In dieser Nacht schlief ich schlecht.
Meine Gedanken kreisten immer wieder um Krieg und Hass.Mit dem Morgengrauen verließ ich mein Bett und ließ erst einmal die herrliche Stadtluft in meine kleinen vier Wände.
Unter der frischen Morgenluft mischte sich der Geruch von Schornsteinrauch und Autoabgase.
Dann bereitete ich mein Frühstück vor und kratzte dabei den letzten Rest von meinem Reiseproviant zusammen.
In der Kammer fand ich Kartoffeln, etwas Schinken und ein Stück alten Pflaumenkuchen, den mir meine Mutter einmal vorbeigebracht hatte.
Sie war vor noch nicht allzu langer Zeit hier gewesen, das stand in ihrem Brief, den sie mir vor einer knappen Woche geschickt hatte.
Ich wusste aber, dass sie viel zu tun haben musste.
Sie wohnte ein paar Kilometer weiter am Rand der nächsten Großstadt.
Ich sah sie nicht sehr oft.
Mittlerweile war sie vor mir so sehr verschwommen, dass ich sie bestimmt nicht mehr wiedererkennen würde, wenn sie vor mir stand.
Ganz einfach, weil wir in den letzten Jahren nur noch Briefkontakt betrieben haben.Sie schrieb mir immer, wie sehr sie meinen Vater vermisste und auch mich.
Ihre Emotionen konnte ich förmlich durch das Papier wahrnehmen.
Es war nicht einfach für eine Frau, die ihren Mann verlor.
Vorallem auch, wenn sie ihm blind vertraut und aufrichtig geliebt hat.
Bis heute weiß auch ich nicht, was mit meinem Vater war.
Ob er schon lange tot, oder einfach verschwunden ist.
Vielleicht ist er auch einfach so dreist gewesen und hat die Frau verlassen, die für ihn alles getan hatte.
Aber eigentlich wollte ich mir darüber keine Gedanken machen.
Es war eben so, wie es ist.Gegen Nachmittag ging ich nach draußen, um ein paar Besorgungen zu machen und mein letztes Geld gut zu investieren.
Also machte ich mich auf den Weg zum Kaufhaus.
Da Samstag war, liefen überall Menschen, Menschen und noch mehr Menschen herum.
Hier und da hielt ich an, um mich an den Läden zu erfreuen und zu träumen.
Viele Dinge waren einfach zu teuer, wie die schönen Blumen oder die Obst und Gemüse- Sorten aus anderen Ländern.
Gerne hätte ich mir eine neue Porzellanvase mit einem Blumenstrauß gekauft und damit meinen Wohnzimmertisch dekoriert.
Aber mein Gewissen forderte mich auf, bescheiden zu sein.
So ging ich immer weiter mit dem Gedanken: "Eines Tages, kannst du dir das leisten!"Am Buchladen verweilte ich immer am liebsten und am längsten.
Heute war es nicht anders.
Die vollen Regale und die zusätzlichen Tische, auf denen noch mehr Bücher lagerten.
Alles war für mich wie ein Hauch von Magie. Wie es wohl wäre, so viele Bücher zu besitzen.
Ich allerdings hatte nur knapp 10 bei mir zu Hause.Nachdem ich eingetreten war, zog es mich direkt zum ersten Regal.
Mit dem Zeigefinger fuhr ich an dem Buchrücken entlang, welches mich auch schon seit einer Weile beschäftigte.
Es war Emily Bronté's "Sturmhöhe".
Diese Seiten warteten nur darauf, von mir gelesen zu werden.
Aber sogar die ältere Ausgabe, die neben dem Buch stand, war mir zu teuer.
So gern hätte ich es mir gekauft, aber mein Blick ins Portemonnaie sagte mir, dass das Geld nur noch für das Abendessen der nächsten zwei Tage reichen würde.
Erst am Montag könnte ich wieder etwas verdienen.
Traurig seufzte ich und wandte mich ab.Als ich mich umdrehte, durchfuhr mich ein Schock.
Auf der anderen Seite des Buchladens stand er wieder.
Der Mann, der mich gestern angesehen hatte, wie ein grausames Biest.
Diesmal wirkte er jedoch fast unscheinbar und stumm.
Seine Haare schienen noch dunkler zu sein, als gestern.
Doch seine Kleidung war eine ganz andere. Er hatte eine pastellige Jacke, die große Taschen besaß.
Dennoch erkannte ich ihn sofort wieder.
Verstohlen sah er sich um und ich beobachtete ihn, wie er ein Buch in eine seiner Tasche verschwinden ließ.
Niemand hatte es gesehen, niemand außer mir.Der Mann lief vorsichtig und langsam in die Richtung des Ausgangs.
Als er dort ankam, sah er sich ein letztes Mal um.
Ich weiß nicht, warum er mich nicht entdeckt hatte.
Aber nach ein paar Sekunden drehte er sich um und verschwand endgültig aus dem Laden.
Neugierig wie ich war, wollte ich ihm folgen. Dieses Mal wirkte der Mann auf mich, interessant.
Und außerdem hielt ich es für eine gute Idee, jemanden fremden hinterher zu laufen.
Es war fast wie ein kleines Abenteuer.Schnell lief ich noch einmal zu dem Tisch, wo er das Buch entwendet hatte. Da ich diesen Tisch auswendig kannte, wusste ich ungefähr, welches er sich genommen hatte.
Entweder war es das Buch "Stolz und Vorurteil" oder "Dracula".
Eigentlich passten diese Geschichten nicht wirklich zueinander, aber der Buchladen richtete sich sowieso nicht an Themen.
Ich steuerte jetzt auch dem Ausgang entgegen, doch ich wurde aufgehalten."Stehen bleiben!", forderte eine männliche Stimme.
Ich drehte mich um und sah einen alten Mann mit weißen Haaren und einem schwarzen Anzug, der mit einer Krawatte geziert war.
"Sie haben soeben ein Buch entwendet. Legen Sie es zurück, kommen Sie dafür auf oder ich alarmiere die Polizei."
"Ich habe nichts geklaut, das war...", begann ich zu stottern.
Doch ich senkte meine Stimme wieder.
"Wenn Sie das nicht wollen, machen wir es auf die harte Tour. Geben Sie mir Ihre Tasche!"
Der Mann griff nach meinem Einkauf und kramte darin herum.
Als er nicht fündig wurde sah er mich an."Ziehen Sie Ihren Mantel aus!"
Nur widerwillig kam ich seiner Aufforderung nach, aber tat schließlich, was er wollte.
Als er auch hier nichts fand,
räusperte er sich."Entschuldigung, es tut mir leid, dass ich Sie belästigt und beschuldigt habe."
"Das ist schon in Ordnung, Sie wollten sich eben sicher sein."
Er gab mir meine Sachen und meinen Mantel wieder. Dann zupfte er seine Krawatte zurecht.
"Wissen Sie, das war nicht das erste Mal, dass hier jemand etwas hat mitgehen lassen.
Schon vor einer Woche wurde eine unserer neuen Auflagen von "Utopia" entwendet."Ich nickte verständnisvoll.
"Dann wünsche ich Ihnen noch viel Erfolg bei der Suche nach dem Täter."
Fragend sah ich ihn an.
"Ich darf doch jetzt gehen, oder?
Denn, ich habe es eilig.""Selbstverständlich.", meinte der Ladenbesitzer.
"Auf Wiedersehen.", sagte ich dann und lief hinaus aus dem Laden.
Draußen standen überall Menschen aufeinander. Viele waren auch in Eile, andere unterhielten sich miteinander.
In dem Getümmel konnte ich nicht erkennen, ob ich den Mann von vorhin ausmachen konnte.Mit Mühe drängte ich mich durch die Masse und landete schließlich in einem Strom von Käufern.
Sie alle hatten viel mehr Einkaufstaschen als ich und achteten gar nicht auf andere Passanten.
Ich konnte nicht anders, als dem Strom zu folgen.
Dagegen ankämpfen, konnte ich auch nicht. Es war aussichtslos.Doch als der Haufen endlich weniger wurde, befreite ich mich.
Plötzlich stand ich am Rande einer großen Pflanze in einem Topf.
Um sie herum standen viele Bänke aus Metall und Holz.
Hier liefen nur ab und zu Menschen hindurch oder entlang.
Es war wie eine unbeachtete Haltestelle.Erleichtert sah ich mich langsam um, damit ich auch ja nichts übersehen konnte.
Da sah ich den Dieb wieder.
Er stand, an einer Säule gelehnt, nur 4 Meter weg von mir.
In Gedanken sah er in sein gerade gestohlenenes Buch.Ich nahm all meinen Mut zusammen und wollte zu ihm hingehen und ihn zur Rede stellen.
Er war es doch gewesen, der mir den Verdacht auf Diebstahl zugeschoben hatte.Ohne weiter nachzudenken, lief ich los. Schnell und unaufhaltsam.
Doch auf einmal kam mir etwas großes, dunkles entgegen.
Im ersten Moment konnte ich nicht erkennen, was das war.Ich prallte nur noch dagegen und im Bruchteil einer Sekunde, wurde mir schwarz vor Augen.
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Das schwarze Band
عاطفيةJocelyn kommt von ihrer Weltreise zurück nach Hause. Vorerst versucht sie vor einem unheimlichen Mann zu flüchten, der ihr immer wieder erscheint. Durch einen Unfall soll sie ihm allerdings wieder begegnen. Sie kommen sich zum ersten Mal näher und...