Der Lesesaal

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Kaum waren wir durch Arthurs Tür hindurch standen wir in einer kreisrunden, dreistockwerk hohen Bibliotheken. Das Kuppeldach weit über uns, war gold und mit vielen kleinen Verzierungen bedeckt.
Ein paar lange Tische standen an der Wand. Auf allen waren kleine Lampen hingestellt worden. Die Tische waren in einer Sternform aufgestellt, was das ganze nur noch mehr verschönerte.
Leider kannte ich diesen Ort schon. So eine Bibliothek gab es mit Sicherheit nicht zweimal und wenn dann nicht in unserer Nähe.
Es war der Lesesaal der British Library.
Ich wusste noch als ich das erste mal hier gewesen war hatte es mich umgehauen.
"Wow", murmelte Liv leise.
Auch Liv schien es umzuhauen. Sie sah sich in der ganzen Bibliothek um.
"Der Lesesaal der British Library", sagte ich matt.
Es wunderte mich ein bisschen, dass Arthur diesen Ort ausgewählt hatte. Ich hätte etwas anderes, düsteres erwartet, aber keine Bibliothek.
Vielleicht hatte er sich ja doch geändert?
"Yupp. Ich hab ihn gern für mich allein", Arthur setzte sich schwungvoll auf einen der Tische. "Also - was haltet ihr von unserem Großwildjäger?"
"Wird der da draußen gerade zerfleischt?", fragte Liv besorgt.
Oder man konnte nicht sagen, dass sie besorgt war, aber sie war daran interessiert. Mir war das eigentlich so egal wie wenn Grayson ein Haar ausfiel.
Dieser Typ war doch einfach nur seltsam und rätselhaft.
"Kommt darauf an, wie sehr er sich im Griff hat", Arthur zuckte mit den Achseln. "Gegen Henrys und meine Imaginationskraft kam er jedenfalls nicht an - und jetzt hat er die Leoparden entweder schon als gegeben akzeptiert und macht sich vor Angst in die Hosen, oder reißt das Ruder nochmal herum und übernimmt die Kontrolle"
"Oder er wacht auf", ergänzte ich und lehnte mich gegen einen Tisch. " So oder so - besonders furchteinflößend finde ich ihn nicht"
Eher lustig. Und natürlich auch armselig.
"Solltest du aber", wiedersprach mir Arthur. "Die Tatsache, dass er unsere Namen kennt und sich in den Korridoren herumtreibt, zeigt, dass er uns näher steht, als uns lieb ist"
Ein kleiner teil in mir wusste, dass Arthur recht hatte. Woher wusste denn dieser Geisteskranke wer wir waren?
"Du meinst es ist jemand, den wir im echten Leben kennen?", erkundigte sich Liv.
Arthur hob die Schultern. "Auf jeden Fall weiß er wer wir sind, und das gefällt mir gar nicht"
"Mir auch nicht", stimmte ich zu. "Ich bin ziemlich sicher, dass ich dem Typ vorher noch nie begegnet bin"
Ich sah nachdenklich auf den Boden.
"Aber könnte es nicht ein Zufall sein? Vielleicht hat er uns belauscht und dabei unsere Namen mitgekriegt? Ich meine, warum sollten wir die Einzigen sein, die sich hier herumtreiben?", überlegte Liv.
Das bezweifelte ich eher. Wie sollte er denn unsere Nachnamen herausgefunden haben? Ich nannte Liv und Arthur so gut wie nie bei dem Nachnamen und erst recht nicht in der Traumwelt.
Nein, er kannte uns oder was eher wahrscheinlich war: Er hatte von uns gehört. Aber von wo? Naja, er könnte Secrecys Blog gelesen haben, aber warum sollte das ein Mann um die 30 machen? Dann wäre da noch die normale Zeitung, aber da standen nie konkret unsere Namen drinnen. Woher wusste der Typ wer wir waren?
Arthur schnaubte amüsiert. "Senatot Tod - jemanden, den wir alle noch nie in unserem Leben gesehen haben - treibt sich also zufällig vor unseren Traumtüren herum, nennt uns zufällig beim richtigen Namen und wirft zufällig mit rätselhaften Drohungen um sich?"
Ja, das ergab wirklich keinen Sinn.
"Anabel. Sie könnte ihn uns auf den Hals gehetzt haben", sagte Liv.
Anabel... wie sollte sie das gemacht haben und woher kannte sie den Typen? Außer Anabel war selbst Senator Tod. Nein, so etwas traute ich ihr nicht einmal zu.
Arthur nickte. "Zu diesem Schluss bin ich auch gekommen. Ich wollte nur sichergehen, dass es keiner von euch war. Ich glaube, Grayson und Jasper können wir ausschließen. Und ich bin es auch nicht gewesen"
Ich starrte immer noch auf den Boden. Anabel war in einer Psychiatrie. Eigentlich musste sie sich doch schon etwas gebessert haben und wenn nicht, dann glaubte ich kaum, dass sie ihre Zeit damit verschwendete irgendwelchen Typen den Weg in die Traumwelt zu zeigen.
"Vielleicht ist es ein Freund oder Verwandter, dem Anabel die ganze Geschichte erzählt hat. Oder jemand aus dieser Sekte, aus der das alberne Dämonenbuch stammt", sagte Liv.
Ich verschränkte meine Arme. Aus der Sekte war es niemand. Da kannte sie wahrscheinlich eh niemanden und hatte wenn dann keinen Kontakt zu ihnen. Ich bezweifelte, dass es Anabel diejenige war die Senator Tod hier her geführt hatte. Zu dem sie hier selbst nicht mehr war. Und genau da war der Haken: Anabel war hier seit Wochen nicht mehr gewesen. Weder sie noch ihre Tür...
"Ein Freund?", riss mich Arthur aus meinen Gedanken. "Der Kerl ist mindestens Mitte dreißig. Und so gar nicht Anabels Typ", Arthur biss sich auf seine Unterlippe. "Ein Verwandter ist es auch nicht, sie hat nicht viele, und die wenigen kenne ich alle. Was die Sekte angeht - man hat sie da rausgeholt, als sie drei Jahre alt war, und die Gemeinschaft wurde aufgelöst. Sie hat zu niemanden Kontakt gehabt. Und ihre Mutter war bis zu ihrem Tod in der Klapse ... Nein, ich glaube nicht, dass es jemand aus ihrer Vergangenheit ist"
"Ich hab Anabels Tür ewig nicht gesehen", ich sah Arthur prüfend an. "Weißt du wo sie jetzt ist?"
Ich hatte wirklich überall nach Anabels auffälligen Tür gesucht, sie aber nie gefunden. Und wenn ihre Tür nicht hier war konnte man daraus schlussfolgern, dass sie tot war. Was auch bedeutete, dass sie das mit Senator Tod nie gewesen sein hätte können. Und dann machten wir uns hier unnötigen Stress.
Arthur schüttelte den Kopf. "Ich habe keine Ahnung. Ich nehme an, Anabel hat das Aussehen ihrer Tür komplett verändert, damit wir sie nicht finden. Es könnte im Grunde jede Tür sein"
"Also auch die gegenüber?", fragte Liv.
Arthur sah verlegen zu seinen Schuhspitzen. "Die gehört meiner Mum"
Das war ja echt niedlich. Normalerweise hätte ich angefangen zu kichern, aber mir war vollkommen neu, dass man seine Tür selbst ändern konnte. Ich dachte, dass sich der Zustand der Person auch auf die Tür auswirkte. Das war ja interessant, aber ich fragte mich etwas anderes.
"Du willst mir doch nicht weiß machen, dass du Anabel nicht mehr triffst", ich sah Artur kühl an.
Jetzt fing er also wieder mit dem Lügen an?
"Tja - ist aber so. Seit sie in der Klinik ist, habe ich sie nur noch zweimal gesehen. Ganz zu Anfang", Arthur betrachtete wieder seine Schuhspitzen. "Sie ist vor meiner Tür aufgetaucht, aber ich hatte den Code an meinem Schloss geändert", jetzt hob Arthur den Kopf und sah mir direkt in die Augen. "Könnt ihr euch überhaupt vorstellen, was für ein Gefühl das ist, von der eigenen Freundin so manipuliert zu werden? Wie scheiße man sich vorkommt, wenn man ausgenutzt und betrogen wird?"
Am liebsten hätte ich laut aufgelacht, aber ich zog stattdessen beide Augenbrauen nach oben. "Das war jetzt hoffentlich eine rhetorische Frage"
Arthur antwortete nicht. Er tat so als hätte ich nichts gesagt: "Beim zweiten Mal als ich und Anabel uns getroffen haben, hab ich Schluss gemacht. Oder... na ja, eigentlich hat sie Schluss gemacht. Jedenfalls waren es keine sehr erfreulichen Treffen. Sie hat mir ziemlich viel an den Kopf geworfen"
Ich sah ihn misstrauisch an. Ich traute ihm überhaupt nicht. Er und Anabel hatten sich nur zweimal getroffen? Von wegen. Vielleicht steckten sie ja unter einem Decke mit Senator Tod?
"Guck doch nicht so misstrauisch. Henry!"; fauchte Arthur.
"Oh du verstehst das sicher", der viele Sarkasmus in meiner Stimme war nicht zu überhören. "Im Gegensatz zu uns kannst du dir ja bestens vorstellen, was für ein Gefühl das ist vom eigenen Freund manipuliert und belogen zu werden. Wie scheiße man sich vorkommt"
Arthur hob die Hände. "Bitte - ich habe mich doch oft genug entschuldigt"
Oft genug? Er hatte sich oft entschuldigt, aber nie so viele Male, dass er es wieder gut machen konnte, dass er mich monatelang belogen hatte und Liv den Hals aufschlitzen hatte wollen.
"Es gibt Dinge die kann man nicht entschuldigen", sagte ich.
Liv seufzte.
Ich verstand, dass sie das ganze nicht sehen wollte, aber ich ließ mich von Arthur doch nicht herumschubsen.
"Leute - lasst uns doch lieber überlegen, was es mit diesem Senator Tos auf sich hat", meinte Liv. "Was könnte Anabel damit bezwecken wollen, diesen Kerl auf uns anzusetzen? Was kann er denn schon, außer in lustigen Verkleidungen umherlaufen und sein irres Lachen durch die Gänge schallen lassen... Moment! Das ist es!", Liv schnappte aufgeregt nach Luft. "Der Typ ist irre!Er ist ein Mitpatient von Anabel . Dazu passt auch das wirre Geschwafel von Dornenbüschen und Himmelsrichtungen und so"
Arthur hob den Kopf und nickte. "Das wäre eine Option"
"JA, könnte sein. ", stimmte ich zögernd hinzu. "Obwohl ich den Eindruck hatte hinter seinem, hinter seinen Worten steckt ein System. Ich weiß nur noch nicht, welches"
"Selbst wenn er ein psychopathischer Killer wäre - ich habe nicht den Eindruck, dass er uns hier irgendwie schaden kann. Er ist allenfalls ein bisschen lästig", sagte Liv.
"Noch, vielleicht", sagte Arthur. "Aber ihr solltet Anabel nicht unterschätzen. Sie ist gefährlich"
"Sie ist in einer Klinik in Surrey eingesperrt", erwiderte Liv ehrgeizig. "Geschlossene Abteilung"
"Du hast ja keine Ahnung wozu sie fähig ist, Liv", gab Arthur zurück.
"Hallo?", Liv sah Arthur wütend an." Sie wollte mir mit einem Messer die Kehle durchschneiden, ich weiß also sehr genau, wozu sie fähig ist. Aber so lange sie in dieser Klinik ist brauchen wir uns ja wohl nicht vor ihr fürchten. Genauso wenig wie vor diesem komischen Typen vor der Tür. Stimmt's, Henry?"
Am liebsten hätte ich genickt, doch ich war so in meinen Gedanken vertieft, dass ich es nicht fertig brachte.Ich war mir sicher, dass und Senator Tod irgendetwas sagen wollte, mit seinen komischen Worten, doch was?
"An Todes Rotdorn", murmelte ich." Tornado ... Donner ... Tonart des Rondo... könnte das ein Code sein?"
Liv seufzte. "Wenn ja, finden wir es heraus. Was ich aber eigentlich sagen wollte, ist..."
"Senator Tod mag noch ungeübt in diesen Dingen sein, aber ihr wisst selber, wie schnell wir gelernt haben", fiel Arthur Liv ins Wort. "Ich halte mich schon für ziemlich gut, und Henry ist vielleicht sogar..", er brach ab,wahrscheinlich wollte er nicht zugeben, dass ich besser war als er, leider war das aber so. "Was der eigentliche Punkt ist: mit Anabel können wir es alle nicht aufnehmen"
Ich versuchte Arthurs Gespräch aus dem Weg zu gehen. Wenn wirklich Anabel die Böse bei der ganzen Sache war konnten wir sie stoppen, aber ich bezweifelte, dass es Anabel war, die uns etwas antun wollte.
"Narr des Don Toto", flüsterte ich. "Richtig? Oder war es Tito?"
"Aber...", fing Liv an, aber Arthur unterbrach sie wieder:" Verstehst du denn nicht, Liv?", Arthur rutschte von dem Tisch. "Es geht nicht darum, was in der wirklichen Welt passiert. Hier...", er zeigte auf seine Traumtür. "... an diesem Ort ist es gefährlich. Wir wissen viel zu wenig darüber. Vermutlich kenne wir noch nicht einmal einen Bruchteil der Möglichkeiten. Anabel dagegen hat Grenzen überschritten, von denen ihr nicht die geringsten Ahnung habt. Glaubt mir, die Sache ist nicht vorbei"
Okay, hier konnte ich nicht über Diese Worte nachdenken.
Arthur versuchte ganz klar Liv zu manipulieren. Es war vielleicht noch nicht vorbei, aber wer sagte denn, das wir es nicht stoppen konnten?
"Na und?", sagte ich also und sah Arthur an. "Selbst wenn Anabel etwas im Schilde führt - unsere Türen sind sicher. Wir müssen eben da draußen vorsichtig sein, das ist alles", ich ging ebenfalls von dem Tisch weg. "Und wir, das heißt in diesem Fall Liv und ich. Was mit dir ist interessiert mich ehrlich gesagt weniger", ich sah ihm tiefer in die Augen. "Ich traue dir nicht Arthur"
"Du traust niemandem, Henry", erwiderte Arthur. "Deshalb gibst du das hier auch nicht auf", er machte eine umfassende Geste mit der Hand. " Du bist süchtig danach, dich in die Träume von allen zu schleichen, denen du nicht über den Weg traust. Ich weiß, dass du gut bist. Und dass du dich für skrupellos hältst. Aber verglichen mit Anabel bist du ein harmloser Chorknabe"
Ich zuckte mit den Schultern. "Verglichen mit dir ebenfalls", sagte ich. "Komm Liv wir gehen die Nacht ist so kurz..."
Ich hielt Liv meine Hand hin und gerade in dem Moment als sie danach greifen wollte wachte ich auf.

"Henry?Henry?!", flüsterte meine Mutter.
Sie rüttelte an meiner Schulter, damit ich aufwachte.
"Ist gut ich bin wach", sagte ich und rieb mir die Augen.
Das war ja jetzt wirklich der perfekte Moment. Eben wie immer. Oh ich hasste meine "Familie"
"Milo ist noch nicht da", sagte meine Mutter.
Ich hörte die Angst in ihrer Stimme. Sie war ganz klar besorgt, aber ich war viel zu genervt um mir darüber Sorgen zumachen.
"Ich hab doch gesagt, er will bei einem Freund übernachten! Herr Gott! Trink das nächste Mal weniger und hör mehr zu!", zischte ich.
"Du verstehst das nicht", erwiderte sie. "Ich habe bei all seinen Freunden angerufen. Niemand weiß wo er ist"
Jetzt war ich hellwach. Ich setzte mich auf.
"Was?", fragte ich.
Meine Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt und ich konnte sehen das meine Mutter geweint hatte.
"Milo ist verschwunden"
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Hallöchen 
So hier ist das nächste Kapitel.
Tut mir Leid, dass ich so spät dran bin, aber ich hatte gar keine Zeit, das Kapitel zu schreiben.
Jetzt werden die Kapitel, aber wieder pünktlich kommen, versprochen.
Ich würde mich über ein paar netten Reviews freuen und danke euch nochmal für die letzten.
Das war es dann erstmal von mir.

Silber das 2 buch der Träume aus Henrys SichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt