Tag 2
Als ich auf dem Bauernhof ankam, war noch niemand da.
In weiter Ferne sah ich eine kleine Gestalt, die gerade eine Sense schwang.
Ich winkte ihr zu.
Anscheinend hatte sie mich gesehen, denn sie näherte sich schnell.
Vor mir blieb ein erschöpfter Ellias stehen.
Sein blondes Haar klebte an seinen Kopf und sein Hemdkragen war vom Schweiß gefärbt.Erst jetzt fiel mir auf, dass die fünf ziemlich schlichte Klamotten trugen.
Während die Gammas in der Stadt schöne und fantasievolle Kleidung an hatten, mussten die Omegas ihr Leben außerhalb fristen, nur mit Hemd und Hose.
Ellias trug noch nicht einmal Schuhe.
Mir wurde ganz heiß bei dieser Ungerechtigkeit."Hey Amalia", begrüßte er mich.
Er war genauso alt wie ich, aber er überragte mich ein gutes Stück. So wie jeder hier.
"Hallo Ellias. Kann ich dir irgendwie helfen?", ich deutete auf das Feld. Ich hatte zwar noch nie eine Sense in der Hand, aber was noch nicht war, kann ja noch werden.
Doch Ellias schüttelte verhämmt den Kopf.
"Meine Mutter würde mich umbringen, wenn sie rausfände, dass ich dir meine Arbeit übergebe.
Ich soll dir eigentlich nur von Lynn ausrichten, dass er heute den ganzen Tag hinten auf dem Maulwurfhügel verbringt", Ellias deutet auf einen grünen Hügel, der einen knappen Kilometer vom Hof entfernt lag, "wenn du in brauchst, kannst du einfach dahin gehen."Ellias grinste breit.
Ich bedankte mich für die Information.
"Ach ja Amalia, wenn ich du wäre, würde ich mal meine Kleidung flicken. Besonders wenn du immer Vangus in der Stadt besuchst. Es ist allgemein bekannt, dass sich männliche Gammas in der Nähe einer schönen Frau kaum beherrschen können. Wenn besagte Frau dann auch noch mit einer zerrissenen Bluse rumläuft, die ziemlich tiefen Einblick gibt, könnte es unangenehm werden."Ellias sagte das zwar mit einen Grinsen, aber ich spürte seine ehrliche Sorge. Er schien den Gammas nicht allzu sehr zu vertrauen.
Tatsächlich wurden mir viele Blicke zugeworfen.
Ich hatte bisher immer nur angenommen, dass wäre, weil ich zerrissene Kleidung an hatte und nicht weil ich dadurch mehr Haut preisgabe.
Ein wiedelicher Schauer lief meinen Rücken hinab.
Ich hoffte nicht, dass die Blicke daher rührten."Danke Ellias. Bei uns ist das nicht so. Da läuft jeder rum wie er will und keinen kümmerts."
Zumindest in Berlin war das so gewesen, in Stuttgart hatte ich schon den Ein oder Anderen abwertenden Blick gesehen, wenn jemand einen etwas ausgefallenen Kleisungsstill hatte."Ich dachte immer, die Leute in Hewin haben einen Stock im Ar...mhm... sind sehr gesittet."
An seinen Tonfall erkannte ich, dass er etwas weniger nettes sagen wollte.Ach stimmt, ich stammte jetzt ja aus Hewin und nicht Berlin.
"In den letzten Jahren hat sich das geändert. Die Leute sind lockerer geworden."
Vangus hatte gesagt, dass die Werwölfe im nördlichen Gebiet sehr krigerisch sind. Wahrscheinlich war ihr ganzes Leben von Disziplin, Ordnung und Regeln bestimmt.
Ich hatte zwar keine Ahnung von Hewin, aber anscheinend war es nicht allzu abwegig, oder Ellias kümmerte es nicht, dass die Werwölfe in Hewin nicht seinen Vorstellungen entsprachen.
"Na hoffentlich ist das bald auch so bei uns."Er verabschiedete sich und lief zurück auf das Feld.
Ich hingegen machte mich auf ins Haus.
Nach einer kurzen Suche, fand ich Nadel und Faden.
Ich hoffte Anna würde es nicht ausmachen, wenn ich mich daran bediente.
Zwar hatte ich nie eine Ausbildung zur Näherin gemacht, aber ich hatte Jenny in ihrem ersten Lehrjahr oft geholfen und kannte die Grundlagen.Ich steckte den Faden in die Öse und legte los.
Zu erst richtete ich meine Strumhose, dann meinen grünen Rock und zum Schluss meine Bluse.
Ich hatte leider keinen Faden in der Farbe meines Rockes gefunden und bei meiner Bluse hatte ich das große Loch an meiner Taille etwas zu eng zugenäht, weswegen der ganze Stoff sich etwas verzog.
Es sah nicht schön aus, aber es reichte für meine Zwecke.
Die Sonne ging bereits unter und mein Rücken schmerzte als ich fertig war.
Als ich die Nähsachen zurück räumte lief mir Anna über den Weg.
Bevor ich mich auch nur entschuldigen konnte, dass ich ihr Zeug ohne zu fragen genommen hatte, seufzte sie schon erleichtert auf.
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Angart - Land der Wölfe
WerewolfAmalia dachte, dass sie bescheid wusste, wie ihr Leben verlaufen würde. Aber aus Versehen in eine andere Dimension zu reisen, in der die Welt nicht von Menschen, sondern von Werwölfe beherrscht wurde, war doch etwas überraschend. Was sich wie ein T...