14. Kapitel - Matt

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Warnung: Dieses Kapitel beeinhaltet das Vorkommen von körperlicher Gewalt. (Prügelei)

"Machmal bist du so, wie sich jedes Mädchen ihren ersten Freund nur wünschen kann-..."

Ab diesem Wort schalteten meine Ohren auf Durchzug. Ihr erster Freund.

Ich musste mit dieser Sache aufhören, wir waren uns schon viel zu nah gekommen. Warum hatte ich es so weit kommen lassen?

In panischer Angst vor meiner Agressivität und davor, Kate wehzutun, stolperte ich ein paar Schritte nach hinten, sprintete um die Ecke...- und blieb sofort wieder stehen, als ich ihren nächsten Satz hörte: "Ich dachte, unser Kuss hätte dir etwas bedeutet."

Verdammt - und wie er das hat! Es klang, wie in einer schlechten Schnulze, aber der Kuss war einfach magisch gewesen. Als hätte es gar nicht anders kommen können, als hätte es so sein müssen, dass sich unsere Lippen berührten.

Ich wusste doch genau, dass ich mich, so gut es ging von Kate fernhalten sollte. Und dann war ich auch noch ihr Erster. Der Erste, der sie geküsst hatte. Den sie geküsst hatte.

Und dann tat ich das einzige, was ein Feigling wie ich in diesem Moment tun konnte: Ich drehte mich um und machte mich auf den Weg nach Hause. Ich schüttelte den Kopf, um die Gedanken an Kate daraus zu vertreiben... - und fiel fast um, weil ich abrupt stehenblieb.

Heilige Scheiße! In meinem heftigen Kopfschütteln hatte ich aus Versehen zu Kates Fenster hochgesehen. Sie zog gerade ihren Pullover aus. Verdammt! Kann sie sich mit ihrem blauen BH nicht ins Bad stellen?!

Ich fluchte und wandte den Blick von ihr ab, als ich bemerkte, dass Kate mich entdeckt hatte. Nun griff sie mit erschrockener Miene nach ihrem Nachthemd und hielt es sich vor den Oberkörper.

Nein! Das will ich doch auch nicht! Jetzt denkt sie bestimmt, ich wäre so ein irrer Stalker! Warum kriege ich eigentlich nie was auf die Reihe?! Ich verkacke alles. Ständig. Ich mache wahrscheinlich nie meinen Abschluss, prügele irgendwelche Typen zusammen, kann mich nicht von Kate fernhalten, streite mit meinem Vater, ... - die Liste war endlos.

Wie vom Blitz getroffen stand ich immer noch auf der Stelle und starrte mit aufgerissenen Augen nach oben. Kate hatte sich den Pulli wieder übergezogen und schob nun das Fenster nach oben.

Fuck - sie wird mich zur Rede stellen! Ich kehrte auf dem Absatz um und rannte davon. Wie immer. Als ich zuvor geflüchtet war, hatte sie mich wieder aufgehalten, aber diesmal konnte sie das nicht. Sie hatte mich - ohne es zu wissen - beschützt. Und zwar vor mir selbst, denn sonst hätte ich garantiert wieder irgendeinen Scheiß angestellt nachdem ich weggerannt wäre. Aber jetzt konnte sie das nicht mehr.

Scheiße, Scheiße, Scheiße! Ich muss irgendwas mit meinen Händen anstellen, dachte ich während ich rannte.

Ich sprang - immer zwei Stufen auf einmal nehmend - die Treppe zur U-Bahn runter. Als ich vor dem Fahrkartenautomat stand, um mir eine Karte zu kaufen, riss mir jemand mein Portemonnaie aus der Hand. Ohne mich vorher umzusehen, schlug ich mit der Faust hinter mich.

Als das Aufstöhnen erklang und ich mir sicher war, dass der Dieb sich gerade seine gebrochene Nase hielt, drehte ich mich im und verpasste ihm einen Tritt in den Bauch. Eine Tirade buntester Schimpfwörter sprudelte aus dem Mund meines Gegners.

Endlich fing die Energie, die sich durch meine unterdrückte Wut aufgestaut hatte, in meinen Händen an, dort herauszufließen. Ein gutes Gefühl. Als würden meine Hände der, für sie einzig sinnvollen Beschäftigung nachgehen, als ich den Kerl verprügelte. Ich versetzte ihm einen Kinnhaken, einen Tritt in die Kniekehle... und als er stolperte trat ich ihm ins Kreuz. Sein vor Schmerz verzogenes Gesicht und das Stöhnen sorgten irgendwie dafür, dass ich mich besser fühlte. Ich konnte etwas.

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Ich will hier nur nochmal kurz darauf hinweisen, dass die Figur Matt ein psychisches Problem hat. Deswegen versuche ich seine Gedanken zu beschreiben, die auch mal ziemlich cringe und psycho sein können.
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Plötzlich packte mich eine Hand am Arm und riss mich zurück, als ich dem Kerl nochmal so richtig in die Fresse schlagen wollte. Kate. Sie schrie irgendwas, aber das Blut rauschte so laut in meinen Ohren, dass es alles übertönte. Gedankenblitze rasten zu schnell in meinem Kopf herum, als dass ich irgendeinen von ihnen klar hätte fassen können. Kate - mein Geld - der Kerl - wieder Kate - Blut - am Boden - an meinen Händen. Scheiße, da ist Blut an meinen Händen! Was hab ich bloß getan?

"Scheiße, da ist Blut an meinen Händen, " brüllte ich, schlug mir die Hände vors Gesicht und sank zu Boden.

"Matt! Verdammt, hast du jetzt so einen Anfall? Oooh, verdammte Scheiße, was mach ich denn jetzt?" Kate schien völlig überfordert zu sein. "Okay. Matt?" Sie hatte sich wohl wieder gefangen.

Ich hielt mir immer noch die Hände vors Gesicht. "Ja." Ich hatte einen Kerl zusammengeschlagen. Sodass er blutete. Ich war unverletzt. Das war nicht mein Blut an meinen Händen. Es war seins.

"Jetzt steh auf."

     "Nein, ich will nicht."

"Matt. Du stehst jetzt auf oder ich trete dir so fest in deinen kleinen Deppenarsch, dass du in die Luft fliegst und in China immer noch auf die Leute herabschauen kannst."

Widerwillig rappelte ich mich auf. Eine Hand verpasste mir eine Ohrfeige.

"Das ist dafür, dass du dich gerade wie ein verdammter Idiot aufführst...", zischte Kate mir zu, "und das, weil du mir nachspioniert hast, nachdem du so getan hast, als wärst du abgehauen, was du dann trotzdem getan hast!"
Nochmal 2 Ohrfeigen. Jede für eine der Sachen.

Puhh. Langsam konnte ich wieder klar sehen.

Kate half mir zu stehen und ließ prüfend ihren Blick über mein Gesicht gleiten, wobei er einen Ticken zu lange an meinen Lippen hängenblieb. Wohl unfreiwillig, ihrem Blick nach zu urteilen.

Sie schob mich auf eine freistehende Bank zu und ich ließ mich daraufsacken. Währenddessen ging sie zu dem Kerl hin, der sich stöhnend auf die Seite drehte.

"Alles in Ordnung?" fragte sie vorsichtig.

"Sehe ich vielleicht so aus, als wäre ich in Ordnung!?" schnauzte er zurück und stöhnte vor Schmerzen.

"Sorry, ich wollte nur wissen, ob ich einen Krankenwagen rufen soll..."

"Nein!" Jetzt sah der Typ ja fast schon ängstlich aus. "Keinen Krankenwagen! Ich schaff' das alleine, aber wenn ihr mir ein Taxi ruft, überleg' ich mir nochmal, ob ich euch anzeige." Ha! Von wegen ängstlich, der wollte uns erpressen. Okay, ich hatte Scheiße gebaut, aber musste er deswegen gleich überreagieren? Kate ließ sich das natürlich nicht gefallen.

"Okay, jetzt hör mir mal zu: erstens Matt war grade nicht er selbst, er hat dich gerade nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte verprügelt, also kannst du rechtlich gesehen keine Azeige gegen ihn erheben. Zweitens, warum hast du dich nicht gewehrt? Du siehst mir schon wie jemand aus, der sich verteidigen kann. Und drittens: eine Anzeige kannst du zwar anonym erheben, aber die Polizei hat das Recht eine Nummerrückverfolgung zu machen. Außerdem wissen wir, wie du aussiehst. Und ich vermute mal schwer, wenn du nicht in ein Krankenhaus willst, willst du auch nicht zur Polizei."

Bei dem Wort Polizei zuckte der Kerl zusammen. Kate steckte ihm ein paar Scheine zu. Aus meinem Geldbeutel. Na gut, es war nur fair - ich hatte den Typen ja krankenhausreif geprügelt.
"Das ist für das Taxi und einen Arztbesuch. Lass den Quatsch mit der Anzeige und sieh zu, dass du hier fortkommst, es hat bestimmt schon jemand anders die Cops gerufen. Und offensichtlich sind die für dich nicht Freund und Helfer."

Oha. Ganz schöne Rede. Und ziemlich professionell. Und sie hatte es irgendwie geschafft, den Typen und die Cops loszuwerden, die wahrscheinlich schon auf dem Weg hierher waren.
Der Kerl rappelte sich auf jeden Fall auf und verschwand - das war das Wichtigste.

Seelenwandler - VertauschtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt