Kapitel 7

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Salvatore

Als Sali am darauf folgenden Abend zum Essen ging, kam er an der Wiese vorbei, bei der sich die Helfer trafen um den Tag ausklingen zu lassen. Er hörte ihr Lachen und dummes Geschwätz schon von weitem und konnte gar nicht schnell genug wieder von ihnen weg kommen, bis ihm Jena ins Auge fiel. Sie saß neben Nikan, dem Idioten und lachte gerade herzlich über eine Geschichte, die ihr ein anderes Mädchen erzählte. Er blieb, verborgen von einem der Trailer, einen Moment stehen und beobachtete sie. Offenbar hatten sie und die Anderen ihr Kriegsbeil begraben.

Er seufzte. Als Taio und er gemerkt hatten, dass auch die Helfer sie aus ihren Reihen verbannt hatten, hatten sie gehofft, das Thema „Jena loswerden" würde sich von selbst erledigen. Niemand hielt es lange allein aus. Vor allem nicht beim Zirkus. Die ständigen Ortswechsel waren anstrengend und ohne einen Freund, der einem ein Gefühl von Konstanz und Geborgenheit gab, war man relativ schnell verloren, vor allem, wenn man nicht an dieses Leben gewöhnt war. Jetzt allerdings sah es so aus, als hätte sie es tatsächlich geschafft, wieder bei den Helfern aufgenommen zu werden.

Nikan saß dicht neben ihr und hing an ihren Lippen und sie, sie warf ihm immer wieder ein schüchternes Lächeln zu. Ihre Hände berührten sich ganz leicht. Der Anblick widerte ihn an. Er wandte sich ab und beschleunigte seine Schritte. Ohne genau zu wissen warum wollte er so schnell wie Abstand von der Szene auf der Wiese gewinnen. 

Als er das Zelt betrat, in dem die Schausteller gemeinsam aßen, brauchten seine Augen einige Sekunden um sich an den Lichtwechsel zu gewöhnen. 

Dann sah er seine jüngeren Zwillingsbrüder Eneas und Adrian an einem der hinteren Plätze sitzen. Sie schien sich leise zu unterhalten. Er lächelte warmherzig. Die beiden waren letzten Mai sechzehn geworden und somit ganze fünf Jahre jünger als er selbst, doch sie verstanden sich blind und Sali liebte sie mehr als jeden anderen. Er würde alles tun, um sie zu beschützen. Das selbe galt natürlich auch für Milan, Taio und die Rossis und obwohl er auch fast all seine anderen Kollegen genauso lange kannte und die meisten nicht missen wollen würde, waren diese sechs Personen, die einzigen, die Sali wirklich zu seiner Familie zählen würde.

Für sie war er bereit über alle Grenzen hinaus zu gehen und das war er auch schon.

Eneas bemerkte ihn als erster und winkte seinen älteren Bruder zu sich rüber. Die Beiden hatten noch drei Plätze neben sich frei gehalten. Die Brüder und Milan, der für alle wie ein Bruder war, saßen immer zusammen, sie waren ein unschlagbares Fünfergespann, um dessen Zusammenhalt und Freundschaft sie jeder beneidete. Bei den Zwillingen angekommen, umarmte er die Zwei freundschaftlich und ließ sich neben Eneas nieder. Dann tauschten sie sich über ihren Tag aus.

Nach einer Weile betrat Taio den Raum. Sali winkte ihn zu sich, stand auf und schlug mit ihm ein.

„Mega Aktion heute!"

„Ja, man und wie sie Nikan fertig gemacht hat! Fast war sie mir sympathisch. Kein Wunder, dass keiner ihrer Kollegen sie ab kann. Ich geb ihr noch drei Tage, dann ist sie weg"

„So leicht wird's leider nicht Bruderherz", unterbrach ihn Sali, bevor sie sich setzten und er erzählte, was er auf der Wiese gesehen hatte.

„Mist, aber das kriegen wir schon wieder hin", erwiderte Taio, nachdem Sali geendet hatte und seine Augen leuchteten missgünstig.

Nach dem Essen beschlossen Sali, Taio und Milan, der heute etwas später zu ihnen gestoßen war, noch eine Runde Poker zu spielen. Dabei ging es nie um Geld oder irgendetwas von Wert, meistens musste der Verlierer am nächsten Tag eine der unbeliebteren Tagesordnungspunkte erledigen.

Milan machte gerade seinen nächsten Zug, als Taio mit einem Mal das Thema wechselte.

„Leonardo hat mich heute mal beiseite genommen. Jemand hat ihm gesteckt, ich hätte dieses Mädchen mit Absicht vom Zaun gestoßen"

„Sowas würdest du doch nie tun!", rief Sali gespielt empört und besah sich die Karten in seiner Hand kritisch.

„Hab ich ihm auch gesagt, schon eine bodenlose Frechheit, mir, ausgerechnet mir, so etwas zu zutrauen", lachte Taio.

„Was sagst du zu so einer wagemutigen Behauptung?", Sali stieß Milan freundschaftlich in die Rippen.

Im Gegensatz zu den Brüdern, lachte Milan nicht.

„Warum lasst ihr diese albernen Spielchen nicht mal?", erwiderte er und schmiss seine Spielkarten auf den Tisch.

„Sei kein Spielverderber, Milan", feixte Sali und boxte seinem Freund spielerisch in die Seite.

„Ja, genau", stimmte ihm Taio zu, „was ist nur los mit dir? Du warst doch früher mal in der Hinsicht unser Anführer"

Milan winkte genervt ab: „Lasst es einfach gut sein. Werdet doch endlich mal erwachsen!"

Mit diesen Worten schob er seinen Stuhl so ruckartig zurück, dass er umfiel, doch Milan kümmerte sich nicht darum. Mit miesgelauntem Gesicht stand auf und verließ das Zelt.

„Was ist denn mit dem los? Meinst du, er steht auf die Kleine?", grinste Taio, doch Sali blickte seinem besten Freund nur stumm hinterher. Was war bloß in letzter Zeit mit ihm los? Ob ihm die Sache mit Samira immer noch nachhing?

Die Schatten ihrer VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt