Kapitel 48 Gute Küsser

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„Es ist seltsam mit dir über meinen Bruder zu reden. Warum genau seit ihr eigentlich zusammen? Ich meine du bist voll nett und er einfach nur ein Idiot", meinte Moritz, der sich die nächste Hand Chips in den Mund stopfte.
Ich verbesserte ihn: „Wir sind nicht zusammen."
„Warum stört es dich dann so?
Ich meine, wenn ihr kein Paar seid, kannst du doch genauso mit anderen rumhängen", fragte er.

Kurz sah ich zu dem Bildschirm.
Wir spielten irgendetwas.
Nur war meine Figur schon seit einer geraumen Zeit tot.
Schließlich stöhnte ich frustriert auf.
Er stellte mir genau die gleichen Fragen, wie ich mir schon selbst.
„Oke, lassen wirs", sagte er schließlich. Vielleicht hatte er bemerkt,
dass Peter nicht zu meinen heutigen top Themen gehört.

„Er ist vielleicht jetzt lieber bei diesen Typen, ich wäre lieber bei Antonia, aber hey, immerhin haben wie Wochenende", rief er. Kurz musste ich Lächeln, dann korrigierte ich: „Du hast Wochenende. Ich habe es immer."

„Stimmt... ist voll unfair. Kommst du morgen eigentlich mit", sprach der blonde das andere empfindliche Thema an.
„Ja, auf Probe", nuschelte ich. Entgeistert sah mich Moritz an und pausierte sogar kurz sein Spiel.
„Und das sagst du mir erst jetzt?", fragte er. „Das ist definitiv tausend Mal wichtiger als mein Bruder."
Ich zuckte die Schultern.
„Ist nicht mehr so wichtig und außerdem stand da Probe, weil ich vorerst irgendwo hin soll und die noch nicht wissen wohin genau endgültig, so hat es mir Raphael erklärt", erläuterte ich es ihn nun jetzt.

„Scheiß auf das Probe. Morgen wird cool und lass es dir nicht von Peter versauen", entgegnete er.
Damit spielte er weiter.
Kurz musterte ich ihn einfach nur still von der Seite.
Er und Peter sahen sich so unfassbar ähnlich. Manchmal kam es mir wirklich vor, als ob ich mit einer jüngeren Version meines Gefährten sprach.

Nur Peters Nase war größer, was sicher nichts Schlechtes war.
Ich mochte seine Nase.

„Warum", wollte ich wissen, „bist du eigentlich auf meiner Seite. Peter ist dein Bruder."
„Ich bin nicht auf deiner Seite. Es geht eher darum nicht auf Peters Seite zu sein, außerdem bist du mein Pflegebruder.

Gleich sind wir mit dem Level fertig, dann kannst du wieder mitmachen", erwiderte er.
Ich seufzte leise, aber nahm wieder den Controller.
Irgendwie hatte ich eine andere Antwort erwartet.

~○~○~○~○~○~

„Es ist noch dunkel", murmelte ich und drehte mich auf die Seite.
Mein müdes Gehirn wollte noch nicht einmal wissen, was mich geweckt hat. Erst als ein Geruch mir in die Nase stieg, wurde ich doch neugierig. Unruhig setzte ich mich auf.

„Peter", flüsterte ich, „die getrennte Zimmerregel."
Er brauchte ein Moment, dann sagte er: „Ist schon oke. Wenn morgen wer was sagt, nehme ich die Schuld."
Ich nickte leicht, aber dachte nicht länger daran weiter zu schlafen.
„Hast du viel getrunken?", sprach ich ihn auf den Geruch an.

„Nicht so viel wie sonst, aber genug, dass ich mir lieber ein Taxie bestellt habe", meinte er und legte sich hin.
Ich musste kurz lachen.
Er sah wirklich fertig aus.
„Du bist nass", beschwerte ich mich. „Du bist nervig. Es regnet, was soll ich machen?", fragte er.
„Weiß nicht und es tut mir leid", brachte ich eilig die Entschuldigung hinter mich.
Stöhnend setzte er sich auf.

Als sich zwei nasse Arme von hinten um mich schlang, lehnte ich mich leicht zurück. „Ich habe dich vermisst", nuschelte er.
Kurz musste ich grinsen, dann antwortete ich: „Ich hoffe, da spricht der Alkohol aus dir.
Wir haben uns vielleicht drei Stunden nicht mehr gesehen."
Er lachte auf, dabei war es nicht mal besonders lustig.
„Trotzdem. Wir haben uns gestritten", entgegnete er. Leicht schüttelte ich meinen Kopf: „Das machen wir oft."
„Jaaaaaa, aber du bist mein. Du musst dich nicht entschuldigen, die Aussage war nicht okay und ich hätte es Haru sagen sollen", meinte er.
Ich spürte wie er seinen Kopf auf meiner Schulter ablegte.

Kurz wollte ich zu ihn sehen, aber stattdessen sah ich weiter starr nach vorn. „Hast du mich gerade als deins bezeichnet? Du bist mir vielleicht doch zu betrunken, aber danke, dass du mich nicht für ein arrogantes Kind hältst, dass grundlos Aggressionen hat", erwiderte ich.
„Würde ich nie", nuschelte er.

Kurz war es still zwischen uns, dann seufzte ich: „Peter ich sollte schlafen. Morgen muss ich mal aus einem guten Grunde früh aufstehen."
„Wir könnten auch etwas lustiges machen", meinte er.
„Würde ich es auch lustig finden oder nur du", fragte ich dagegenhaltent. „Weiß nicht", nuschelte er.

Bevor ich noch etwas erwidern, könnte bemerkte ich was er vorhatte und schon tat.
Mein Atem stoppte.
Raphael wird ihn umbringen und dann mich.
Ich könnte die Schuld auf Peter schieben.
Es war auch seine Schuld, aber ohne ihn weiterzuleben, will ich nicht.
Leicht biss ich mir auf die Unterlippe, aber sagte noch immer nichts dazu.

Seine Lippen waren nach wie vor an meiner Halsbeuge.

Ich wagte es kaum zu atmen.
Es fühlte sich nicht schlecht an, aber ich war mir auch nicht sicher ob es mir gefiel.
Sein warmer Atem strich meine Haut entlang, während seine Lippen sich hinunter zu meiner Schulter arbeiteten. Seine Arme lösten die einseitige Umarmung auf.
Leise keuchte ich auf als seine Hand meinen Schenkel entlang strich.
Am Saum meiner Boxershorts hielt er inne.

Ein kleiner Teil von mir wollte ihn gerne zurückküssen, einfach um herauszufinden wie es sich anfühlt, aber der wesentlich größere hatte Bedenken.
Die größte war Raphael oder noch schlimmer seine Schwester könne uns hören.

Noch etwas anderes lag mir auf der Zunge.
Ich drehte mich zu ihn um ohne von ihn abzurücken,
weswegen ich fast auf seinem Schoß saß.
Seine Augen glühten im Dunklen nun in einen gelb.
Hatte sich auch meine Augenfarbe verändert?
„Peter", wisperte ich.
„Ja", seine Stimme klang tiefer als gewöhnlich. Ich schloss meine Augen. Sollte ich es ihn wirklich fragen, wenn würde er mir ohnehin nur jetzt eine wahre Antwort geben.

Nüchtern würde er etwas sagen wie 'Du sollst dir darum keine Gedanken machen, du bist mir wichtig' oder 'Deine Eifersucht ist echt süß'.

Ich war weder eifersüchtig noch süß. Ich wollte es einfach nur wissen.
Meine Augen blieben geschlossen, ihn noch dabei anzusehen, wäre reinste Folter.
Nur schwerfällig kamen die Wörter über meine Lippen. Ich wusste noch nicht einmal was ich als Antwort erhoffte.

„Hast du ihn auch so berührt? Ich meine Haru", sprach ich die Frage aus. Meine Augen blieben geschlossen.
Ich wollte nicht den Blick sehen, welcher er mir wohl jetzt gab.
Es dauerte einige Sekunden bis eine Reaktion folgte.
Seine Hand verschwand von meinem Hosenbund.
Kurz darauf spürte ich wie er mir über die Wange strich.
Zögerlich öffnete ich meine Augen. Noch immer leuchteten seine in Gelb und schienen mich nahezu zu durchdringen.
Langsam hob ich selbst meine Hand und umschloß seine.

Kaum war die Berührung von meiner Wange fort, wiederholte ich meine Frage eindringlicher.
Es war egal wie wenig, es mich anging. Ich musste es wissen.
Er erwiderte mein Händedruck und sagte es endlich: „Manchmal, aber eigentlich ging es eher schnell.
Dich kann ich ewig nur ansehen und werde nicht ungeduldig.
Soll ich aufhören? Du magst es nicht, oder?"

Zögerlich kaperte ich noch die letzten Zentimeter zwischen uns. Erneut fragte ich mich wie es wohl wäre ihn zu küssen.
Er küsste sicherlich gut.
Um einiges besser als ich.
Moritz hatte heute davon gesprochen, dass er sich sicher war, dass Antonia gut in küssen war.
Wenn sie gut war, war Peter sicher umwerfend.

Sanft drückte ich meine Lippen auf seine Haut.
Die Stoppeln seines Barts piksten mich.
Es war kaum eine Sekunde vergangen, seitdem ich den Kuss auf Peters Wange gehaucht habe, trotzdem kam mir die Berührung viel zu lange vor.
Meine Gesichtsfarbe war mit Sicherheit nicht mehr so blass.
Amilia hatte sicher etwas anderes damit gemeint, dass ich mehr farbe im Gesicht brauchte.

Ich rückte so gleich auch etwas von ihn ab. Betreten sah ich zur Decke.
Nun wo ich es getan hatte, fand ich es nicht mehr halb so klug wie noch vor wenigen Sekunden. „Ich denke, du solltest gehen. Es gibt irgendwann eine bessere Gelegenheit für was immer wir hier angefangen habe", flüsterte ich.
Er stimmte mir zu: „Diese gibt es immer."

Damit verließ er das Zimmer und ließ mich zurück mit der Frage, ob ich wohl ein schlechter Küsser war.

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