XXXIX

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Ich konnte nur wenige Meter weit sehen, als ich durch den dichten Wald rannte, in der Hoffnung die Straße zu finden und zurück ins Dorf zu kommen. Zwar konnte ich mich durch die Dunkelheit überhaupt nicht orientieren, doch die grobe Richtung wusste ich noch.

Dann endlich hörte ich das Geräusch eines Autos. Eines fahrenden Autos. Die Straße war direkt vor mir. Mit schnellen Schritten lief ich auf sie zu und kam schlussendlich an deren Rand zum Stehen. Da es Nacht war, fuhr fast kein Auto mehr und die Straße wirkte gruselig verlassen. Es gab auch keine Laternen oder Ähnliches. Nur das Mondlicht.

Zögerlich betrat ich den Asphalt und drehte mich einmal in alle Richtungen. Solang bis mir einfiel in welche Richtung ich musste. Gerade wollte ich meinen Weg fortsetzen, da hörte ich ein Knacksen hinter mir. Sofort drehte ich mich um, doch da war nichts!

Vielleicht nur ein Tier...

Ich versuchte mich zu beruhigen. Es war schließlich nichts außergewöhnliches, dass Tiere nachts im Wald aktiv waren. Also drehte ich mich wieder um und ging weiter. Allerdings wurde ich das Gefühl nicht los, dass mich jemand beobachtete. Zudem hatten die Vorfälle der letzten Tage dazu geführt, dass ich mich nicht unbedingt sicherer fühlte. Und die Dunkelheit machte es nicht gerade besser.

Auch nachdem ich schon fünf Minuten unterwegs war, fühlte ich mich beobachtet und als würde mich jemand verfolgen. Aber immer, wenn ich mich umdrehte, war niemand da und ich meine Sorgen waren unbegründet.

Dementsprechend war ich auch erleichtert, als ich die ersten Häuser und Laternen sah. Meine Schritte beschleunigten sich und ich fühlte mich etwas leichter. Nach weiteren Minuten betrat ich dann endlich das Dorf und lief über einer dessen Nebenstraßen. Es brannte kein Licht mehr in den Fenstern und bis auf mir war niemand unterwegs.

Nicht mal der Wind wehte oder ein Hund bellte. Nichts. Einfach nur pure Stille.

Trotz Jacke fröstelte es mich und ich bekam Gänsehaut. Immer öfter drehte ich mich um und als dort wieder nichts war, setzte ich meinen Weg zu Sara fort.

Doch anders als, vorhin wurde ich daran gehindert. Eine Hand schlang sich von hinten um meinen Mund und ich wurde an einen größeren Körper gepresst. Ich konnte weder schreien noch mich befreien. Egal wie sehr ich zappelte und um mich trat, es brachte nichts.

Tief in meinem Inneren hatte ich die kleine Hoffnung, dass es Darryl war, der mich gesucht hatte, weil er sich Sorgen machte.

„Halt gefälligst still, dann ist es auch schnell vorbei!", knurrte hinter mir eine Stimme und ich erschauderte. Das war definitiv nicht Darryl!

Der Fremde schleifte mich ein paar Meter weit in eine kleine Gasse und drückte mich mit dem Rücken an die Wand. Jetzt stand er vor mir und hielt mich mit einer Hand und seinem Knie fest. Mit der anderen wühlte er in seiner Tasche.

Er trug einen dunklen Umhang und hatte eine Kapuze auf, die verhinderte, dass ich ihn erkennen konnte. Durch das fahle Licht der Laterne konnte ich einen besseren Blick auf ihn werfen und sah nun auch das Zeichen auf seinem Mantel, welches ich schon öfter in den Aufzeichnungen meines Vaters entdeckt hatte. Er gehört zu Ihnen!

„Tja, du hättest dich nicht nachts allein herumtreiben sollen. Du machst es uns ja wirklich einfach und dieses Mal, bist du vollkommen allein." Seine Stimme hatte einen eigenartigen Klang und mir lief es eiskalt den Rücken runter.

Zudem verhinderte seine Hand auf meinem Mund nach wie vor, dass ich um Hilfe schreien konnte. Seine andere Hand hatte nun gefunden, was sie gesucht hatte. Ein Messer, welches er an meiner Flanke ansetzte.

Jetzt war es wohl endgültig vorbei.

Ergeben und zittrig schloss ich meine Augen und spürte schon das Messer, welches sich gleich in meine Haut schneiden würde. Noch drückte es gegen meine Kleidung, doch das würde sich gleich ändern.

Doch stattdessen vernahm ich ein ersticktes Keuchen und ein ekelhaftes, lautes Knacken. Als würde man Knochen brechen. Das Geräusch tat in den Ohren weh und ich konnte den Schmerz förmlich heraushören. Ich öffnete zaghaft meine Augen und der Mann vor mir sank zu Boden. Das Messer hatte er erschrocken fallen gelassen.

Dadurch fiel mein Blick auf Darryl, der den Mann noch festgehalten und jetzt losgelassen hatte. Der Kopf war merkwürdig verdreht und jetzt wusste ich auch, was Darryl gemacht hatte.

Er hatte ihm das Genick gebrochen.

Das feindliche Mitglied lag nun vor meinen Füßen zu Boden und starrte mit seinen leblosen Augen ins Leere. Kein Zweifel, er war tot. Geschockt atmete ich ein, mein Blick noch immer auf den Toten gerichtet. Sein Anblick erinnerte mich an Malcom, als ich ihn im Traum gesehen hatte. Nur waren beide auf ganz verschiedene Art und Weise gestorben und um diesen Mann trauerte im Moment niemand.

„Laila, geht's dir gut?", fragte mich Darryl, der ziemlich außer Atmen war und wahrscheinlich bis hierher gerannt war. Seine Augen trieften vor Besorgnis, aber auch vor etwas, was mir Angst machte... Mordlust.

Doch ich brachte nichts Vernünftiges zustande. „Du hast ihn getötet... Du hast ihn getötet!", murmelte ich immer nur und etwas lauter werdend.

„Ja, aber-", versuchte er sich zu erklären, doch ich unterbrach ihn.

„Hast du ihn damals auch getötet?!", wollte ich aufgebracht wissen.

Der Schwarzhaarige legte den Kopf schief und kniff seine grünen Augen zusammen. „Wen?"

„Na der Andere, der mich nachts angegriffen hat! In der Nacht, wo das Sommerfest war!", erklärte ich ihm.

Als Darryl nicht antwortete und den Kopf senkte, wie er es immer tat, wenn er nicht antworten wollte, war das Antwort genug. Enttäuscht sah ich ihn an. Nicht nur, dass er bereit war seine Rivalen und Feinde zu töten, sondern dass er auch niemals mit mir darüber gesprochen hatte! Ungläubig machte ich einen Schritt weg von ihm, doch als er mir folgte wurde ich leicht panisch. „Nein, lass mich in Ruhe!", fauchte ich und Darryl blieb schlagartig mit verletztem Ausdruck stehen.

Zwar wusste ich, dass er mir nie etwas tun würde, aber er hatte gerade vor meinen Augen jemanden getötet!

Natürlich wollte er mir nur helfen, aber das ginge doch auch anders! Dafür war Mord nicht notwendig gewesen! Und das spielte sich immer wieder vor meinem inneren Auge ab. Auch das Knacken des Genicks konnte ich noch hören und das Ereignis brannte sich mir ins Gedächtnis.

Ich ging immer weiter zurück, bis ich mich letzten Endes umdrehte und in den Wald flüchtete. Darryl rief mir irgendetwas hinterher, doch ich ignorierte ihn. Das Ganze von heute Nacht musste ich erstmal verarbeiten.

His Green EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt