Mein ganzes Umfeld ist von einem schwummrigen, verzerrten Mantel umhüllt. Millionen Tropfen prasseln auf uns herab.
Es regnet schon so stark, weswegen sie mich in einen Leichenwagen, der mittlerweile schon gekommen ist, geben und wegfahren. Nachdem sich meine Eltern gefasst haben, steigen auch sie in deren Auto und fahren dem Wagen nach. Nur ich bleibe als einzige übrig. Logischerweise hätte mich auch niemand fragen können, ob ich mitfahren will.
Ich hocke mich hin und überlege, wohin ich als Nächstes gehen könnte. Was macht man so, wenn man tot ist? Und wann komme ich überhaupt richtig in den Himmel? Aber die Frage ist doch eher, ob ich überhaupt dort hin komme.
Kurz überlege ich, komme dann aber zum Entschluss, zu Tim zu gehen. Ich schreite die Straße entlang, durch den Park. Noch ein paar Meter und schon stehe ich vor seinem Haus. Die Tür steht speerangelweit offen. Langsam betrete ich den Vorraum und werde mit hässlicher Stille konfrontiert. Keine Menschenseele befindet sich mehr hier, wobei vor Kurzem sicher noch herrlicher Trubel herrschte.
Überall liegen Essensreste und Flaschen und der Gestank von Alkohol zieht sich in meine Nase.Plötzlich höre ich ein leises Wimmern in der Ecke, hinterm Sofa. Ich nähere mich diesem und sehe zur großer Erstaunis, den heulenden Tim am Boden sitzen. Seine Augen glänzen und an seinem Ohr hält er sein Handy. Wahrscheiblich telefoniert er mit meinen Eltern. Ganz sachte setzte ich mich neben ihn, mein Kopf an seiner Schulter. "Okay", "Mhh" und "Ja übermorgen", sind die einzigen Wörter die von ihm kommen. Dann drückt er auf den Display und legt auf. Er schmeißt ohne Rücksicht sein Handy in die Ecke.
Tränen fliesen über seine Wangen und sein Kopf ist an das Sofa gelehnt. Meine Hand berührt seine und dann plötzlich, ganz unerwartet zuckt er und sieht in meine Richtung. Ein kleiner Hoffnungsschimmer kommt auf, der Glauben daran, dass er mich sieht verschwindet nicht. Doch leider geht sein Blick an mir vorbei, zum Fenster. Und sein Heulen wird immer lauter. Ach du meine Güte.
Bei diesem Anblick steigen mir auch Tränen in die Augen.Wow, ich hab nie gedacht, dass ein Junge seine Gefühle so zeigen kann. Aber es ist ja auch niemand hier, außer mir. Kann man das überhaupt zählen? Klare Antwort, nein.
Eine Weile lungern wir so da, beide heulend, an der Couch angelehnt und meine Hand auf seiner. Doch er spürt nichts, es ist wirklich so, als würde niemand hier sein. Von der einen Sekunde zur anderen, wie bei einem Elektroschlag steht er auf und setzt sich auf das Sofa. Er schaltet den Ferseher an und frisst Schokolade. Irgendein Liebesfilm. "Oh Gott! So ein Mädchen", sage ich. Ein Lachen ist in meiner Stimme. Aber irgendwie kann ich ihn verstehen.
Denn wenn er sterben würde... Ich weiß gar nicht was ich dann machen würde.Tims Sichtweise:
Gerade als die Party voll im Gange ist, bekomme ich Angst um Caro. Durch die laute Musik, kann ich nur leise meinen Klingelton hören. "Caros Mutter", steht auf dem Bildschirm. Wenn ihr doch etwas passiert ist? Ich beende die Party indem ich einfach jeden rausschmeise! Da ist mir meine Prinzessin wichtiger als eine Party. Nach weniger als drei Minuten, sind alle verschwunden. Doch da das Klingeln aufgehört hat, muss ich sie zurück rufen und ihre Mutter geht gleich ran. "Hallo Tim, wir oder ich, müssen dir etwas erzählen. Caroline ... Sie ist...", und so erzählen sie mir alles. Wie sie angschossen wurde und anderes. Warum habe ich sie nicht nach Hause gefahren? Dann wäre davon nichts passiert! Tausende Tränen rinnen mir über die Wangen und ich sitze verzweifelt hinter meinem Sofa. Heulend - ohne meine Freundin ...Ich bewege ich mich zu ihm. Meine Lippen küssen seine Stirn und in dem Moment wird mir klar, wie sehr ich ihn da oben vermissen werde. Aber jetzt bin ich ja noch da, die Zeit begrenzt.
Es ist Zeit zu gehen, ich komme Morgen wieder. Ich verkrafte es nicht, ihn so zu sehen. Sein Blick ist so grausam leer, so emotionslos. Nicht mehr so arg traurig, als würde er nichts mehr fühlen, nicht mehr weiter wissen.
Aber als ich draußen im Freien auf der Straße stehe, wird mir klar, dass ich die Einzige Unwissende bin!
Denn wohin soll ich jetzt gehen?
DU LIEST GERADE
Etwas, zwischen Leben und Tod
FantasíaCaroline Mason meinte so viel zu wissen. Sie dachte zu wissen, was es heißt zu leben. Was es heißt, Familie und Freunde zu haben. Caroline meinte zu wissen, dass ihr Leben perfekt wäre. Doch sie wusste nicht, wie es ist und was es heißt, zu sterben.