafür bezahlt werden, tragen auch mein Bett in den großen Wagen. Sogar MEINE Sachen nehmen sie mit! Als sie aber fertig sind, fährt der große Wagen los und meine Eltern drehen sich noch einmal um und winken dem Haus zu.

Dann steigen auch sie in ihr Auto und fahren weg. Und ich weiß nicht wohin. Das kann doch nicht wahr sein! Oh mein Gott, was geht hier gerade ab?
Geschockt. Verwirrt. Verarscht? - Keine Ahnung wie ich mich fühle. Auf jeden Fall bin ich tierisch wütend, sehr sogar. Vor lauter Wut balle ich meine Hände zu Fäusten. Ein Knistern von Papier reist mich aus den Gedanken. Genau! Ich habe ja noch diesen Brief, der Müll soll also ein Abschiedsbrief sein. Was besseres konnten sie sich wohl nicht ausdenken. Energisch öffne den Brief und meine Augen weiten sich bei dem, was da steht.

"Ach, Caro-Schatz.

Wie soll dein Vater und ich dir das erklären? Wir wissen auch, dass du diesen Brief niemals lesen wirst, da du ja nicht mehr bei uns bist. Von der Welt gegangen, verschwunden. Doch irgendetwas müssen wir von uns geben, bevor wir das Land verlassen. Irgendetwas, nicht das alle denken, wir würden ohne Grund weg gehen. Genau, du hast richtig gehört. Wir beide, dein Vater und ich, ziehen weg. Weg von dem allen und weg von den schrecklichen Erinnerungen. In Florida haben wir ein Haus gekauft. Und dann ist da noch die Sache mit den Möbeln von dir, denn wir haben uns entschieden ein Kind zu Adoptieren. Wir wollen einen Neustart, wieder bei Null anfangen. So tun, als wäre nichts gewesen. Obwohl, genau so ist es nicht. Wir hätten auch genau so noch ein Kind bekommen können, doch es hätte uns jeden Tag an dich erinnert! Deshalb haben wir uns so entschieden und wir sehen keinen Ersatz in ihm/ihr. Ich hoffe du tust es auch nicht.
Wir werden im gegensatz zu dir noch älter werden und die Schmerzen werden vergehen, der Alltag wird eintreten und wir werden mit unserer neuen kleinen Familie leben! Vielleicht werden wir dich vergessen, wovor wir aber keine Angst haben. Auch wenn wir es so wollen, richtig funktonieren wird es nicht. Du wirst immer in unseren Herzen bleiben! Versteh uns bitte, wir wollen die Vergangenheit hinter uns lassen und einfach nach vorne schauen. Wir haben dich immer geliebt und tun es jetzt auch noch, doch es tut uns Leid, wenn du diese Liebe nie spüren konntest.

In Liebe, Mum & Dad"

Ob es mir nichts ausmacht? Ob es mir nichts ausmacht? Was glauben die sich überhaupt? Und sie wollen mich vergessen? Eine Träne fliest mir über meine Wange und hinterlässt einen Fleck auf dem Papier. Ich sinke auf die Knie und halte meinen Kopf in den Händen. Mehrmals frage ich mich selber: "Wieso genau Ich?" Wieso? Meine Kopf dröhnt und ich meine Gedanken schreien in ihm. Ich schreie, bis ich irgendwann nichts mehr mitbekomme, was um mich herum geschieht.

Etwas, zwischen Leben und TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt