Die Abenddämmerung setzte bereits ein, als Lan Zhan und Feng Huang in Qishan eintrafen. Durch die Hilfe von Feng Huang materialisierten die beiden direkt im Tempel. Lan Zhan ging hinter die Statue und fand das Versteck. Er legte seine Hand auf den losen Stein und brach das Siegel. Dann nahm er das eingewickelte Schwert hinaus und stellte fest, dass Chenqing tatsächlich mit seinem Schwert verbunden war. Da er nun kein Mensch mehr war, konnte er die Flöte mühelos vom Schwert entfernen. Er ließ sie auf fast magischer Weise genau wie sein Schwert, das leise summte, als ob es sich freuen würde, endlich wieder bei seinem Besitzer zu sein, in seiner Handfläche verschwinden. "Ich würde gerne meinen Bruder sehen, ist das möglich?" Feng Huang hatte schon auf die Frage gewartet. Der sonst so stille Lan Zhan sprach wirklich nur das Nötigste. Aber daran hatte er sich schon gewöhnt. "Gehen Sie gerade aus, ich folge." Lan Zhan schaute ihn verwundert an. "Übung macht den Meister, ich kann nicht immer bei dir sein." Und so wie man ihm es erklärt hatte, konzentrierte er sich auf einen bestimmten Ort in der Cloud Recesses und war im selben Augenblick dort. Er machte sich nicht die Mühe seine Anwesenheit zu verschleiern, da dieser Ort sein Eigen war. Das Jingshi. Nichts hatte sich in den vier Jahren seiner Abwesenheit verändert, so als ob man immer noch hoffte, dass er eines Tages zurückkehren würde. "Hier hast du gelebt? Es sieht wirklich fast so aus wie mein Haus." Lan Zhan hatte einmal im Gespräch mit ihm dies erwähnt. Nachdem er seinen Erinnerungen nachgegangen war, verließen sie das Haus, verschleierten ihre Anwesenheit und spazierten durch die Wolkenvertiefung. Da es jetzt schon nach neun Uhr abends war, trafen sie niemanden. "Wieso ist es hier so still, schlafen etwa alle schon?" Lan Zhan lächelte und nickte. Schlafenszeit von neun am Abend bis um fünf in der Früh. Eine der über 3000 Regeln beim Gusu Lan Clan. Sie gingen weiter in Richtung der Unterkünfte und hielten an der Bleibe seines Bruders. Lan Zhan zögerte einen Moment, entschloss sich aber dennoch hineinzugehen. Wie erwartet lag sein Bruder dort und schlief auf dem Rücken, mit auf der Brust verschränkten Armen. Er näherte sich der Schlafstätte und schaute liebevoll auf seinem Bruder herab. Es tut mir leid Huan – ge, ich habe dir Schmerz zugefügt, aber ich kann ohne Ying'er nicht leben. Aber allem Anschein nach werde ich dies wohl auf ewig müssen. Das ist wohl meine Strafe für meinen Egoismus. Tränen liefen bei den Gedanken über sein Gesicht. Bitte räche dich an Jin Guangyao für uns, folge deinem Herzen, so wie ich. Lebe glücklich mit Jiang Cheng. Er seufzte noch einmal tief, wandte sich ab, um zu gehen. "Wangji, bist du es?" Lan Zhan blieb abrupt stehen, blickte zurück zu seinem Bruder, der nun im Bett aufrecht saß und genau in seine Richtung sah. Wie konnte er mich bemerken? Feng Huang trat näher und flüsterte ihm zu. "Sensible Menschen bemerken uns, vor allem, diejenigen, die uns zu Lebzeiten sehr nahestanden. Lass uns gehen, mach ihm keine Hoffnung." Er zog ihn am Arm in Richtung Tür. "Lass ihn denken, es war ein Traum. Wir sollten zurück, vielleicht hat Xingming bereits was über deinen Mann herausgefunden." Lan Zhan nickte, drehte seinem Bruder den Rücken zu und verabschiedete sich in seinem Herzen von ihm. Sie verließen die Cloud Recesses, somit auch die sterbliche Welt und kehrten zum Pfirsichhain zurück. Leider gab es immer noch kein Zeichen von Wei Ying.
In den kommenden Tagen saß Lan Zhan hauptsächlich auf einem Hügel oberhalb des Hains und zupfte auf seiner Guqin ihr Lied, "Wangxian". Die Melodie trieb mit dem Wind und alle, die es hörten, wurden in ihren Herzen berührt. Eines Morgens als er wieder dort saß und spielte, trat Feng Huang neben ihn. "Wangji, Xingming ist eingetroffen, möchtest du hören, was er zu sagen hat?" Lan Zhan erhob sich und ließ die Guqin verschwinden und folgte ihm langsam. In seinem Herzen empfand er nur noch Trauer und Hoffnungslosigkeit. Als sie zum Haus kamen, stand dort nicht nur Xingming, sondern auch Yanlou. Xingming begann sofort zu sprechen, versuchte aber seine Worte mit Bedacht zu wählen, denn das, was er herausgefunden hatte, war zu schrecklich. Wie konnten Menschen nur so handeln, da sind die meisten Dämonen ja noch humaner! "Nun, das Verschwinden von Wei Wuxian wurde durch ein sehr boshaftes Ritual hervorgerufen. Er muss sich stark gewehrt haben, denn seine Seele hat sich zerstreut." Lan Zhan ließ ihn nicht aussprechen und zischte zwischen zusammen gebissenen Zähnen. "Wer war es? Gib mir einen Namen!"
Die drei versuchten ihn zu beruhigen, sie meinten, es bestünde noch Hoffnung und dass sie jetzt nach seiner Seele suchen würden. Aber er hörte ihnen bereits nicht mehr zu. Wo eben noch Trauer in seinem Herzen war, entbrannt ein Feuer, ein Feuer aus Hass und Wut und dieses würde sich nur durch seine persönliche Rache löschen lassen. Er wusste, wer es war, es war nicht nötig ihn zu benennen. Da er ahnte, dass sie ihn aufhalten würden, beschloss er bis zum Abend zu warten. Er würde seine Rache bekommen, auch, wenn er dafür noch einmal sein Leben geben müsste. Lan Zhan sah aus, als ob er sich beruhigt hätte und die drei vor ihm atmeten erleichtert auf. Aber sie kannten ihn noch nicht so gut. Das stoische Gesicht zeigte ihnen nur, was sie sehen sollten und nicht, was er innerlich fühlte. Er verneigte und bedankte sich bei den dreien und ging zu seinem alten Platz zurück, um wieder auf seiner Guqin zu spielen. Die Melodie war die gleiche, aber sie klang bei Weitem nicht mehr traurig. Hätte jemand das Spiel gehört, der ihn kannte, dann wäre dieser jetzt in allerhöchster Alarmbereitschaft. Die Melodie schrie, ich will Rache, ich will eure Köpfe, ihr werdet bluten, ich ruhe nicht eher, bis ihr alle unter meinen Füßen liegt, ihr habt euch gewagt, meinen Ying'er anzufassen. Keine Vergebung!
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Soulmate I: through time
Fanfiction"Wei Ying"... Er sah ihn vor seinen Augen in den Abgrund stürzen. Lan Zhan will nicht ohne ihn leben und folgt Wei Ying in den Tod. Dies ist die schicksalshafte Geschichte zweier Seelenverwandten, die dem Tod trotzen wollen. Finden sie wieder zusam...