„Sam? Es ist schon wieder passiert." Oh Mann, was hatte ich mir da bloß eingebrockt? Aber bevor ich weitererzähle, solltet ihr vielleicht ein paar Dinge über mich wissen. Ich heiße Kate. Ich bin vor Kurzem sechzehn geworden. Und ich steckte gerade total in der Scheiße.
Kennt ihr das, wenn euch vor den Augen schwummrig wird, so wie in diesen Filmen, in denen kurz darauf jemand umfällt? Genau das passiert mir in letzter Zeit immer häufiger. Zum Beispiel gerade eben.
„Was? Kate, geht's dir gut? Ist alles okay?" Natürlich machte sich Sam wieder Sorgen um mich, und das war wahrscheinlich auch gut so, denn sonst gab es niemanden in meinem Leben, der das tat. Außer vielleicht meinem Onkel Chester, Kurzform Ches. Aber der zählte eigentlich nicht richtig, da er ziemlich verpeilt war. Er wusste vermutlich nicht mal, dass ich im selben Haus wohnte, wie er und verkroch sich die meiste Zeit in seinem Büro.
„Jaja, alles gut. Wirklich."
„Kate, ich bin deine beste Freundin, nicht der Direx."
„Naja, eigentlich geht's mir ziemlich beschissen."
Tja, das war die simple Wahrheit. Aber dieses Schwummrigwerden war ja nur der Anfang der ganzen Sache. Ich könnte schwören, dass, als das heute Morgen passiert ist, ich in einem anderen Zimmer gewesen bin. Aber das konnte ja gar nicht sein. Ich konnte nicht einfach von einem Moment auf den anderen woanders sein - von meinem Zimmer... Tja, wohin eigentlich? Und wie? War das jetzt so eine Art der Quantenphysik, oder was? Oder war ich verrückt? Oder war es Mag-... halt stopp, das konnte ja überhaupt nicht sein. Es gab keine übernatürlichen Dinge. Und wenn, dann würden sie ja nicht mir passieren, oder? Sam's Stimme riss mich wieder aus meinen Gedanken: „Soll ich vorbeikommen?"
„Ja, das wäre echt lieb von dir."
„Ich bin in zehn Minuten da."
„Okay. Danke", sagte ich leise und legte auf.
Was war nur mit mir los? Konnte ich eigentlich kein normales, langweiliges Leben führen, wie alle anderen Teenager auch? Warum musste mir diese Scheiße passieren? Und warum ließ sie sich nicht erklären? Nein. Das geht nicht, das kann einfach nicht sein. Das ist realistisch gesehen unmöglich. Ich kann mich doch nicht beamen! Stöhnend warf ich mich rücklings auf mein Bett und vergrub den Kopf in dem Kissenberg, der sich darin türmte.
Außer Sam hatte ich niemandem von dieser ganzen Sache erzählt. Denn seit meinem sechzehnten Geburtstag waren schon mehre komische Dinge passiert:
Erster seltsamer Vorfall:
Mein sechzehnter Geburtstag. Im Haus war es totenstill gewesen, weil zu uns außer Sam und dem Postboten und dem Pizzalieferanten nie Leute kamen. Nie. Nicht mal an meinem Geburtstag. Ich war im Flur gestanden und hatte mir Bilder von meinem Bruder angesehen. Richtig. Ich hatte einen Bruder. Aber ich hatte ihn seit drei Jahren nicht gesehen, weil er von einer Nacht auf die andere einfach verschwunden war. Aber in der Zeit davor war er total komisch. Seit er sechzehn gewesen ist, ist er nicht mehr oft zuhause gewesen und hat sich mit seltsamen Leuten herumgetrieben, die zu irgendeiner freakigen Sekte gehörten. Jetzt müsste er neunzehn sein... In dem Moment, in dem ich kurz darauf zum Fenster rausgesehen hatte, hatte ich ihn gesehen. Einige Meter entfernt von unserem Haus lagen die Gleise der Straßenbahn. Ich hatte ihn dort stehen sehen, die Straßenbahn war vorbeigefahren, hatte die Sicht verdeckt und als der letzte Waggon vorbeigerauscht war, war er weg gewesen. Verschwunden. Schon wieder.
Zweiter seltsamer Vorfall:
Ich war in der Stadt gewesen und hatte mit einem Cappuccino und einem Roman in meinem Lieblingscafé gesessen. Plötzlich hatte ich Leute am Nachbarstisch über mich reden hören. (Eine buschige Yucca Palme war zwischen den Tischen gestanden, deswegen konnte ich mich näher hinbeugen und unauffällig lauschen ). Natürlich war es unlogisch, dass diese fremden Leute ausgerechnet über mich redeten, aber sie konnten nur über mich sprechen, da es meinen Nachnamen nicht oft gab. Da, ich hörte es ganz deutlich: Kate Louisa Harper. Das ist, doch verrückt! Wieso sollten sich irgendwelche Leute, die ich nicht mal kenne, über mich unterhalten? Hatte ich vielleicht unbekannte Verwandte? Ich hatte sicherheitshalber nachgegoogelt, ob im Netz etwas über eine andere Kate Harper steht. Aber da war nichts.
Und dritter seltsamer Vorfall:
Heute Morgen. Ein Samstag. Nachdem ich seit mehreren schlaflosen Nächten endlich mal durchgeschlafen hatte, wurde mir kurz schwindelig und ich wachte einfach in einem anderen Bett auf. Es hatte wie ein Jungenzimmer ausgesehen. Aber ich war, seit mein Bruder Dave verschollen war, nie wieder in einem gewesen. Einen Freund hatte ich auch noch nie gehabt. Also konnte es eigentlich keine Einbildung oder Halluzination gewesen sein. Sonst hätte ich doch nicht alles so klar und detailliert gesehen, oder? Wie zur Hölle konnte das also passiert sein?
Vielleicht würde Sam helfen, Klarheit in meine Gedanken zu bringen.
***
„Oooookay, das übersteigt jetzt wirklich meine Fähigkeiten zum realistischen Verständnis. Wie kann das denn sein? Sowas gibt es doch nur in Filmen und Büchern", Sam sah mich zweifelnd an.
„Aber es war so. Ich schwöre es. Ich kann es ja selbst nicht erklären, aber das Zimmer, in dem ich war, habe ich schon mal gesehen. Ich dachte dann nur, ich hätte es geträumt, aber anscheinend war ich schon öfter dort. Aber gibt es das denn? Ich meine, kann ich mich jetzt beamen, oder was? Ich muss zu einem Psychologen", seufzte ich und ließ mich rückwärts auf mein Bett fallen.
„Quatsch, aber wir sollten mal recherchieren, ob das geht." Sams Augen leuchteten mit einem Mal auf und sie schnappte nach Luft, als ob sie kurz vor einer bahnbrechenden Entdeckung stünde: „Warst du vielleicht auch in einem anderen Körper? So wie in diesem Film, indem die Seele dieses einen Menschen jeden Tag in einem anderen Körper wohnt?"
„Was? Nein, das kann nicht sein. Ich hab doch immer dasselbe Zimmer gesehen. Außerdem ist es doch nur ein Film, die Geschichte hat sich ja auch nur jemand ausgedacht." Aber ich hab nicht aufgepasst, ob ich Ich war, überlegte ich.
„Ja, aber stell dir doch mal vor, dass das wirklich geht."
„Und was habe ich-... also was hat mein Körper dann in der Zwischenzeit gemacht? War dann jemand anderes ich?"
Sam überlegte kurz: „Ziemlich wahrscheinlich sogar. Du wirst ja nicht nur da rumgelegen haben, wie so eine leblose Puppe, oder? Es muss noch andere Menschen geben, die so sind wie du!"
„Hmmm, dann wäre es aber sehr praktisch, wenn sie mich mal ansprechen würden. Damit ich weiß, wer dann -... also wer dann ich ist. Und wer ich dann bin, also, wo meine Seele dann in dem Moment ist", ich verzog das Gesicht, „Gott, das klingt alles so komisch."
„Lass uns doch einfach erst mal das Internet befragen, bevor wir uns da in was reinsteigern und du am Ende noch zu einem Psychologen musst, ja?"Sie setzte sich an meinen Laptop, der neben meinem Handy und dem Kühlschrank vermutlich das einzige moderne Gerät in diesem Haus war.
„Sam, ich bin nicht verrückt", sagte ich mit einem leisen Anflug von Verärgerung.
„Das sage ich doch auch gar nicht", beschwichtigte sie mich, „aber du solltest niemandem davon erzählen, sonst denken die Leute wirklich, dass du da oben ein bisschen krank bist", sie machte eine wirre Handbewegung um ihren Kopf, „okay?"
„Okay."
„Na dann, schauen wir doch mal, ob Mr Google uns ein paar Infos ausspucken will."
Ich warf ein Kissen nach Sam, verfehlte sie aber leider. Sie kicherte und schließlich musste ich auch lachen. Ich hatte eine tolle beste Freundin.
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Seelenwandler - Vertauscht
FantasySeit Kate sechzehn ist, häufen sich seltsame Vorkomnisse. Als sie an mehreren Morgen in einem anderen Bett aufwacht, weiß sie, dass irgendetwas nicht stimmen kann. Ist es etwa möglich, dass sie mit jemandem den Körper tauscht?! Was hat ihr, bislang...