6. Mr. Princes Geschichte

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Am nächsten Morgen verlief alles wie eh und je. Aufstehen, duschen, alles zusammen packen und zum Bäcker gehen. Und obwohl ich es nicht wahrhaben wollte, freute ich mich auf den heutigen Tag. Offenbar war diese Freude so stark das ich sogar zu früh in meinem Büro ankam. Zehn Minuten um genau zu sein. Ich kam noch nie zehn Minuten zu früh. Eher zu spät.

Seufzend setzte ich mich auf meinen Stuhl, nahm den letzten Bissen meines Brötchens und machte dann alles bereit für den heutigen Tag. Sprich Laptop, Stifte und einen Notizblock. Diese grelle Lampe an der Decke störte mich immer noch und dennoch kam es mir doch nicht mehr ganz so schlimm vor wie das letzte mal als ich hier war.

In diesem Moment klopfte es an der Tür und kurz danach betrat Lucifer Prince auch schon mein Arbeitszimmer.
„Guten Tag Mr. Prince, seit wann klopfen Sie denn an?", fragte ich belustigt und lehnte mich in meinem Stuhl zurück, währenddem ich beobachtete wie er sich gegenüber von mir setzte.

„Guten Morgen Miss Scott. Und ja ich klopfe an, weil es sich so gehört.", sprach der Mann vor mir mit einer ruhigen Stimme. Seine Gesichtszüge blieben wie immer kalt und fast schon emotionslos. Ich fragte mich oft ob er überhaupt wusste wie man lächelte. Ein Grinsen war ja kein Problem, doch ein Lächeln sah ich noch nie bei ihm.

Skeptisch hob ich eine Augenbraue, lehnte mich nach vorne, stützte meine Ellenbogen auf meinem Schreibtisch ab und faltete meine Hände ineinander. „Meinen Sie nicht auch, dass es sich gehören würde, zuerst um Erlaubnis zu fragen, bevor man eine Lampe in einem fremden Büro anbringt?", erwiderte ich dann und musterte Mr. Prince. Diese Augen faszinierten mich immer noch. Nicht nur im fahlen Licht der Dunkelheit waren sie praktisch pechschwarz, auch hier im hellen Licht war es schwer seine Pupille von seiner Iris zu unterscheiden. War das normal?

Mr. Prince grinste nur leicht und strich sich einer seiner schwarzen Strähnen aus dem Gesicht. „Sie scheinen ja wirklich einen Narren an diesem Thema gefressen zu haben.", meinte er amüsiert. Toll, wie war das nochmal mit Freude? Es wurde bereits jetzt unerträglich.

Seufzend schüttelte ich den Kopf, verdrehte meine Augen und startete meinen Laptop auf. „Nun gut, wir haben jetzt die ungefähre Beschreibung, den Titel und den Einband, also kommen wir nun zum Wesentlichen. Am besten erzählen Sie mir Ihre Geschichte, also zumindest das was im Buch stehen sollte und ich mache mir die nötigen Notizen", erklärte ich und lehnte mich mit einem Stift und meinem Notizblock in meiner Hand zurück. Ich schlug die Beine übereinander, um meinen Oberschenkel besser als Schreibunterlage benutzen zu können. Mein Blick lag erwartungsvoll auf meinem Gegenüber. Sein Grinsen verschwand. Nicht mal eine Andeutung davon war zu sehen. Ich war mir sicher ihn noch nie so ernst gesehen zu haben und das musste was bedeuten, denn er war meistens sehr ernst. Bevor ich jedoch fragen konnte was los war, räusperte er sich.

„Nun gut. Alles begann in meinen jungen Jahren. Ich war sechs Jahre alt. Entweder ich oder tausend andere. Ich entschied mich für mich selbst. Mein Vater war ein Verbrecher, müssen Sie wissen und er wollte, dass ich in seine Fussstapfen trete. Ich weigerte mich allerdings. Eines Tages kam er nach Hause. Er war nicht gut gelaunt und liess seine Wut an mir aus, da er mich nicht mehr als Sohn anerkannte. Er meinte ich sei feige und ich sei zu weich. Er müsse mich lehren stark zu sein. Zuerst waren es nur Schläge und erst nach einer Weile wurden es Hiebe mit Gürtel oder anderen Sachen. Und dennoch habe ich es geschafft stark zu bleiben. Ich wusste nicht wieso ich es schaffte, doch ich konnte es. Weil ich ein Kind war hatte ich jedoch nicht genug Mut ihn anzuzeigen. Nun sitzt er jedoch im Knast und ich bin berühmt für meine eigenen Errungenschaften.", erzählte er. Ich machte mir während seinen Erzählungen Notizen, doch ich erlaubte mir auch, ihn ab und zu anzusehen. Ich suchte nach irgendeiner Reaktion, nach irgendeinem Gefühl in seinen dunklen Augen. Mr. Prince sah auf die Tischplatte. Vielleicht habe ich ihn doch anders gesehen als er war.

Nun, da ich seine Geschichte kannte, tat er mir leid. Wenn man so etwas durchmachen musste, war es ein Wunder, wenn man überhaupt noch normal leben konnte. Gerade wollte ich etwas sagen, doch er war schneller. „Ich schicke Ihnen die genaue Geschichte noch per Mail, dann haben Sie alles gleich bei Ihnen.", meinte er dann schnell, doch ich sah das er bedrückt war, das konnte er definitiv nicht verbergen. Es hätte mich auch gewundert wenn keine einzige Reaktion seinerseits gekommen wäre.

Ich nickte zustimmend und legte mit einem sorgenvollen Blick mein Notizbuch und meinen Stift auf den Tisch. „Sie sind wirklich beeindruckend. Wie schaffen Sie es nach so einer Geschichte noch glücklich zu leben?"

Mr. Prince schnaubte und sein Blick wurde leicht spöttisch. Hatte ich was Falsches gesagt? „Ich habe nie gesagt, dass ich glücklich bin, Miss Scott." Nun kam ich mir dämlich vor. Wie kam ich auch darauf das er glücklich war? Er hatte kein einziges mal gelächelt, seit ich ihn kennengelernt hatte.
„Verzeihung.", meinte ich leicht unsicher und sah auf die Tischplatte, ehe ich dann doch wieder zu ihm aufsah. „Wieso wollen Sie diese Geschichte in die Öffentlichkeit stellen?" Ich verstand es einfach nicht, wieso wollte man so eine grausame Geschichte von sich selbst in die Welt geben? Tat das nicht unnötig weh?

„Naja, ich will damit der Welt zeigen, dass es auch möglich ist zu leben, auch wenn man keine schöne Vergangenheit hatte.", erklärte er. Hatte ich ihn vielleicht wirklich falsch eingeschätzt?
„Nun, das ist ein schöner Gedanke, aber Sie sind doch nicht glücklich. Ist es das Leben wert wenn man unglücklich ist?"

Seufzend erhob sich mein Gegenüber. Verwundert sah ich ihm nach wie er zur Tür lief. Wie viel Zeit war vergangen? 15 Minuten? 20 Minuten? Kurz vor der Tür drehte er sich noch einmal zu mir um. „Ich denke,eme das liegt eher daran, dass ich den Schlüssel zu meinem Glück noch nicht gefunden habe." Sein Blick blieb noch kurz an meinem hängen, ehe er das Büro verliess ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren.
„Warten Sie, wo gehen Sie hin?", rief ich ihm noch nach, doch es kam keine Antwort.

Irritiert liess ich mich auf meinen Stuhl fallen. Dieser Typ war mir ein Rätsel und so sehr ich es auch versuchte, ich fand keine Antwort darauf. Mal war er kalt und mal freundlich und dann verschwand er aus dem nichts. Ob ich ihn wohl jemals verstehen würde? Ob ich jemals nachvollziehen könnte was in seinem Kopf vorging? Vermutlich nicht.

Eine Weile lang dachte ich noch über seine Worte nach, auch als ich am Abend in mein Bett stieg. „Ich denke das liegt eher daran, dass ich den Schlüssel zu meinem Glück noch nicht gefunden habe." Den Schlüssel zum Glück. Nun stellte ich mir die Frage, wie einfach würde es sein diesen zu finden?...

Unknown Love *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt