16. Gebrochenes Herz

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Die Nacht war zu stürmisch und viel zu kurz gewesen, als Hermine gegen drei Uhr morgens von Anni aus dem Schlaf gerissen wurde und nicht wieder einnicken konnte. Das Mädchen war von einem Albtraum wach geworden, den Hermine nur vage und im Halbschlaf verstanden und mitbekommen hatte. Quicklebendig und wach war Anni an ihrer Bettseite gestanden und hatte an ihrem Pyjamaoberteil herumgenestelt, als sie von Drachen, Schlingpflanzen und Besenfliegen erzählt hatte. Natürlich hatte der Traum nicht wirklich Sinn gegeben und war von Grund auf verwirrend wie ein Fiebertraum gewesen, aber Hermine hatte sie dann doch neben sich in ihrem Bett schlafen lassen, um den ununterbrochenen und für die Uhrzeit viel zu schnellen Redefluss zu unterbrechen. Und wie neidisch sie kurz darauf gewesen war, als nach nur wenigen Minuten das tiefe Schnaufen des eingeschlafenen Mädchens neben ihr ertönte. Sie hingegen hatte sich von Seite zu Seite gewälzt und es schließlich irgendwann aufgegeben noch ein Weilchen zu dösen. Es war ihr nichts anderes übriggeblieben als stumm auf dem Rücken in die Matratze zu sinken und den weißen Dachstoff ihres Himmelbetts anzustarren, während sie an den Mann dachte, der in der anliegenden Suite wahrscheinlich noch tief schlief und träumte. Irgendwann verlor sie das Gefühl für die Zeit, bis um Punkt fünf Uhr morgens ihr Wecker rasselte und ihr neuer Arbeitstag anbrach. Den Gedanken an Draco schob sie beiseite und stürzte sich in ihre tägliche, ihr so sehr heilige Routine. Zuerst eine kalte Dusche, die sie nach fünf Minuten wie ein steifer Eiszapfen aus der Dusche wanken ließ, dann das übermäßig schnelle Zähneputzen, bei dem sie sich schon oft das Zahnfleisch mit der Bürste aufgekratzt hatte, weil ihr die weißen Beißer für ihr äußeres Erscheinungsbild sehr am Herzen lagen. War das erledigt band sie sich ihren schwarzen Morgenmantel um, schlüpfte in ihre Lederespandrilles und schlurfte zu ihrem Ankleidezimmer. An den Wänden standen volle Kleiderschränke mit Schmuckkommoden und ein mit Blattgold verzierter Schminktisch, wo französische Parfums und Cremes neben Puder und anderem Schminkzeug standen. Ein kurzer Blick auf ihre Armbanduhr verriet ihr, dass sie noch genügend Zeit hatte sich fertig zu machen und Mrs Danvers zu empfangen, die mit Anni frühstücken würde, während Hermine ihre Morgenrunde drehte. Zuerst der übliche Smalltalk mit Oskar im Aufzug, dann eine kleine Diskussion mit ihrer Großmutter Alice, weil Hermine für heute zum Probedinner des Balls keine Begleitung mitnehmen wollte und dann kam ein schneller Abstecher an der Lobby bei Peter und Henrie, bevor sie ein wenig später im Büro bei Papierkram ein paar Scones mit Tee frühstückte. War das erledigt, fiel ihr der Anprobetermin mit Anni bei Mr Pettburg ein, neben Madam Malkins ein sehr berühmter Modedesigner mit großer Schneiderei in der Winkelgasse. Für den diesjährigen Ball war er zuständig ihr ein perfektes Ballkleid zu entwerfen und auch Anni einzukleiden, die wie bei jedem Ball wahrscheinlich noch vor zehn Uhr abends in ihrem Tüllkleidchen am Esstisch einschlafen würde. In Rekordzeit war Hermine zurück in ihre Suite gesprintet, hatte das Mädchen in Winterklamotten gesteckt und sich beim Verlassen des Hotels dabei ertappt, wie sie verstohlen nach einem weißblondem Haarschopf Ausschau gehalten hatte. Sie musste dringend mit ihm reden, am besten noch heute. Oder sie würde vermutlich durchdrehen.

„Warum muss ich da denn so dringend mit?", quengelte Anni an Hermines Hand, die sich in der mittlerweile total überfüllten Winkelgasse durch die Menschenmenge schob und sich nicht ihren Zeitdruck anmerken ließ.

„Ich habe es dir doch schon gesagt. Du brauchst ein Kleid für den Ball.", antwortete Hermine mit starrem Blick nach vorn, um den bestmöglichen Weg vorbei an den Passanten auszumachen. Vorhin hatte Anni schon ein kleines Theater verbracht, weil sie lieber mit ihren Puppen spielen wollte anstatt in der langweiligen Schneiderei herumzustehen. Und ihr Dickkopf, der Hermine schon lange das Leben manchmal schwer machte, hatte sich versucht vehement durchzusetzen, während Hermine und Mrs Danvers versuchten das Kind in Mantel und Schuhe zu zwängen.

„Kann ich nicht das vom letzten Jahr tragen? Dazu hast du mir sogar den dazu passenden Haarreifen gekauft. Und den hab ich immer noch.", versuchte es Anni weiter, doch ihre Zuversicht der Anprobe zu entkommen scheiterte bei Hermine.

Mea culpa | Deutsche Dramione FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt