3. Vertrau mir

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Um fünf Uhr morgens stand Hermine bereits auf der Matte, wo der Rest des Hotels für gewöhnlich noch tief und fest schlummerte und hoffentlich nicht wie Mrs Clafoutis im Nachthemd über die Gänge geisterte. Nur im Keller, wo sich die Küchen, die Zuckerbäckerei, die Patisserie und die Silberputzkammer befanden, wurde laut herumkommandiert, mit Geschirr geklappert und hektisch das Frühstück vorbereitet. Der Fensterputzer und die Zimmermädchen brachten die Salons, die Lobby und jedes Eck des Hotels zum glänzen und machten sich auf die Suche nach dem letzten Staubkorn, das nie zu finden war. Postkutschen lieferten die Tageszeitung und die Post, weil es einfach zu viel war, um alles von Eulen transportieren zu lassen. Es war eigentlich ein ganz gewöhnlicher Dienstagmorgen, doch als Hermine aus ihrer Suite, der Rubinsuite, trat und die Tür hinter sich schloss stockte sie. Sie konnte nicht wie üblich einfach ihren morgendlichen Gang zu Zimmer 394 fortsetzen. Denn direkt neben ihr, hinter der weißen Doppeltür, schlief Draco Malfoy bestimmt noch friedlich und warm eingekuschelt in seinem Bett und ahnte nichts davon, wie Hermine vor seiner Tür stehen blieb und sich vorstellte, von was er träumte und wie er leise atmete.

„Merlin, Hermine!", ermahnte sie ihr Untergewissen und sie fuhr sich durch ihr Haar.

Heute hatte sie es offen gelassen, sodass es ihr in sanften Wellen um die Schulter fiel. Normalerweise trug sie es im Nacken gebunden oder hochgesteckt, weil sie so besser arbeiten konnte und nicht ständig ihre Haare im Gesicht hatte. Doch heute war ihr einfach danach sie so zu lassen und sogar ein bisschen mehr Rouge aufzutragen, dass sie endlich etwas Farbe in dieser kalten, dunkeln Zeit bekam.

Dazu hatte sie sich ihr rotes Etuikleid mit der Perlenkette angezogen, obwohl sie es eigentlich vorzog Schwarz zu tragen. Für ihren Look war sie sogar ziemlich berühmt, sogar die Witch Weekly hatte letztes Jahr einen ganzen Artikel über den sogenannten „Alistair Chic" geschrieben und darin von Hermine und ihren schwarzen Kleidern und den Spitzkragenblusen erzählt. Hermine fand solche Klatschblätter durch und durch lächerlich, aber hin und wieder griff sie doch nach den Magazinen, die ihre Gäste lasen und pünktlich jeden Mittwoch von der Postkutsche geliefert wurden. Und hin und wieder hatte sie sich selbst dabei ertappt, wie sie förmlich danach gesucht hatte, ob Draco irgendwo darin erwähnt wurde. Er war immerhin ziemlich bekannt und sie konnte sich es eigentlich im Nachhinein selbst nicht erklären, was sie so an ihm faszinierte und anzog. Nicht dass sie für ihn schwärmte, doch es interessierte sie einfach, was er so trieb. Mit welchen Frauen er Beziehungen führte und welche zu Bruche gingen und auf welche Partys er ging oder selbst veranstaltete. Sein Leben war viel glamouröser und aufregender als das Ihre, zumindest dachte sie das immerzu.

Hermine kaute auf ihrer Lippe herum und spielte mit dem goldenen Zimmerschlüssel und dem Ziffernblatt. Ihre hochhackigen Schuhe versanken etwas in dem purpurroten Teppichboden und ihr Brustkorb verspannte sich, als sie bemerkte, dass sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte.

Wieso denn überhaupt? Draco Malfoy war nichts mehr als dieser reiche, gutaussehende Junggeselle, von denen sich jährlich ein Dutzend hier ein Zimmer nahmen und Hermine nicht im Geringsten interessierten. Er war einer von diesen Schleimbeuteln, die gut gekleidet im Rauchersalon Zigarre oder Pfeife rauchten und sich sündhaft teuren Feuerwhiskey bestellten, den sie eigentlich nicht vertrugen, weil er so stark und holzig schmeckte. Für sie waren derartige Gäste die schlimmste Sorte, die man ihr bieten konnte. Jung und so voller Energie und Geld, das sie am liebsten aus dem Fenster warfen, in dem sie sich alles kauften und erwarben, was ihr Herz begehrte. Sie führten Beziehungen mit bildhübschen Mädchen mit schlanker Taille, großem Busen und langem Haar, die für eine Durchschnittsfrau wie Hermine der wandelnde Albtraum auf zwei Beinen waren, und schliefen dann trotzdem mit Prostituierten, die teilweise an die fünftausend Galleonen pro Nacht verlangten und dann am nächsten Morgen mit vollgestopften Taschen das Hotel über den Hinterausgang verließen.

Mea culpa | Deutsche Dramione FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt