32 - Geständnisse

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Arthur schlief tief und fest. Die langsamen Bewegungen seines Brustkorbes strahlten eine gewisse Ruhe auf mich aus. Ruhe die ich dringen brauchte, um einen klaren Gedanken zu fassen. Die Wolke auf welcher ich bisher geschwebt hatte, brach nach und nach in sich zusammen. Hatte Josh mir wirklich verschwiegen das Tom die Klage zurückgezogen hatte? Aber warum? Ich hatte nicht schnell genug von Tom wegkommen können und bereute nun ihn nicht gefragt zu haben, wann genau er die Klage zurückgezogen hatte.
Oder war das ganze einfach nur ein riesiges Missverständnis? Wusste vielleicht Josh auch noch gar nichts davon? Er war die letzten Tage wirklich schwer beschäftigt gewesen. Vielleicht hatte sein Anwalt ihm das noch gar nicht mitgeteilt, jetzt, wo es nicht mehr so wichtig war?
Ich atmete tief aus und griff nach meinem Telefon. Das hier hatte keinen Sinn. Von selbst würde ich nicht auf eine Antwort kommen. Wenn das Ganze nur ein Missverständnis war, umso besser.

Meine Uhr zeigte kurz vor halb vier Uhr an. Josh müsste mittlerweile gelandet sein. Ich wählte seine Nummer. Mittendrin brach ich ab. Jetzt konnte ich ihn nicht anrufen.
Sollte es kein Missverständnis sein, wusste ich nicht wie ich reagieren würde. Aber ich wusste, dass ich nicht singend und tanzend durch den Raum hüpfen würde. Eher im Gegenteil. Und solange Arthur hier war, konnte ich das nicht verantworten.
Also weckte ich stattdessen den Kleinen vorsichtig auf, spielte mit ihm Eile mit Weile und wartete sehnsüchtig auf Michele.

Mit etwas Verspätung traf sie ein, ich erzählte ihr ein wenig davon was wir angestellt hatten und schaffte es dabei ein Lächeln aufzusetzen. Doch kaum hatte ich mich von den beiden verabschiedet und die Tür hinter ihnen geschlossen rutschte es mir aus dem Gesicht.
Ich rannte beinahe zu meinem Telefon und wählte Joshs Nummer. Mit jedem Klingeln schlug mein Herz höher. Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, hatte ich angst vor der Antwort.

„Hallo Jane", meldete sich Josh. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer, als ich seine Stimme hörte und ich betete, dass alles nur irgendwie dumm gelaufen war. „Was gibt es?", fragte Josh und im Hintergrund hörte ich Stimmen.
„Hattest du einen guten Flug?", fragte ich, und redete mir ein, dass ich ihn nicht einfach so überrennen wollte mit meiner Frage. „War ganz in Ordnung", antwortete Josh und die Stimmen im Hintergrund wurden etwas leiser. „Wie läuft es mit Arthur?", fragte er zurück. Ich erzählte ihm kurz von dem Kinderspielparadies und Joshs warmes Lachen ließ mich mein ganzes Unternehmen beinahe wieder abblasen. Ich atmete tief durch.

„Ich habe Tom getroffen", offenbarte ich Josh, als sein Lachen abgeflaut war. Ich verschwieg, dass er vor meiner Tür auf mich gewartete hatte. „Bitte?", fragte Josh überrascht.
„Er hat sich bei mir entschuldigt", erklärte ich. Kurz blieb es still. „Das ist gut, oder?", fragte Josh, hörbar verunsichert wie er darauf reagieren sollte. „Ich denke schon, ja", antwortete ich da ich nicht wirklich wusste, was ich von Toms Entschuldigung halten sollte. „Er hat noch etwas anderes gesagt", fuhr ich nach kurzem Schweigen fort. „Und das wäre?", fragte Josh nach, als ich zögerte. „Er hat gesagt, dass er die Klage zurückgezogen hat. Und das schon etwas länger." Auf der anderen Seite der Leitung blieb es still. Mit jeder Sekunde zog sich mein Magen mehr zusammen.
„Josh?", fragte ich nach. „Hast du es gewusst?" Ich fragte, obwohl ich die Antwort eigentlich schon kannte. Sein Schweigen war Antwort genug.
„Jane-", fing er an, das schlechte Gewissen bereits gut hörbar. Ich wartete darauf dass er weitersprach. „Was machst du denn so lange, ich hab gesagt ich muss mit dir reden", erklang eine helle, weibliche Stimme, anstelle von Joshs. „Jetzt nicht Marissa", antwortete Josh, offensichtlich den das Telefon von sich weghaltend.
Aber ich hatte es trotzdem gehört.
Marissa.
War das nicht seine Ex? Es fühlte sich an wie ein Messerstich. Gemurmel war im Hintergrund zu hören. Er ließ mich eine ganze Weile warten, wobei ich nur undeutliche Gesprächsfetzen vernehmen konnte. Gerade als ich überlegte einfach aufzulegen, erinnerte er sich wohl an mich. Mittlerweile kochte ich vor Wut.
„Jane?", meldete sich Josh dann wieder, nun deutlich zu hören. „Kann ich dich zurückrufen?", fragte er und ein Unterton schwang in seiner Stimme mit, den ich nicht erkannte. Es war als hätte er mich geschlagen. War Marissa gerade wirklich wichtiger als ich?
„Klar, was auch immer", antwortete ich ihm, ohne den Ärger in meiner Stimme zu verbergen und legte auf ohne auf seine Antwort zu warten. Eine unsichtbare Hand quetschte mein Herz zusammen. Zumindest fühlte es sich so an.
In meinem Kopf wirbelten die Gedanken, wie Holz in einem Tornado im Wald. Josh hatte mich angelogen, war mit seiner Ex-Freundin in einer fremden Stadt und hatte mich gerade auf später vertröstet. Ich konnte kaum atmen und setzte mich, wo ich gerade stand, auf den Boden. Mir war schlecht. Tränen drängten sich in meine Augen und ich wischte sie genervt weg. Nein, ich würde nicht weinen wegen eines Mannes.
Nicht schon wieder.

 Da ich nicht wusste, was ich mit mir anstellen oder wie ich das schmerzhafte Gefühl in meiner Brust loswerden sollte, tat ich das, was ich in solchen Situationen immer tat: Ich rief meine beste Freundin an.
Diesmal hielt ich mich nicht zurück. Ich hatte beschlossen El nicht länger anzulügen. Denn ich brauchte gerade wirklich dringend ihren Rat.

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