Kapitel 13

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Jena

Am nächsten Morgen fühlte sich mein ganzer Körper so schwer an, als wäre er mit Blei beladen. Nachdem Milan und ich uns getrennt hatten, konnte ich die halbe Nacht nicht einschlafen. Zu viele Fragen schwirrten in meinem Kopf und ich konnte, wie so oft, keine Antwort darauf finden. Ich wälzte mich von einer auf die andere Seite, träumte wirr und schreckte immer wieder aus dem Halbschlaf, was dazu führte, dass es dieses Mal Lea war, die mich ein zweites Mal wecken musste.

Als ich es schließlich geschafft hatte, mich zu erheben und umzuziehen, waren die Anderen schon dabei die Zelte abzubauen. Also musste ich mich tierisch beeilen, damit nicht alle auf mich warten mussten. 

Wenigstens wurde ich dadurch halbwegs wach. Als ich, zusammen mit Lea, endlich unser Zelt in dem dafür vorgesehenen Anhänger verstaut und mir meine Reisetasche über die Schulter geworfen hatte, machte ich mich auf die Suche nach unserem Wagen. Innerlich zog sich alles in mir zusammen bei dem Gedanken, wie die Stimmung während der Fahrt wohl sein würde. Sali war bestimmt stocksauer auf mich und gekränkt von Milan. Das würde kein Spaß werden.

Doch als ich die hintere Autotür öffnete, drangen zu meinem Erstaunen fröhliche Stimmen an mein Ohr. Verwirrt beugte ich mich ins Innere des Wagens und musste feststellen, dass heute Milan am Steuer saß und daneben auf dem Beifahrersitz...

„Adrian! Hey, was machst du denn hier?", stieß ich freudig überrascht aus und ließ mich auf die Rückbank fallen. Adrian wandte sich zu mir und grinste.
„Sali wollte heute unbedingt was ganz dringendes mit Taio besprechen, tja und da haben sie mich rücklings zu euch ausquartiert", erwiderte er in einem gespielt empörten Unterton. 

Erleichterung machte sich augenblicklich in mir breit, doch dann wanderten meine Augen wie von selbst zu Milan in den Rückspiegel.

Sein Gesicht sah übermüdet und eingefallen aus, als hätte er in dieser Nacht noch weniger geschlafen als ich, wenn er überhaupt ein Auge zu gemacht hatte. Bei Adrians Worten senkte er den Blick auf seine Hände und seine zu einem Lächeln geformten Mundwinkel verrutschten minimal. Adrian schien davon aber nichts mitzubekommen, denn er begann gleich nachdem ich mich angeschnallt hatte, wie ein Wasserfall an zu reden. Er erzählte von seinem Morgen, von einer Begegnung mit Stephanos Nichte, von seinem besten Kumpel, der unsterblich in eine der Artistinnen vom russischen Barren verliebt war, die ihn allerdings nicht mal wahrzunehmen schien und so weiter und so weiter.

Es war beeindruckend wie ein einzelner Mensch so pausenlos, aber gleichzeitig humorvoll erzählen konnte. Es schien als müsste er zwischen den einzelnen Sätzen kein einziges Mal Luft holen, sodass ich wirklich Schwierigkeiten hatte bei den vielen und schnellen Themenwechseln mit zukommen.

Adrian war mir zwar schon von Anfang an wie ein sehr geselliger Mensch vorgekommen, der sehr gerne, sehr viel redete, doch heute wurde ich das Gefühl nicht los, als wolle er Stille um jeden Preis vermeiden, denn jedes Mal, wenn Milan oder ich nicht rechtzeitig auf eine Frage oder einen Kommentar reagieren, wechselte Adrian prompt das Thema.

Gegen Mittag erreichten wir einen schäbigen Rastplatz. Keiner der anderen Artisten war zu sehen und an Adrians gerunzelter Stirn konnte ich ablesen, dass auch er überrascht war, dass wir hier Halt machten. Der Wagen war kaum zum Stehen zu kommen, da verschwand Milan auch schon aus dem Wagen. Angeblich um uns etwas zu essen zu besorgen, doch ich vermutete, dass er einen Moment für sich brauchte. Auch ich wollte mir ein wenig die Beine vertreten und war gerade drauf und dran den Wagen zu verlassen, als Adrians Stimme mich innehalten ließ.

„Warte noch kurz", seine eben noch heitere Stimme, war leise geworden und besorgt.

Mit fragend zusammengezogenen Augenbrauen wandte ich mich zu ihm.

Die Schatten ihrer VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt