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Mein Blick wanderte zwischen ihnen hin und her, aber keiner wollte mich aufklären. „Moment, ihr wollt aber nicht bei meinem Vater einbrechen, oder?"

Ich konnte Darryl ansehen, dass er mir eine schonende Antwort geben wollte, doch das übernahm David. „Oh und wie wir das wollen", meinte er gutgelaunt und bekam von Darryls Mörderblicken rein gar nichts mit.

„Und wie?", verlangte ich zu wissen. „Das Zimmer ist abgeschlossen."

„Das ist unser kleinstes Problem." Molotov und sah mich durch den Rückspiegel undefinierbar an.

Ich wusste, dass ich sie eh nicht abhalten konnte. Also seufzte ich nur und schüttelte mit dem Kopf. „Ihr seid verrückt."

„Wissen wir." Der Orangehaarige sah wieder nach vorn und hielt vor dem großen Tor an. Schnell gab er den Code ein und fuhr anschließend auf den Innenhof, wo wir schon erwartet wurden.

Jessie kam uns entgegen als wir ausstiegen. „Hat ganz schön lange gedauert", meckerte sie und innerlich verkuppelte ich sie bereits mit Molotov.

„Sei nicht so zickig!", brummte David, der dafür eine Schelle kassierte. Die hatte Probleme. Unsicher was ich davon halten sollte, sah ich sie an. Doch David schien das gewöhnt, denn er nahm es einfach so hin und Darryl und Molotov lachten.

„So ist das immer bei den beiden, aber keine Sorge, sie ist eigentlich ganz okay", meinte Darryl, der plötzlich ganz dicht neben mir stand und meinen Blick bemerkt hatte. Nur überzeugte mich das nicht ganz.

„Kommt, wir haben etwas zu besprechen."

Die Zwillinge hörten auf sich zu zanken und folgten uns zusammen mit Molotov in den Speisesaal. Dort setzten wir uns auf die Holzbänke und Darryl legte das Buch auf den Tisch. „Das haben wir in Lailas Haus gefunden", berichtete er und sah kurz zu Jessie. Als er es aufklappte kamen uns lose Seiten entgegen, die ganz offensichtlich ausgerissen oder hineingelegt wurden. David und ich legten noch den Rest und die Bilder hinzu, die wir aufgesammelt hatten.

„Das bin ja ich!", stieß Molotov überrascht aus. In seinen Händen ein Bild von ihm, was er erschrocken musterte. „Das ist aber schon etwas älter", stellte er verwundert fest. Tatsächlich, seine Haare waren auf dem Bild etwas länger als jetzt und er war auch noch nicht tätowiert.

Von uns allen gab es Bilder, außer von mir.

Das Buch war eine Art Tagebuch, wie wir schnell feststellten. Fast jeden Tag gab es einen neuen Eintrag. Aber so wie die Bilder, war auch das Datum nicht von diesem Jahr. Nur ganz hinten gab es einen Eintrag, der neuer war. Er war erst zwei Tage alt.

Ein paar der Seiten lasen wir abwechselnd durch. Überall ging es um Informationen über den Akshara Clan. Fotos, Notizen und ganze Seiten. Woher hatte mein Vater all die Informationen?

Aber das war nicht das Einzige. Auch hatte er darin alle möglichen Infos zu Ihnen angesammelt. Auch ein paar einzelne Briefe fanden wir. Die Meisten von meiner Mutter und einer von Malcom Coyne.

„Das ist der Brief den Malcom damals geschrieben hat, um sich mit deinen Eltern zu verbünden", erklärte mir Darryl. Er wusste von allen mit Abstand am meisten und zwei ganze Stunden lang studierten wir das Buch.

Auch ich war endlich froh mehr Antworten zu bekommen, nur warf jede Seite auch neue Fragen auf. Als ich wieder eine Seite vom Haufen nahm, um sie zu lesen, hielt ich inne. Das war der Brief, den ich damals im Arbeitszimmer gefunden hatte.

...erneuten Mord am Morgen. Ich bin mir sicher, dass es Zusammenhänge gibt. Es war dieselbe Waffe, dieselbe Uhrzeit und die selbe Art und Weise. Das bedeutet wir hatten die ganze Zeit recht. Malcom Coyne ist nicht der, für den er sich ausgibt und die Aksharas könnten auch zum Problem werden. Wir brauchen nur noch handfeste Beweise und dann hat der Spuck endlich ein Ende. Vielleicht kann ich ja nächstes Wochenende zu euch kommen.

Bis bald, Annabella

Schnell überflog ich den Text nochmal. Hatte Molotov nicht gesagt, dass sich Darryls Clan und meine Eltern verbünden wollten? Wieso klang es dann so als wären sie Feinde?

Um den Text aber richtig verstehen zu können, brauchte ich die andere Hälfte. Sollte ich den Brief den anderen zeigen? Vielleicht wussten ja sie etwas damit anzufangen? Unschlüssig sah ich in die Runde. Jessie und Darryl schienen hochkonzentriert, während sie die Seiten durchlasen. David und Molotov hingegen sahen sich die ganzen Bilder an und gaben ihre schlauen Kommentare dazu.

Nein, ich würde ihn vorerst behalten.

Irgendwann kam dann Mara hinzu, die uns Wasser und kleine beschmierte Brote brachte. Sie war eben wie eine fürsorgliche Mutter.

„Laila?", ertönte Darryls Stimme. Fragend hob ich den Kopf. „Wie hat dein Vater reagiert, als er erfahren hat, dass wir zur Schule gehen?"

Etwas niedergeschlagen senkte ich den Kopf, als ich mich an seine Reaktion erinnerte. Es sollte ein schöner Abend werden und stattdessen war es der Anfang der Wahrheit. „Er hat es nicht so gut aufgenommen. Schon beinahe panisch ist er auf und davon und hat mit jemanden telefoniert. Er hat mir den Kontakt zu euch verboten und... er hat gemeint, ihr wärt tot."

Stille. Sogar Molotov und David waren still.

„Dieser elender-!", knurrte Darryl plötzlich und unterbrach sich selbst. Nicht nur ich zuckte zusammen als er aufsprang und aufgeregt im Raum umherlief.

„Darryl, beruhig dich! Es war doch schon klar, dass er es gewesen ist", versuchte Molotov seinen Freund zu beruhigen. Nur ohne Erfolg.

„Könnt ihr mich kurz allein lassen?", fragte Darryl, doch es klang eher wie eine Aufforderung. Als keiner reagierte, scheuchte Molotov alle raus.

„Kann ich nicht bei ihm bleiben?", fragte ich den Orangehaarigen. Erst sah er mich zögerlich an, nickte aber dann.

Erleichtert sah ich zu Darryl und wartete bis alle draußen waren. Danach stand ich auf und lief zu ihm. Als er mich bemerkte wich er einige Schritte nach hinten. Ganz so als habe er Angst vor mir.

„Laila, bitte geh. Ich will dich nicht verletzen."

Ich wusste nicht was er damit meinte, aber ich vertraute ihm. Zu hundert Prozent. Wieso wusste ich auch nicht, es war mehr ein Gefühl. „Ich vertrau dir, schon vergessen? Du wirst mir nichts tun, das weiß ich und das weißt du."

Er blieb stehen und sein aggressiver Blick traf meinen. Es lag solch eine Verletzlichkeit in seinen Augen, dass es mir selber weh tat. Ich wollte ihn so nicht sehen. „Darryl, was ist passiert?"

„Er hat ihn getötet! Dein Vater hat Malcom getötet!", fauchte er.

Meine Augen weiteten sich. „Wieso? Woher weißt du das?"

Doch der Schwarzhaarige antwortete mir nicht. Er schien noch wütender als zuvor. Also überbrückte ich die letzten Schritte zwischen uns. Vor ihm blieb ich stehen und umarmte ihn. Er zögerte erst, legte dann aber seine Arme um mich und drückte mich an sich, während er meinen Geruch einsog.

His Green EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt