10. Kalter Atem

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Langsam hatte ich das Gefühl es würde immer so sein. Ich begegnete ihm, schrie ihn an und dann verschwand er. Diesmal schrieb ich jedoch nicht wie eine verrückte, ich meldete mich wohl eher wie eine verrückte bei ihm. Ich hinterliess mehrere Nachrichten auf seiner Mail-Box und schrieb ihm viele Nachrichten. Ich wollte das geklärt haben. Mein Verhalten war nicht in Ordnung, vor allem weil ich ihn im Endeffekt kaum kannte. Ich überlegte zwischendurch ob das seine Taktik war. Sich nicht zu melden um der anderen Person ein schlechtes Gewissen zu machen. Wenn das so wäre, dann hätte er es bei mir geschafft. Ich fühlte mich jeden Tag schuldiger.

Nun waren zwei Wochen vergangen. Mein Blick fiel auf die Uhr meines Computers. Die kleinen Ziffern zeigten 14:02. Noch kleiner unter der Uhranzeige standen weitere Ziffern. 1. August. Wie schnell die Zeit verstrich, nun war schon August. Zwischen Juli und August passierte so unglaublich viel, dass es mir fast schon wie ein Traum vorkam. Schliesslich standen Träume ausserhalb von Raum und Zeit und ignorierten jegliche Realität.

Ich zuckte zusammen, als ich aus meinem Gedanken Gang durch ein Klingeln geweckt wurde. Mein Blick glitt hoffnungsvoll auf mein Handy. Vielleicht war es ja Mr. Prince. Doch es stellte sich heraus, dass es bloss meine beste Freundin war. Ich stellte es schon fest als ich etwas rotes auf dem Bildschirm erblicke. Sie war die einzige die ich mit einem Herz eingespeichert hatte.
Seufzend drückte ich den grünen Hörer und stellte den Lautsprecher auf laut. Liebend gerne hätte ich es einfach klingeln lassen und später gesagt das ich unter der Dusche gewesen wäre oder sowas in der Art, doch sie hätte bemerkt das ich gelogen hätte, also ging ich ran.

„Liora, was ist? Ich bin am arbeiten.", meinte ich etwas mürrisch. Sie musste auch immer anrufen wenn es mir nicht gut ging. Sie behauptete immer, dass das ihre beste Freundin Sinne wären.
„Danke für diese überaus liebevolle Begrüssung." Ich sah förmlich vor mir wie sie ihre dunklen Augen verdrehte. „Aber ich nimm's dir nicht böse. Ich weiss das Lucifer sich nicht meldet und das macht dir zu schaffen, nicht?"

Ich murrte leise und wiedersprechend, doch ich wusste dass sie recht hatte. Ich konnte aber wirklich nicht sagen was es war. Und diese Frage beschäftigte mich schon länger. In seiner Nähe stieg immer dieses ungute Gefühl in mir auf, dass mir sagte ich sollte mich von ihm fern halten und gleichzeitig zog irgendwas an ihm mich unbändig an. Nur schon wenn ich an seinen kalten Atem dachte und an seine dunklen, durchdringenden Augen, bescherte es mir eine Gänsehaut. Im selben Moment begann ich zu zittern. Nicht wegen der Kälte die von ihm aus ging, oder wegen seinen finsteren Blicken, die er mir zuwerfen konnte, es gab einen anderen Grund. Nur zu gerne hätte ich den gewusst. Langsam wurde ich nicht nur aus ihm nicht schlau, sondern auch aus mir nicht. Doch ich hatte schon immer das Gefühl, dass sich bei mir irgendwas veränderte und das andauernd. Je älter ich wurde, desto weniger verstand ich mich. Was ich genau nicht verstand und wieso ich das, was auch immer es war, nicht nachvollziehen konnte, wusste ich nicht.

„Süsse, du kannst doch ehrlich zu mir sein. Du stehst auf ihn, richtig?", riss mich Liora belustigt aus meinen Gedanken.
Ich stöhnte ergeben auf. „Nagut, zugegeben, irgendwas an ihm zieht mich an, aber ich steh nicht auf ihn. Zufrieden?" Liora kriegte auch immer alles aus mir heraus. Aber auch nur weil sie immer alles weiss. Es war als ob sie Gedanken lesen könnte. Doch wie ich sie kannte würde sie mit dieser Antwort nicht zufrieden sein. Und ich hatte recht.
„Und was heisst das?"

Seufzend nahm ich mein Handy in die Hand, erhob mich und lief zu meinem Balkon. Er war klein, aber er war schon. Ich habe ihn mit ganz vielen Blumen und Pflanzen dekoriert, auch wenn die früher nie lange hielten. Ich würde wohl immer zu unfähig sein meine Pflanzen regelmässig zu pflegen. Irgendwann entschied ich mich dann doch zu künstlichen Pflanzen zu wechseln. Das hatte eigentlich nur Vorteile. Ich musste mich nicht mehr um die Pflanzen kümmern und ich brauchte kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn ich sie weg schmeissen musste. Nagut, dafür sahen sie nicht gleich schön aus und rochen nicht so himmlisch, doch man konnte nicht alles im Leben haben.

Ich schloss die gläserne Balkon Tür hinter mir, legte meine Unterarme auf das Geländer und genoss den Wind der durch meine Haare wirbelte und sie zurück wehte. Es wurde langsam wieder etwas kühler, Gott sei Dank.
Seufzend antwortete ich dann weiter: „Nun, irgendwas an ihm zieht mich an, doch ich kann dir weder sagen was noch wieso. Und gleichzeitig kann er mich so unglaublich wütend machen. Aber wie schon gesagt, ich bin nicht in ihn verliebt. Das kann ich dir versichern." Zumindest glaubte oder wollte ich das glauben.

Am anderen Ende der Leitung ertönte ein enttäuschtes Seufzen. Ich wusste was sie sagen wollte. „Jaja, du denkst wieder das ich es mir bloss nicht eingestehen will, hab ich recht?" Doch es kam nicht die erwartete Antwort. Es kam kein „Ja" oder zumindest eine andere Bestätigung, es kam bloss ein: „Nein, ich glaube dir. Ich finde es nur schade."
Etwas irritiert drehte ich mich um den lehnte mich mit dem Rücken an das Geländer. Doch gerade als ich was erwidern wollte, ertönte eine tiefe Stimme weiter unten. Erschrocken drehte ich mich um. Mr. Prince?

Ich lebte im ersten Stock und daher konnte man relativ gut auf meinen Balkon kommen und genauso runter, zumindest wenn man einigermassen gut klettern konnte und schlau war. „Liora, ich, ich ruf dich später nochmals an." Dann legte ich auf. Noch irritierte als ich ich gerade fühlte, musterte ich nun Mr. Prince. Wie immer trug er einen komplett schwarzen Anzug. „Mr. Prince, was machen Sie hier?"

„Tut mir leid das ich mich nicht gemeldet habe, ich brauchte Zeit. Aber Sie müssen sich nicht entschuldigen, Sie hatten recht. Ihre Abweisung hat sehr an meinem Ego gekratzt. Aber ich wollte Ihnen erklären weshalb ich Sie um ein Date gebeten habe." Misstrauisch musterte ich ihn, doch als meine Augen auf seine trafen, wusste ich dass er es ernst meinte. Ich nickte leicht.

Erschrocken taumelte ich etwas zurück und stiess mit dem Rücken an in Glastür hinter mir, als er Anlauf nahm und sich auf meinen Balkon schwang. Wie schon erwähnt war er sehr klein und daher standen wir nun ziemlich dicht aneinander. Er hätte zwar noch Platz hinter sich, doch es Gefiel ihm wohl mich so aus der Fassung zu bringen, denn dem war so. Da war er nämlich wieder, dieser kalte Atem der meine Haut streifte. Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus und für einen Moment schloss ich ergeben meine Augen. Als er jedoch noch einen Schritt auf mich zu trat, gewann ich die Kontrolle über mich wieder, schlug meine Augen auf und grinste leicht. „Konnten Sie nicht einfach Klingeln und durch die Tür kommen, wie jeder normale Mensch es getan hätte?" Darauf hin öffnete ich die Tür hinter mir und trat in meine Wohnung ein.

„Nun vielleicht bin ich ja nicht normal", meinte er hinter mir. Ich hörte ganz klar aus seiner Stimme heraus das er grinste und ich musste lächeln. Irgendwas war merkwürdig. Ich fühlte mich gerade so viel anders. Ich fühlte mich wohler, aufgehobener. Ich lief weiter ins Wohnzimmer und klappte meinen LapTop zu, der auf dem kleinen Tisch vor der Couch seinen Platz fand, ehe ich mich zu ihm drehte. „Sie können sich gerne setzen. Wollen Sie was? Tee, Kaffee, Wasser?" Doch er schüttelte bloss den Kopf und setzte sich auf den dunkelblauen Sessel. Da er nichts wollte setzte ich mich auf die Couch mit den vielen Decken und Kissen mit dem Blick auf ihn gerichtet.

Seine dunklen Augen musterten mich und sein Grinsen verschwand. „Nun, kommen wir gleich zum Punkt. Wieso habe ich Sie nach einem Date gefragt, nachdem wir uns erst zwei Wochen kannten und ich eine Woche davon weg war. Nun, Die Antwort ist eigentlich ganz simple, Miss Scott. Ich kann mich nicht erinnern wann ich mich zum letzten mal so wohl bei jemanden gefühlt habe."

Unknown Love *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt