11. Knistern

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Überrascht blickte ich ihn an. Ich konnte mich wohl nicht erinnern wann ich das letzte mal so verwirrt war. „Aber, aber ich verstehe nicht. Wieso haben Sie mir nie das Gefühl gegeben, dass sie sich bei mir wohl fühlen?"
Mr. Prince seufzte darauf hin leise. „Ich war verunsichert. Es ist schwer zu erklären. Ich wollte mich nie wie ein Idiot aufführen, das müssen Sie mir glauben." Er streckte die Hand aus und legte sie auf die meine, die ich auf der Couchlehne platziert hatte. Mein Blick wanderte zu seiner Hand auf meiner. Da war sie wieder, diese seltsame Kälte, die mich leicht erzittern liess.

Ich spürte wie Mr. Prince sie wieder weg nehmen wollte, doch ich schüttelte schnell den Kopf und sah wieder zu ihm. „Ist schon gut", fügte ich kleinlaut hinzu.
Mr. Prince sah nun ebenfalls wieder zu mir, offenbar war sein Blick bis eben auch auf unsere Hände gerichtet. Unsere Blicke trafen sich. Ich wusste nicht wie lange wir uns so ansahen, doch ich war mir sicher, dass beide von uns das knistern zwischen uns spürten.

An diesem Abend lag ich noch lange in meinem Bett und starrte zur Decke. Irgendwann hatte er sich geräuspert und meinte er müsse gehen. Und er liess sich tatsächlich überreden meine Wohnung durch die Tür zu verlassen. Nun dachte ich nach. Ich war irritiert und wusste nicht was ich denken sollte. Ich war nie der Meinung, dass man sich innerhalb von einem Monat, in dem der eine immer mal wieder weg war, verlieben konnte. Ich hatte auch nie daran geglaubt, dass es irgendwo für jeden den perfekten Partner gibt. Doch das eben fühlte sich so seltsam nahe an. War es vielleicht doch möglich? Gab es vielleicht doch die sogenannten Seelenverwandten? Wenn ja, bestand die Möglichkeit das, nein. Das war bestimmt etwas anderes zwischen uns. Defintiv. Oder? Ich dachte vielleicht einfach viel zu schnell über sowas nach.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, mit den Gedanken immer noch bei Mr. Prince, schaffte ich es tatsächlich einzuschlafen.

„Lucifer! LUCIFER! Bitte, ich flehe dich an, tus nicht!" Tränen der Verzweiflung flossen wie ein Wasserfall über meine Wangen. Ich versuchte mit aller Kraft zu ihm zu gelangen, doch er wurde von den schwarzen Schatten genau vor mir verschlungen. Und egal wie laut ich schrie und versuchte gegen den Widerstand der mich umgab anzukämpfen, er kam nicht wieder zurück.
Ich gab der Schwerkraft nach und sank zu Boden. Meine Knie prallten auf den harten Boden. Ich krümmte mich nach vorne, die Hände auf meine Brust gepresst. Mein Herz zersprang in tausend kleine Splitter die mich von innen her erstachen. Mein Atem ging flach und alles kam mir auf einmal wie in Zeitlupe vor.

In diesem Moment fuhr ich schweiss gebadet aus dem Schlaf hoch. Panisch glitt mein Blick hin und her, doch schnell stellte ich fest, dass alles so war wie immer. Der grosse Schrank, das grosse Bett, der Nachttisch auf dem mein Handy am Ladekabel angeschlossen war. Erleichtert liess ich mich nach hinten in die weiche Matratze fallen. Es war nur ein Traum. Gott sei Dank.

Als ich mich wieder richtig beruhigt hatte, sah ich auf mein Handy. Na toll, in fast einer halben Stunde müsste ich ohne hin aufstehen, es brachte also nichts mehr jetzt nochmals zu schlafen. Wenn ich das überhaupt gekonnt hätte. Und obwohl ich noch total müde war, raffte ich mich dennoch auf und widmete mich meiner Morgen Routine. Doch egal wie sehr ich versuchte mich abzulenken, der Traum der letzten Nacht verfolgte mich über all hin. Selbst auf dem weg zur Arbeit, konnte ich nicht anders als an ihn zu denken.

Ich wusste ja, dass man vieles zusammen Träumen konnte was seltsam war, doch ich war auch der Meinung, dass in jedem Traum eine bestimmte Botschaft steckt. Oder zumindest etwas, dass man verarbeiten muss. Ich bezweifelte, dass ich mit diesem Traum etwas verarbeitete, ich hatte dieses Gefühl, dass es mehr eine Warnung war. Nein, nein, das war lächerlich. Vor was hätte mich der Traum bitte warnen sollen?

Nachdenklich biss ich in mein Brötchen, das ich soeben im Beck gekauft hatte, und überquerte eine Strasse. Ich konnte mich wirklich glücklich schätzen, dass ich heute eine halbe Stunde früher los gelaufen war. Ein wenig später und hier wären so viele Autos, dass ich garantiert die Ursache eines Unfalles gewesen wäre. Doch die war ich wohl ohne hin, denn nur ein paar Meter vor der genial verzierten Tür des grossen Gebäudes, lief ich direkt in jemanden hinein. Das warf mich so aus dem Konzept, dass ich nicht wirklich nachdachte als ich die Person erkannte. „Oh, tut mir leid Lucifer." Moment mal, Lucifer? Verdammt.

Ich lachte etwas nervös und schlug meine freie Hand vor meinen Mund. „Sie müssen entschuldigen, ich bin etwas durcheinander Mr. Prince." Als ich zu ihm hoch sah, schossen mir augenblicklich Bilder aus dem Traum in den Kopf. Sein entschuldigender Blick, bevor er sich dem Schatten hingab. Seine schwarzen Augen, aus denen jegliches Licht verschwunden war und seine Lippen, die Worte formten, die ich jedoch nicht verstand. An dieses letzte Detail, erinnerte ich mich erst jetzt wieder. Was er wohl sagen wollte?

„Hallo? Miss Scott? Sind Sie noch anwesend? Haben Sie verstanden was ich zu Ihnen sagte?" Mr. Prince Stimme holte mich wieder zurück in die Realität. Verdammt, habe ich ihn gerade wirklich die ganze Zeit angestarrt und nicht zugehört?
„Was? Tut mir leid. Könnten Sie es nochmals wiederholen?" Verlegen sah ich zu Boden. Mr. Prince lachte daraufhin leise und legte zwei Finger unter mein Kinn um es anzuheben. Dadurch musste ich ihn direkt ansehen, woraufhin dass Blut mir ohne Umwege direkt in den Kopf schoss.

„Sie wirken heute wirklich sehr verpeilt. Aber ich nehme an, dass wissen Sie. Aber gut, ich meinte vorhin, dass Sie mich auch ruhig beim Vornamen nennen können. Sie können mich auch liebend gerne duzen, das macht mir absolut nichts aus, Miss Scott." Irgendwas hatte sich zwischen uns verändert. Es fühlte sich so anders an, so viel vertrauter.
„Dann duze mich aber bitte auch, sonst komm ich mir seltsam vor, wirklich", meinte ich lächelnd.

In diesem Moment, räusperte sich jemand neben uns. Lucifer liess sofort seine Hand sinken und blickte zum Eingang rechts von mir. Ich folgte seinem Blick und fand Mr. Harper mit verschränkten Armen vor. „Mr. Prince, ich muss Sie hoffentlich nicht an unsere Abmachung erinnern, nicht wahr?", meinte er kalt und musterte ihn missbilligend. Etwas verwirrt sah ich zuerst zu Lucifer und dann wieder zu Mr. Harper.
„Nein, natürlich nicht Mr. Harper", erwiderte Lucifer dann nur. Bevor er Mr. Harper ins Gebäude folgte, wandte er sich noch einmal zu mir. „Ich komme später bei Ihnen vorbei wegen der Arbeit." Dann verschwanden sie nach drinnen und liessen mich irritiert zurück.

Was für eine Abmachung? Ich beschloss Lucifer später darauf anzusprechen, denn dieser Hinweis war sehr seltsam, verbunden mit dem restlichen Szenario. Zumindest kam es mir so vor. Erst jetzt bemerkte ich das angebissene Brötchen in meiner Hand. Ich liess es zurück in die Tüte rutschen. Ich würde es später essen. Aus irgendeinem Grund hatte sich mein Appetit nämlich gerade verflüchtigt. Obwohl es nicht so ein grosses Wunder war. Der Traum und das Szenario gerade eben, gaben viel zum nachdenken. Und wenn ich nachdachte, konnte ich nichts essen.
Als ich das Gebäude betrat, waren Mr. Harper und Lucifer bereits verschwunden. Ich hätte auch mit Ihnen im Lift fahren können, doch ich war froh, dass ich es nicht musste. Denn wie schon gesagt, irgendwas kam mir an der ganzen Sache seltsam vor...

Unknown Love *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt