III

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Er war doch nicht echt, er existierte nur in meinen Träumen und war ein Produkt meiner Fantasie!

Und dennoch stand er jetzt vor meiner Klasse und sah sich mit seinen hellgrünen Augen um.

Er trug einen dunkelgrauen Kapuzenpulli mit einem Wolfskopf ähnlichen Muster und darüber eine schwarze Lederjacke. Die silberne Hundemarke war deutlich zu sehen und seine rabenschwarzen Haare, die vermutlich ursprünglich nach oben gestylt waren, waren total verwuschelt.

Endlich konnte ich sein Gesicht sehen. Er sah viel freundlicher aus, als er in meinen Träumen rüberkam. Nur seine grünen Augen wirkten bedrohlich und ließen ihn etwas mysteriös wirken. Seine Haut war schön gebräunt und einzig und allein seine Klamotten erinnerten an sein Auftreten im Wald. Dennoch wusste ich, dass er es war. Als wäre es eine innere Gewissheit.

Mit funkelndem Blick sah er sich in meiner Klasse um und betrachtete uns schon fast wie Beutetiere.

Dann begegneten sich unsere Blicke und er verharrte. Seine Grünen trafen auf meine Blauen. Ob er mich auch kannte? Die Zeit schien stillzustehen und wir sahen uns gegenseitig in die Augen. Kurz weiteten sich die seinen, als hätte er eine Erkenntnis, doch es war so kurz, dass ich mir das vermutlich nur eingebildet hatte.

Als er seinen Blick dann abwandte und sich weiter umsah, schien es als würde die Zeit wieder normal weiter gehen und verwirrt sah ich nach vorne. Was war das denn jetzt?!

„Okay, dann willkommen an unserer Schule. Setzt euch einfach dahin, wo Platz ist", meinte unser Lehrer desinteressiert, der über die Unterbrechung nicht sonderlich glücklich war.

Darryl und David liefen durch die Gänge und suchten sich ihre Plätze aus. Der Typ aus meinem Traum hatte das Glück und setzte sich ganz hinten hin. Sein Begleiter sah ihn enttäuscht an und bekam nur ein triumphierendes Grinsen zurück. Er hatte also keine andere Wahl, als sich neben mich zu setzen. Na großartig!

Wenig motiviert und mit einem schiefen Lächeln setzte er sich neben mich. „Hey, ich bin David", stellte er sich mir noch mal vor. Aufmunternd sah er mich an, als wüsste er, dass ich eher ruhig war. Okay, dann war also der Typ aus meinen Traum Darryl.

„Laila", meinte ich kurz und versuchte sein Lächeln zu erwidern.

Er grinste. „Schon verstanden. Du bist nicht so gesprächig." Perplex sah ich ihn an. Sein Grinsen wurde nur noch breiter. „Was? Meinst du ich sehe deine Abwehrhaltung und die Unsicherheit in deinen Augen nicht? Aber keine Angst, ich beiß schon nicht", versicherte er mir lachend.

David strahlte er eine gewisse Wärme aus, die auch Darryl das letzte Mal hatte und ich fühlte mich deutlich wohler in seiner Nähe als bei anderen Jungs. Zudem machte er einen entspannten und aufgeschlossenen Eindruck.

Als er seinen Blick nach vorne zur Tafel richtete, traute ich mich auch ihn länger anzusehen. Im Gegensatz zu seinem Begleiter hatte er schokoladenbraune Haare und blaue Augen, die etwas dunkler waren als meine. Seine Haut war sehr viel heller, als die von Darryl und wenn er jemanden ansah, dann nicht so als wäre derjenige seine nächste Mahlzeit, außerdem war er etwas kleiner. Da sie den selben Nachnamen hatten, ging ich stark davon aus, dass sie Geschwister waren. Auch wenn sie sich nicht wirklich ähnelten.

Während ich ihn so ansah, spürte ich die ganze Zeit Darryls stechenden Blick im Nacken und augenblicklich verkrampfte ich mich. Laila, lauf! Und wieder fing diese Stimme in meinem Kopf an. Es war nicht auszuhalten. Nur dieses Mal war sie lauter. Ob es an seiner Anwesenheit lag?

Die Stunden vergingen und ich wurde das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Kurz wagte ich einen Blick nach hinten. Und sofort sah ich wieder in seine grünen Smaragde. Mir schoss die Röte ins Gesicht und ich drehte mich schnell wieder um. Aus dem Augenwinkel meinte ich David grinsen zu sehen, er hatte den kurzen Blick doch unmöglich mitbekommen, oder?

Ich erstarrte und versuchte mich so wenig wie möglich zu bewegen. Das Gefühl, beobachtet zu werden verschwand nicht und ich bekam so gut wie nichts vom Unterricht mit. Die Klingel erlöste mich, doch als ich auf meinen Stundenplan sah, wurde meine Laune noch mieser. Wir hatten Sport! Ich lief also zur Turnhalle und wartete dort, bis jemand sie aufsperrte.

Schweigend zog ich mich wieder um und betrat mit den anderen Mädchen die Turnhalle. Unser Sportlehrer und der Rest der Klasse erwarteten uns schon. Zur Aufwärmung mussten wir wieder einige Runden rennen und immer wieder huschte mein Blick zu Darryl und David.

Darryl rannte allein und abgeschottet von den anderen seine Runden, während der Braunhaarige Kontakte knüpfte und sich ausgelassen mit zwei weiteren Jungs unterhielt.

Darryl war also eher ein Einzelgänger, so wie ich.

Die restliche Sportstunde verlief relativ normal. Allerdings fiel auch den anderen Mädchen auf, dass die beiden Neuen extrem ausdauernd und auch gut gebaut waren. Lea beschloss auch so gleich, Darryl schöne Augen zu machen und sich von ihrer besten Seite zu zeigen. Die neuen waren hier eben Frischwahre. Ich war mir sicher, dass er drauf anspringen würde, wie jeder andere Junge auch. Doch er sah sie nur abwertend und gelangweilt an, während er sie abservierte.

Total überrascht und geschockt machte Lea ihm eine Szene und ging. So verzweifelt wie sie war, würde es nicht lange dauern, bis sie sich auch an David ranmachen würde.

Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie freute ich mich darüber, dass er sie weggeschickt hatte. Dabei ging mich das ganze ja gar nichts an.

Seine gefühlskalte Art überraschte mich jedoch nicht wirklich. Seit einer Ewigkeit träumte ich von ihm und fast jedes Mal hatte er versucht mich anzugreifen und Emotionen hatte er dabei mit Sicherheit nicht gezeigt. Jetzt machte er aber einen ganz anderen Eindruck auf mich, wo ich sein Gesicht kannte. Vor allem hatte ich bisher nicht damit gerechnet, dass er real war.

Als letzte Stunde hatten wir Mathe und die durfte ich wieder neben David verbringen, oder eher musste.

Der Schultag war schnell vorbei und ich packte gerade meine Sachen zusammen, als mein Blick auf Darryls Platz fiel. Seine silberne Kette lag noch da. Unsicher sah ich mich um. Niemand war mehr da und von Darryl und David fehlte jede Spur. Was sollte ich jetzt damit machen? Unschlüssig ging ich nach hinten und blieb vor seinem Platz stehen.

Dann nahm ich sie hoch und drehte sie in meinen Fingern. Auf der Rückseite stand Malcom Coyne. Warum trug Darryl eine Kette, auf der ein anderer Name stand?

Ich steckte sie in meine Tasche und verließ das Klassenzimmer. Für mich war klar, dass ich ihm die Kette zurückgeben musste, auch wenn die Sache äußerst komisch war.

His Green EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt