Ängste

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Ich saß unruhig auf meinem Bett und starrte auf die Tür. Ich wusste nicht auf was ich wartete. Vielleicht auf jemanden der gleich die Tür aufreisen würde? Oder, dass es an der Tür klingelte? Es war als wären all meine Gedanken wie weg geschlossen.
Das Einzige, was ich hörte war das Ticken meiner Uhr.
Mir wurde klar, dass niemand kommen würde, denn ich war ganz alleine. Niemand rief meinen Namen. Weder meine Mutter, noch Amy oder Milo, wie sie es sonst immer getan hatten.
Ich stand auf. Wie von selbst ging ich auf die Tür zu und öffnete sie. Vorsichtig schloss ich sie wieder. Direkt gegenüber von meiner Tür sah ich einen Spiegel. Mein Blick war leer. Keine Emotion, kein Lächeln. Warum sollte ich auch lächeln? Meine Familie war tot, oder in einer Klinik, wo sie behandelt wurden. Noch vor wenigen Stunden hatten Amy und Milo noch Fangen gespielt und noch vor wenigen Stunden hatte meine Mutter im Badezimmer ihr Antidepressiva eingenommen.
Doch dann geschah etwas unglaubliches. Mein Vater stürzte in das Haus. Bewaffnet. Er hatte jeden außer mich und Mum erschossen. Während ich noch weglaufen hatte können, hatte er Mum mitgenommen.
Meine Schuldgefühle wären unerträglich gewesen, hätte ich etwas spüren können. Doch das tat ich nicht.
Ich ging die Treppe hinunter. Unten im Wohnzimmer lag Milo. Milos Leiche, mit Blut über dem ganzen Gesicht. Ich erinnerte mich noch wie er auf dem Sofa gesessen und Videospiele gespielt hatte.
Ich kniete mich neben Milo und sah in seine offenstehenden Augen. Das hätte wahrscheinlich niemand sonst getan, doch ich nahm Milo vorsichtig in den Arm und schloss meine Augen. Ich war ganz alleine. Niemand war da, der mir hätte beistehen können. Vor kurzer Zeit hatte sich auch sonst niemand um mich gekümmert, doch ich war nie alleine gewesen. Ich hatte stets meine kleine, nicht harmonische Familie gehabt. Auch, wenn es schwer war.
Ich ließ Milo wieder auf den Boden sinken und stand auf. Langsam ging ich zurück zur Haustür. Wozu denn noch weiter leben? Für ein Leben ohne Freunde, Familie? Nein.
Ich stand der Haustür gegenüber. Und plötzlich kamen alle Gedanken und Gefühle wieder, denn ich sah nicht unserer Haustür entgegen sondern einer schwarzen Tür, mit drei Schlüssellöchern und einem Löwenkopf.
All die Anspannung löste sich von mir. Ich hatte nur geträumt. Schon seit Tagen hatte ich diese seltsamen Träume, allein gelassen zu werden. Von allem abgeschnitten zu sein. Jeden zu verlieren. Und das war auch meine größte Angst: Von jedem vergessen und allein gelassen zu werden. Diese Angst schien mich zu zerstören. Ich war nicht mehr der selbe, vernünftige Mensch. Ich war eine Art Maschine die fast keine Emotionen mehr verspürte, nur noch bei einer Person. Und genau diese Person wollte ich jetzt sehen.
Ich nahm meine drei Schlüssel heraus und öffnete das mittlere Schloss. Ich hatte die anderen beiden seit circa Oktober nie mehr abgeschlossen. Ich machte die Tür auf und schloss sie wieder sanft hinter mir. Danach sperrte ich das mittlere wieder ab und steckte die Schlüssel in meine Tasche.
Ich drehte mich um. Ich wurde schon erwartet, aber nicht von der Person, von der ich es gehofft hatte sondern von Jasper. Meinem mit Graysons besten Freund.
Ich war überrascht ihn hier im Traum-Korridor zusehen. Er und Grayson hatten ihn nämlich seit Monaten nicht mehr betreten. Sie wollten damit abschließen, was ich aber aus irgendeinem Grund nicht konnte. Ich war an ihn gefesselt.
„Hi, Jas. Was machst du denn hier?", fragte ich verwundert, dabei versuchte ich den Traum so weit wie möglich zu vergessen.
Jasper lächelte mich an. „Ich wollte mit dir einfach nochmal reden. Ich werde bald nach Frankreich gehen und du bist ja nie bei einer Party", antwortete er mir.
„Ja, ich weiß. Tut mir leid, dass ich heute nicht da war", ich versuchte eine entschuldigende Miene aufzusetzten,
doch wegen diesem Traum konnte ich nicht wirklich meinen Körper kontrollieren. Es war immer noch, als wäre ich eine Maschine.
„Warum warst du eigentlich nicht da?", fragte er.
Ich wäre tatsächlich gerne hingegangen, doch das hatte nicht geklappt.
„Ich musste für Milo und Amy den Babysitter spielen", sagte ich knapp.
„Hm", machte Jasper.
Eine Zeit lang standen wir einfach still da, bis ich irgendwann diese verdammte Stille nicht mehr aushielt.
„Also... Du fliegst nach Frankreich", sagte ich.
Jasper strahlte mich an. „Ja, ich bin sicher das wird cool. Nur werde ich euch ganz schön vermissen"
Ich wollte gerade sagen, dass wir ihn auch vermissen werden, doch Jasper redete einfach weiter: „ Aber da sind auch die heißen Französinnen und ich verspreche dir , drei bekom ich auf jeden Fall noch ins Bett"
Ich lachte. So etwas konnte auch nur Jasper sagen.
„Und die tun mir jetzt schon leid", brachte ich heraus.
Jasper stimmte in mein Gelächter ein.
„Tja, ich würde dir gern eine mitbringen, aber du bist ja nicht mehr Single", er schüttelte den Kopf.
Ich lächelte. Bei den Gedanken bei Liv, meiner Freundin seit über 2 Monaten, wurde mir ganz warm.
„Ja", murmelte ich etwas verträumt. „Liv hätte da bestimmt etwas dagegen"
„Das mit Liv ist echt schräg abgelaufen, oder?", fragte Jasper.
Ich zog eine Augenbraue in die Höhe. „Wie meinst du das?"
„Na ja, denk mal nach", sagte er. „Ein neues total harmloses Mädchen kommt an unsere Schule. Du verliebst dich total in sie. Dann kommt raus, dass sie uns nach spioniert hat, dazu noch in unseren privaten Träumen. Sie bringt dich dazu zu einem Ball zu gehen und dann will sie tatsächlich unser bester Freund und seine Freundin umbringen. Du und Grayson könnt sie noch gerade retten und ihr werdet ein Paar. Schräge Geschichte"
„Ja irgendwie hast du schon recht. Abgesehen davon, dass ich mich sofort in sie verliebt habe", erwiderte ich.
Jasper sah mich ungläubig an. „Henry", sagte er dann. „Du bist mein bester Freund seit der ersten Klasse. Ich weiß wie du tickst"
„Und was ist mit Arthur. Da dachtest du auch, dass du ihn kennst"
Jasper sah auf den Boden. Die Sache mit Arthur hatte ihn schwer mitgenommen. Noch schwerer als mich und Arthur wollte meine Freundin umbringen.
Mich überfiel Mitleid. Ich trat neben Jasper und legte meinen Arm um seine Schulter.
„Komm schon. Das mit Arthur ist vorbei. Er ist ein verlogener Mistkerl", versuchte ich Jasper aufzubauen.
Jasper lächelte etwas gequält. Dann nickte er.
„Ich werde jetzt gehen. Wenn wir uns nicht mehr sehen, will ich, dass du eins weißt. Wenn das mit dir und Liv vorbei ist, was nicht mehr lange dauern sollte, lass dich nicht runter ziehen. Einfach wieder von neu anfangen. Ich bin jetzt weg, da hast du umso mehr Chancen bei den Mädchen", er zwinkerte mir zu.
Ich lachte. „ Jasper, du bist echt zu krank"
Er lachte kurz auf, dann verschwand er um die Ecke zu seiner Tür. Ein paar Minuten später hörte ich auch schon eine Tür ins Schloss fallen.
Ich lehnte ich gegen die Wand neben Livs Tür.
Komisch, dass sie noch nicht da war. Und jetzt kamen auch wieder alle Gedanken an den Traum zurück. Was wenn das wirklich passieren würde? Wenn ich irgendwann allein sein würde? Ich kniff die Augen zu und seufzte.
Diese Frage hatte ich mir in den vergangenen Tagen schon oft gestellt. Ich dachte jeder Mensch hat eine große Angst und meine war es, alleine zu sterben. Und das würde ich vielleicht auch. Diese blöde Angst machte mich verrückt und diese Träume hielt ich auch nicht mehr aus. Mit jedem Tag wurden sie schlimmer und schlimmer. Ich würde mein Unterbewusstsein am liebsten ausschalten.
Ich öffnete die Augen. Von irgendwo her kamen Schritte. Schnelle Schritte. Ich sah mich um und wurde etwas panisch. Jemand bog um die Ecke.
Es war Liv. Und endlich, endlich konnte ich wieder diese ganzen Träume vergessen. Ich lächelte Liv an. So wie ich es immer tat, wenn ich sie sah. Dieses Lächeln zauberte Liv einfach immer eins auf ihr Gesicht. Genauso wie sie mir das schnelle Herzklopfen zu bereitete.
Wieder schalteten sich meine Gedanken aus. Zumindest die Schlimmen. Für mich zählte jetzt nur noch Liv.
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So das hier ist das Erste, ziemlich kurze Kapitel. Ich hoffe, es hat euch gefallen und ihr lasst mir ein paar Reviews da. 

Silber das 2 buch der Träume aus Henrys SichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt