8. Kapitel - Matt

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Bis jetzt hatte ich von Kate eigentlich einen guten Eindruck gehabt. Umso mehr überraschte es mich, dass sie noch einige Sätze mit meinem Vater wechselte - Nach allem, was ich ihr bis jetzt über ihn erzählt habe... Na gut, das war nicht besonders viel gewesen, hatte ihn aber trotzdem in keinem guten Licht dastehen lassen Zurecht, dachte ich mir.

Als sie dann endlich in mein Zimmer kam, ich die Tür schloss und mich erwartungsvoll zu ihr umdrehte um ihre Reaktion zu sehen, erstaunte mich ihr Gesichtsausdruck umso mehr.

Bis jetzt hatte sie sich staunend im Haus umgesehen, ihr Blick war umhergehuscht um so viele Details wie möglich aufzufangen. Doch jetzt, als ich mich vor sie schob, sah ich Entsetzen in ihren Augen und etwas, das wie eine Mischung aus Mitleid und Bedauern aussah.

Augenblicklich verschlechterte sich meine Laune. Ich kannte diese Stimmungsschwankungen mittlerweile so gut, dass ich mich eigentlich problemlos dagegen hätte wehren können. Doch die Welle der Wut kam so plötzlich, dass ich mich mit ganzer Kraft dagegenstemmen musste. Durch das Rauschen in meinem Kopf überhörte ich, was Kate sagte. Doch sie hatte irgendetwas gesagt, ich hatte ihre Stimme zwar nur schwach wahrgenommen, doch sie hatte mich zurück in die Gegenwart und zur Besinnung gebracht.

Langsam entspannte ich meine zu Fäusten geballten Hände und sah sie fragend an.

"Hast du gar keine persönlichen Gegenstände in deinem Zimmer?" wiederholte sie ihre Frage, wieder mit diesem Blick aus gemischten Gefühlen.

Ein Blitz schoss durch meinen Kopf. Meine Mutter und ich, wie wir gemütlich vor dem Kaminfeuer saßen und sie mir in Decken gekuschelt zum zehntausendsten Mal Michel aus Lönneberga von Astrid Lindgren vorlas. Das alte Buch, das zerlesen unter meiner Matratze lag, hatte ich jeden Abend vor dem Einschlafen angesehen, seit sie weg war, es jedoch nie über mich gebracht, zu lesen. Wieso denn auch? Ich konnte alle Geschichten rückwärts im Schlaf aufsagen. Aber es war der einzige Gegenstand, den ich noch von ihr hatte, sodass ich ihn mit einer Vorsicht behandelte, als wäre das bedruckte Papier aus Glas.

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Hey, wie gefällt euch das Buch bis jetzt? Würde mich riesig über Votes freuen und lasst auch gerne Kommis da :*

Das Kapi ist noch nicht fertig, aber ich schreib, sobald ich kann weiter.

Bis dann, xoxo eure Lucy

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Nach Luft ringend sank ich auf mein Bett. Die Erinnerung war zwar schön, aber dafür umso schmerzhafter. Ich konnte meine Mauer nicht schnell genug errichten. Die Mauer, die das Bild ganz schnell verdrängte und in die hinterste Schublade meines Gehirns und Herzens stopfte.

"Matt!" hörte ich eine Stimme aus weiter Ferne rufen. Sie drang durch den Sturm in meinem Kopf irgendwie zu mir. "Hey was ist los? Du bist ganz blass!" meinte Kate besorgt.

"Nichts. Was soll schon los sein?" fragte ich betont gleichgültig. Reiß dich jetzt endlich mal zusammen! Sie verdrehte die Augen und musterte mich schließlich misstrauisch. Dieses Mädel hatte echt einen guten Röntgenblick drauf.

"Was los sein soll?!" flüsterte sie mit unterdrückter Verärgerung, sonst hätte sie mich bestimmt angeschrien, "Ich stelle dir eine ganz normale Frage und du...du starrrst erst mal in die Luft um dann, grün im Gesicht, auf dein Bett zu fallen und fragst mich, was los sein soll?" ihre Stimme war nun lauter geworden und hatte an Hysterie zugenommen. Sie starrte mich fassungslos an.

"Hey, hey, hey, entspann dich mal," versuchte ich, sie zu beruhigen und strich ihr über die Arme.

"Ich soll mich entspannen? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen!" warf Kate mir vor, zumindest nicht mehr so, als würde sie gleich hyperventilieren.

"Jaah," sagte ich gedehnt, "aber das hängt nur mit einer unangenehmen Erinnerung zusammen," mit gequältem Gesichtsausdruck bemühte ich mich, nicht daran zu denken. Jetzt sah sie schon wieder ganz normal aus, aber trotzdem noch ziemlich skeptisch. "Und was ist das für eine unangenehme Erinnerung?" Sie sprach die Worte so aus, wie ich Dad nachmachen würde. Das versetzte mir einen Stich in die Brust. Ich wollte nicht, dass Kate so von mir dachte, wie ich von meinem Vater. Moment, warum eigentlich? Das konnte mir doch egal sein. Voller Verblüffung musste ich feststellen, dass es aber ganz und gar nicht so war. Das genaue Gegenteil war der Fall. Auch wenn es vielleicht nicht die klügste Idee war...

Ich will, dass sie mich mag, beschloss ich und versuchte es noch mal. "Naja, ohne dich jetzt vor den Kopf stoßen zu wollen, aber das würde ich lieber für mich behalten, " sagte ich ein bisschen beherrschter und in versöhnlicherem Tonfall. "Hat mit meinem Vater zu tun," fügte ich noch hinzu, obwohl ich keine Ahnung hatte, warum.

"Na gut," sie seufzte, "Tut mir leid wegen eben, ich war nur verwirrt, weil du dich plötzlich so verschlossen hast." Kate wusste genau, wie sie mich erwischte, ohne mich wirklich zu kennen. Das jagte mir eine Heidenangst ein. Sie wusste, zumindest fast, wie sie mit mir umgehen musste, obwohl wir uns kaum kannten. Wenn das so weiterging, würde sie bald meine ganze Lebensgeschichte kennen. Verdammt, dieses Mädchen hat es in sich, dachte ich, nicht wie erwartet verärgert, sondern komischerweise ungeduldig und voll hoffnungsvoller Aufregung.

"Also, hast du Lust, am Montag mit Sam und mir die Bibliothek zu durchforsten?" fragte jetzt meine offizielle Psychiaterin.

"Ist das ein Date?"

"Nein! Natürlich nicht! Wir wollen nach einer Erklärung für das alles hier suchen," Kate errötete heftig und bekam rote Flecken am Hals.

"Okay."

"Also kommst du jetzt mit oder nicht?" fragte sie unsicher.

"Klar komm ich mit auf mein Date," ich grinste sie schelmisch an und wurde ganz vielleicht auch ein klitzekleines bisschen rot.

"Blödmann," lachte sie und drehte sich um. Und als sie es nicht mehr sehen konnte lächelte ich dämlich vor mich hin, bis wir bei der Haustür ankamen und sah, dass sie genauso grinste. Mir wurde ganz warm in der Brust. Eigenartig, ich mochte dieses neue Gefühl.

"Ich hol dich um neun Uhr ab," sagte ich, wieder im Date-Modus. Sie lächelte und als sie die Stufen hinunter gegangen war und schon an der Ecke stand, drehte sie sich nochmal um und warf mir eine Kusshand zu.

"Ich kann es kaum erwarten," dann lächelte sie nochmal geheimnissvoll und verschwand um die Ecke.

Und ich sah ihr nach und grinste immer noch. Habe ich da gerade wirklich mit einem Mädchen geflirtet?



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