punching bag

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„Heute habe ich nichts zu tun, was automatisch bedeutet, dass du auch freihast", redet Felix, während wir gemeinsam zwischen den Gängen hindurchwandern und uns über dies und das unterhalten. Es ist echt eine Abwechslung, so offen mit jemanden zu reden und ich muss gestehen, dass ich dies noch nie so wirklich getan habe. Ich war nie offen gegenüber anderen, hatte keine Freunde oder Beziehungen. Natürlich habe ich Leute, die ich mag, aber die würde ich nicht als Freunde, sondern als Arbeitskollegen bezeichnen und im romantischen Sinnen habe ich nie etwas Ernstes gehabt. Das ein oder andere One-Night-Stand, aber das war's auch schon. Ich bin einfach nicht der Typ, der seine Beziehungen pflegt.

Erst jetzt fällt mir auf, wie angenehm es eigentlich ist, einfach einmal abzuschalten und jemandem zuzuhören und ich hatte ganz ehrlich keine Lust den ganzen Tag alleine in meinem Zimmer zu verbringen. Ich wollte diesen viel lieber mit Felix verbringen. So konnten wir uns gegenseitig beschäftigen und ich konnte weiterhin meinen Plan ausführen, welcher zwar unglaublich fies, aber die einzige Möglichkeit für mich war, zu überleben und meiner Seite nicht zu schaden. Es war sehr wichtig, dass ich Felix so schnell wie möglich näher kam, da er seinen Plan jeden Moment anfangen könnte in die Tat umzusetzen und wer weiß, vielleicht erreicht er sein Ziel schneller als gedacht. Ich wäre sowas von tot.

„Was machen wir?", rutscht es mir also raus und sogleich wollte ich mich verbessern und fragen, was ich nun mache, aber dies war gar nicht nötig, denn Felix kam mir zuvor. "Du möchtest etwas mit mir unternehmen?", fragte er mich und ich konnte seinen Blick auf mir spüren, aber ich schaute weiterhin geradeaus und antwortete: „Na ja, wir könnten uns gemeinsam die Zeit vertreiben. Natürlich hast du hier das Sagen und ich bestim-"

"Du hast recht, lass uns etwas zusammen machen", kam es von ihm wie aus der Pistole geschossen. Ich nickte nur auf seine Worte und folgte ihm weiterhin. "Ich hätte da auch etwas, was wir machen könnten", antwortete er auch sogleich und wechselt die Richtung und bog in einen Gang ab. "Wir gehen trainieren."

Sofort ändert sich meine Stimmung und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Sport zu machen war einer meiner Lieblingsbeschäftigung, da ich meinen Kopf einfach freibekomme und trotzdem währenddessen so klar denken kann. Außerdem finde ich mich selber attraktiver, wenn ich deutlich sichtbare Muskeln besitze und ob man's glaubt oder nicht, Muskeln muss man Monate oder sogar Jahre antrainieren, aber verschwinden können sie in nur wenigen Wochen.

"Gerne", antwortete ich und schenkte ihm ein Lächeln, welches er sachte erwiderte und anschließend seinen Weg fortsetzte. Wer weiß, vielleicht kann ich ihm ja irgendwie näherkommen. Es ist ja kaum zu übersehen, dass er ganz offensichtlich meine Nähe sucht, ob aus Freundschaft oder andern Gefühlen ist egal. Ich hab ihn an meinem Angelhaken und muss nur noch an der Schnur ziehen und-

Autsch.

Ich bin voll in Felix hinein geprallt, welche ein paar Schritte nach vorne taumelt und sich zu mir umdreht. "Entschuldigung, ich war in Gedanken", sagte ich etwas peinlich berührt und kratzte mich am Kopf. Nach einer peinlichen Stille, trat Felix endlich in den Raum, vor welchem er so abrupt stehen geblieben ist, weswegen ich in ihn reinlief. Es war eine Umkleidekabine und sogleich fiel ich gefallen, da bequeme und schicke Sportkleidung in meinem Blickfeld auftauchten. Nachdem wir uns umgezogen hatten - getrennt -, fanden wir uns in einer Sporthalle, die auf ein Fitnesscenter angrenzt, wieder. "Ich wusste gar nicht, dass ihr eine Sporthalle und ein Fitnesscenter habt."

"Wir benutzen beides auch kaum, da dies eigentlich unsere alten Hallen sind und wir schon längstens neue haben."

"Und wieso sind wir dann hierhin gekommen?", fragte ich nun.

"Na ja, damit wir alleine sind", antwortet er etwas leiser und drehte sich zu den vielen Sportgeräten um und steuerte sofort auf den Boxsack zu. Ich liebte es zu boxen und nachdem er mich gefragt hat, ob ich boxen kann und ich seine Frage bejaht habe, gab er mir Boxhandschuhe und ließ mir den Vortritt.

Ich muss gut aussehen, um ihn beeindrucken. Es heißt, dass es attraktiv sei, wenn man die Leidenschaften des anderen auch als seine bezeichnen kann.

Ich fing leicht an auf den Boxsack zu schlagen, sozusagen als Aufwärmung und begann schon nach kurzer Zeit immer schneller und stärker zuzuschlagen. Ich wusste gar nicht, ob Felix mir noch zuschaut, da ich mich schon lange nicht mehr auf ihn konzentrierte oder auch nur im geringsten darauf Acht gab, möglichst gut auszusehen. Ich hatte eigentlich nicht bewusst Wut in mir aufgestaut, doch als sich meine Schläge immer verschnellerten und die Schläge immer präziser und kräftiger wurden, konnte ich spüren, wie sich eine gewaltige Wut in mir aufbaut. Die Wut wurde wie bei einem Stromschlag von Elektrogerät zu Mensch übertragen, nur war hier ich das Elektrogerät und der Boxsack übernahm die Rolle eines Menschen.

Als ich nach Luft schnappte und mich fürs Erste völlig ausgelaugt fühlte, hörte ich auf und zog die Handschuhe aus und fuhr mir mit meiner Hand durch meine vor Schweiß tropfenden Haare. Ich begann unwillkürlich zu lächeln, als ich sah wie mich Felix ansah. Er sah so beeindruckt aus. Seine so einzigartigen Augen strahlten fast noch mehr, als die von einem Mann, der gerade erfahren hat, welches Geschlecht sein Kind bekommen wird.

Ganz egal wie sehr ich ihn ansah und ganz egal, wie sehr ich ihm zu verstehen gab, dass er nun dran war mit Boxen und ihm sogar die Handschuhe unter die Nase hielt, er hörte nicht auf zu Strahlen und sah mir in meine Augen. Ich dachte schon, ich hätte ihn endgültig kaputt gemacht, da funkelt plötzlich die Entschlossenheit in seinen Augen auf und er schnappte sich die Handschuhe aus meinen Händen.

Er und ich schlugen noch eine Weile auf den Sandsack ein und vertreiben unsere Zeit damit, uns gegenseitig herauszufordern und unsere Grenzen zu erkunden. Wir hatten uns irgendwann je auf eine Matte gelegt und uns einfach nur noch über unsere Erfahrung mit Sport ausgetauscht, dass wir schlussendlich beide so erschöpft und müde waren, dass wir irgendwann verstummten. Ich weiß nicht, ob Felix dachte, dass ich schlafe oder nicht, aber irgendwann wurde es im Raum so still und dunkel, dass ich mich auf die Seite drehte, sodass ich Felix ganz klar und deutlich vor mir sehen konnte.

Er schlief.

Dies war eigentlich meine Gelegenheit zu fliehen, aber anstatt meine Beine in die Hände zu nehmen, blieb ich einfach so liegen und schaute dem schwarzhaarigem zu, welcher ganz friedlich schlief.

Töte ihn.

Ich weiß jetzt schon, dass ich es bereuen werde, aber anstatt ihm auch nur ein Haar zu krümmen, schloss ich selber meine Augen und ließ mich langsam in den Schlaf sinken.

Freedom.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt