Die nächsten Tage vergingen mehr oder weniger ereignislos. Nachdem der Aufbau vollbracht war und der Alltag so langsam wieder einkehrte, hatten Linda, Nikan und ich Zeit, in unseren Pausen die kleine Stadt zu erkunden, in der wir uns gerade aufhielten. Wir schlenderten durch die verschiedenen Viertel und suchten uns in jedem jeweils ein Haus aus, in dem wir wohnen würden, wenn wir es uns aussuchen könnten, tranken anschließend eine heiße Schokolade in einem der unzähligen Cafés, die in so gut wie jeder der kleinen Seitenstraßen zu finden waren und die mit ihren bunten Schirmen, den gemütlichen Stühlen und Bänken die halbe Straße blockierten.
Dort beobachteten wir die vorbeilaufenden Menschen und dachten uns Namen, Berufe und Hobbys aus, von denen wir glaubten, sie könnten zu ihnen passen, So gelang es uns für ein paar Minuten in ein Leben einzutauchen, das nicht unseres war und vermutlich auch nicht das der Person, der wir es zu dichteten. Dieser Frieden zwischen uns war schön und unheimlich erholsam. Ich genoss jeden Augenblick mit den beiden Menschen, die mir hier in den letzten Wochen so sehr ans Herz gewachsen waren.
Trotz einem sehr langem Gespräch mit den Beiden über das was vorgefallen war, spürte ich dennoch eine leichte Anspannung zwischen uns. Ich hoffte innerlich sehr, dass wir langsam zu dem Punkt zurückkehrten, an dem wir waren, bevor Sali alles durcheinandergebracht hatte.
Auch meine Abende verbrachte ich wieder bei den Helfern. Anders als bei unserem letzten Standort konnten wir hier kein Lagerfeuer mehr entfachen, deshalb planten wir um. Wir reihten sieben aufklappbare Tische aneinander und jeder brachte für sich einen Stuhl mit. Anschließend trugen wir gemeinsam das Essen, das zuvor von Antonella, Regina oder Matteo gekocht worden war, nach draußen zu den Tischen. Jemand legte Musik auf einem alten und ziemlich verstaubten Plattenspieler auf, während Linda und ich die Lichterketten anknipsten, die wir am ersten Abend gemeinsam an jedem Wohnwagen in unserer Reihe aufgehängt hatten.
Es wurde viel geredet und gelacht und spätestens als die Sonne unterging, war die Stimmung wie bei einem Mini-Straßenfest. Ich saugte das Glück auf wie ein Schwamm, dass mich in jeder Sekunde durchströmte, die wir beieinander saßen, aßen, lachten und miteinander zu den Liedern aus längst vergangen Tagen sangen.
Nur Adrian und Milan vermisste ich in diesen ansonsten vollkommenen Momenten ein wenig. Immer öfter fragte ich mich, warum es diesen anscheinend unüberwindbaren Spalt zwischen den beiden Parteien gab. Adrians Scherze und sein lautes Lachen hätten nahezu perfekt zu Jeremias und Lindas Humor gepasst und Milans ruhige Art passte sowieso in jede Gruppe. Auch wenn wir nur wenige Tage miteinander verbracht hatten, fehlten sie mir sehr.
Jetzt sah ich sie nur noch flüchtig, wenn ich bei Aufbau der jeweiligen Turnelemente Schicht hatte. Das lag vor allem daran, dass Adrian beim ersten Training nach dem Umzug zu mir gekommen war, als ich gerade mit Linda und Nikan die weiteren Schritte des Aufbaus plante. Er hatte mir freundschaftlich den Arm um die Schultern gelegt und gefragt , wie uns geht und wie es mir an unserem neuen Standort gefällt.
Leider waren die anderen beiden nicht an einer Unterhaltung mit einem der Alvarez-Brüder interessiert und gaben Adrian mit abweisenden Mienen und kühlen Antworten auf seine Fragen zu verstehen, dass er hier nicht erwünscht war. Er war diplomatisch genug gewesen, uns seit her aus dem Weg zu gehen. Nur ein gelegentliches Kopfnicken, wenn wir uns begegneten, erinnerte noch daran, dass wir eigentlich Freunde waren.
Ich war mir ziemlich sicher, dass Adrian Milan von dem kleinen Zwischenfall erzählt hatte, denn bis auf ein kleines Lächeln hie und da, hatte auch er sich nahezu vollständig von mir zurückgezogen. Da es so nicht weitergehen konnte und diese Verschwiegenheit der beiden Parteien mich so langsam in den Wahnsinn trieb, beschloss ich die nächstbeste Gelegenheit zu ergreifen, um ein paar Nachforschungen anzustellen. Doch leider waren die folgenden Tage so hektisch und vollgepackt mit Arbeit, dass wir unsere freie Zeit nutzten, um früh schlafen zu gehen, um am nächsten Morgen wieder fit zu sein.
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Die Schatten ihrer Vergangenheit
RomanceSeit Jena ihre Eltern verloren hat, ist sie auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Im Zirkus Marina glaubt sie es endlich gefunden zu haben, doch je länger sie dort ist, desto mehr dunkle Geheimnisse, Lügen und Verschwörungen kommen ans Licht. Und...