Noch Mehr

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Inzwischen war es Abend geworden.
Die Sonne wanderte langsam über die Stadt hinüber zum Horizont.
Robin stand in der Küche, während ich unsere Wäsche zum trocknen auf den Balkon hing.
Nach unserem Kuss, hatten wir uns schweigend getrennt.
Seitdem hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen.
Aber wir kommunizierten über unsere Blicke.
Es war ein schönes Gefühl gewesen und doch war ich mir unsicher.
Zu wenig Zeit war zu schnell vergangen und ich war mir meinen Gefühlen nicht sicher.

Ich beobachtete Robin, wie er das Brot schnitt und die Kartoffeln zum Kochen brachte.
Zum Glück schien er es nicht eilig mit mir zu haben.
Das hatte ich gespürt, seitdem er hier bei mir war.

Auch den Anfang unseres Abendessen genossen wir schweigend, bis mir allerdings etwas einfiel.

"Ich habe dir überhaupt nicht mehr erzählt, dass ich eine neue Arbeit bekommen habe."

"Ach, wirklich?"

Ich nickte lächelnd.

Robin warf mir eine Kartoffel zu.
Ich wusste gar nicht, was in ihn gefahren war.

"Was soll das?", wollte ich empört wissen.

Er setzte sein gewohntes einschmeichelndes Lächeln auf und warf mir noch eine zu.

"Ich freue mich so für dich!"

Lächelnd schmiss ich ihm seine Kartoffeln zurück.

"Eigentlich ist das noch lange kein Grund, meine Kartoffeln zu verschwenden.", sagte ich, aber grinste dabei.

Robin lachte und legte seinen Kopf zur Seite.

Mit dem Ende unseres Abendmahls, machte ich mir wieder Gedanken.
Dieses Mal sah ich immer wieder zu ihm, wie er auf meinem Sessel saß und in eins meiner Bücher vertieft war.

"Ich werde ein Bad nehmen..." sagte ich und lief in Richtung meines Schlafzimmers.

"Ja...", hörte ich nur von ihm.

Trotzdem musste ich lächeln. Es war sehr angenehm zu sehen, wie er meine Bücher fast schon aufsog, wie ein Schwamm.

Das warme Wasser tat mir sehr gut und ich fühlte mich in diesem Moment mehr als wohl.
Während ich mich entspannte, las ich in "Sturmhöhe" und dachte dabei auch oft an Robin.
Nach einer viertel Stunde, verließ ich das inzwischen erkaltete Wasser und band mir ein Handtuch um.
Als ich ins Wohnzimmer kam, saß Robin zwar noch da, aber er sah wieder zu mir.
Ich lächelte ihn an und lief danm langsam in mein Schlafzimmer.
Vor meinem Bett blieb ich stehen.
Und obwohl ich meine Tür geschlossen hatte, wurde sie wieder geöffnet.

"Darf ich heute Nacht bei dir sein?", fragte Robin mich leise.

Ich stand mit dem Rücken zu ihm und wurde auf einmal ganz unruhig.
Er meinte diese Frage toternst und wollte noch mehr, als ohnehin schon.
Zu seiner Erwartung, nickte ich leicht.
Das wunderte mich, denn eigentlich fühlte ich mich alles andere als sicher dabei.
Er legte seine Hände auf meine Schultern und ich war gezwungen, mich zu ihm umzudrehen.

"Jocelyn...", flüsterte er und sah mir in die Augen.

Ich kam ihm näher und küsste ihn vorsichtig.
Er ließ es sich gefallen und legte seine Hand an meine Wange.
Anfangs hatte ich Zweifel, vorallem als plötzlich mein Handtuch zu Boden fiel. Aber dann war ich bereit, mich ihm hinzugeben.

Es waren 20 Minuten, in denen ich mich neu in ihn verliebte.
Er war so zärtlich und schien meine Anspannung zu spüren.
Doch bald hatte er es geschafft, mich auch davon zu befreien.

Wenig später lagen wir nebeneinander.
Er hatte seinen Kopf auf seinen Arm gestützt und sah mich an.
Vorsichtig griff er mir an den Hals und fuhr mit dem Finger an meiner Schulter entlang.

"Warst du schon einmal verliebt?", wollte er wissen.

"Ist lange her...", flüsterte ich.

"Das muss bestimmt schön gewesen sein.", überlegte er und sah verträumt in die Ferne.

Ich stützte mich auch auf und kam ihm etwas näher.

"Also warst du noch nie so richtig verliebt?"

Fragend sah ich ihn an.
Er wendete seinen Blick wieder zu mir und zog einen Mundwinkel nach oben.
Aus seinen Gedanken konnte ich erkennen, dass er nicht darüber sprechen wollte.
Verübeln konnte ich es ihm im Augenblick nicht.
Er war sowieso auf etwas anderes aus, denn er wandte sich kurz von mir ab und nahm das Buch "Sturmhöhe" in die Hand, welches ich auf meinem Nachttisch gelegt hatte.

"Lies mir daraus vor."

Robin schob es mir hin.
Mit seinem einschmeichelnden Blick bat er ein weiteres Mal darum.

"Warum liest du es denn nicht selbst?", fragte ich, während ich ihm das Buch zurückschob.

"Weil mir deine Stimme so sehr gefällt."

"Meine Stimme ist nichts wert.", erwiderte ich.

"Deine Stimme ist nichts wert, solange du sie nicht benutzt.", meinte er.

Geschlagen lächelte ich.

"Dann lese ich dir vor..."

Verlegen nahm ich ihm das Buch ab und legte mich auf mein Kissen.
Auch er machte es sich bequem und fing an, mir gespannt zu lauschen.

Miß Linton wandelte träumend durch Park und Garten, schweigsam und oft in Tränen. Ihr Bruder hockte über seinen Büchern, die er nicht las, sondern rastlos durchblätterte- stets in der Hoffnung, Catherine werde ihr Benehmen bereuen und um Verzeihung und Versöhnung bitten.

So ging es eine ganze Weile und ich nahm mir keine Auszeit, sondern las einfach nur für ihn.
Nach vier Kapiteln legte er das Buch bei Seite und sah mich wieder durch seine blauen, müden Augen an.
Ich gab ihm einen Kuss und lehnte mich dann bei ihm an.
Es war unsere erste gemeinsame Nacht, die wir ab diesem Moment nie wieder vergaßen.
Und heute fiel es mir leicht, einzuschlafen, vorallem neben ihm.

Das schwarze Band Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt