„Es ist kalt."
„Natürlich ist es kalt. Wir sind auch gute dreißig Meter unter der Erde."
Seit einiger Zeit, direkt nach unserem Moment, welcher meinen nun offiziell Plan eingeleitet hat, sitzen ich und Felix nun hier unten in den Verließen von dem Schloss, in welchem ich früher auch gewohnt habe. In den Verliesen oder irgendwelchen geheimen Gängen war ich allerdings noch nie, da diese eigentlich nur im absoluten Notfall benutzt werden.
„Hattet ihr solche Überfälle schon öfters oder wieso kennst du dich hier so gut aus?", fragte ich, da ich diese Verliese nie betreten durfte.
Schweigen.
„Ich habe eine lange Zeit in diesen Verliesen verbracht und mit meiner Familie hier unten im Dreck gelebt", flüstert er in die Dunkelheit hinein. Es war eiskalt hier unten und es roch nach feuchtem Moos, welches über die vielen Jahre gewachsen sein muss.
„Erzähl mir mehr", bat ich ihm und kroch ein wenig in seine Richtung. „Nein, ich mag meine Vergangenheit nicht. Ich schäme mich für sie." Aber ich ließ nicht locker. Ich tat nun nämlich nicht nur so, als würde mich etwas interessieren, sondern ich interessierte mich wirklich für seine Vergangenheit. „Ich schäme mich auch für meine, also raus damit."
„Na ja, ich wurde auf der Straße geboren, da meine Mutter ihr Geld mit der Prostitution verdiente. In dieser Zeit war es schlimm, da gerade zu dieser Zeit eben die ganze, wie soll ich das jetzt nennen.", er legte eine Pause ein, sprach dann aber weiter ,"Revolution begann.
Und meine Mutter hatte manchmal halt etwas sonderbare Kunden und von einem wurde sie eben schwanger. Sie wollte mich aber trotzdem gebären, auch wenn wir in einem verdreckten Zeitalter leben.
Kaum war ich alt genug, bildeten sich Banden, eine davon war der Schatten. Es gab keine Proteste oder Kriege, aber jeder konnte fühlen, dass etwas falsch war. Es war wie die Stille vor einem riesigen Sturm, welchen man nicht mehr aufhalten konnte.
Uns ging es immer schlimmer, bis wir uns zurückzogen und in der Kanalisation begangen unser Leben aufzubauen. Immer wieder kam es vor, dass wir Verliese fanden, die in die Schlösser von Adeligen führten. Wir begannen sie auszurauben und es ging uns tatsächlich gut. Wochenlang hat die Gruppe, in welcher ich lebte, probiert das Verlies von diesem Schloss zu finden und eines Tages fanden wir es endlich. Jedoch ist das Verlies so kompliziert aufgebaut, dass wir Wochen nach einem Eingang in das Schloss finden mussten."
Die ganze Zeit über habe ich ihm mit vollem Bewusstsein zugehört und staunte über seine Kindheit, welche sich eigentlich noch ziemlich spannend und interessant anhörte.
„Ich finde du sollst dich nicht schämen für deine Vergangenheit, denn wenn du mir jetzt so darüber erzählst, als hätte es sie nie gegeben, dann klingt sie noch ziemlich cool", sprach ich meine Gedanken aus und beginne ein wenig zu grinsen, als er leise zu lachen anfing und seinen Kopf an meine Schulter lehnte, was für mich ein wenig ungewohnt war, aber in nächster Zeit wohl normal sein wird.
„Darf ich fragen, wie dein Plan aussieht oder werden wir hier unten erfrieren?" Ich fragte ihn ein wenig humorvoll, aber es interessierte mich wirklich, ob wir hier jemals wieder lebendig herauskommen.
„Wir werden hier wieder herauskommen, wenn oben alles geklärt ist. Wenn wir aber fast erfrieren und kurz vor dem Hungertod stehen, dann gibt es auch noch viele andere Wege, um hier herauszukommen."
Ich konnte seinen gleichmäßigen, ruhigen Atem hören und fühlte mich schläfrig, obwohl es eigentlich etwa Mittag sein dürfte. Ich konnte fühlen, wie Felix es sich bequem in meinen Armen machte und mir immer näher kam, bis er halb auf, halb neben mir lag und seinen Kopf auf meiner Brust ablegte. Ich spiele mit seinen schwarzen Haaren, welche sich unglaublich fein und sanft anfühlten. Auch duften sie gut, obwohl ich den Duft nicht identifizieren konnte. Ich habe ihn noch nie gerochen und er fiel mir erst jetzt auf.
„Wieso hast du eigentlich schwarze Haare und blaue Augen?", flüsterte ich, da ich Angst hatte, dass er sich schon tief in seinen Träumen oder auch Gedanken verfangen haben und ich ihn erschrecken könnte.
„Mein Vater war ein Schattenkrieger zu dieser Zeit und gehörte zu den ersten, welche sich ihnen angeschlossen hat. Vielleicht kennst du ihn noch aus Geschichten, da er auch bei deiner Entführung dabei gewesen sein soll. Er hieß Julius."
Ich überlegte ein wenig und mir kam der Name tatsächlich bekannt vor, aus Geschichten, welche ich später gehört habe, aber einem Gesicht konnte ich diesen Namen nicht zuordnen. Vielleicht sol-
Ich und auch Felix erschraken und standen auf, als wir plötzlich schnelle und viele Fußschritte hörten, welche von einer undefinierbaren Richtung schnell auf uns zugelaufen kamen.
„Wer ist da?", schrie der Jüngere in die Richtung, aus welcher er die Menschen vermutete.
„Herr Kommandant, wir sind der Rettungstrupp, mein Name ist Leon und ich bin der Führer dieses Trupps", hörte man eine Stimme streng sagen. „Wie viele seid ihr? Tretet näher!" befahl er und ich konnte seine Anspannung spüren, so nah stand er vor mir. „Wir sind genau zwölf Leute", beantwortete Leon die Frage ,"Acht Soldaten, zwei Ärzte und zwei Rekruten."
Ich konnte aber Fühlen, wie Felix sich entspannte, als er anscheinend bekannte Gesichter erkennen konnte. „Folgt mir!"
Das Tempo war schnell und ich konnte kaum etwas erkennen, als jemand nach meiner Hand griff und mich führte. Nach wenigen Minuten blieben wir stehen und kurze Zeit später kletterten wir eine Leiter nach oben, welche uns auf einer Lichtung ausspuckte.
Ich atmete die angenehm warme Herbstluft ein, welche mich umfing. „Ich erstatte Bericht. Schattenkrieger sind auf unser Gebiet eingedrungen und viele kleinere, uns unbekannte Truppen sind ihnen gefolgt. Nachdem wir den komischerweise ziemlich kleinen Trupp an Schattenkrieger besiegt, verscheucht oder gefangengenommen haben, mussten wir uns noch um viele andere Eindringlinge kümmern. Name, Alter oder sonstiges war uns nicht bekannt. Wir haben nach der Befragung von Schattenkrieger herausgefunden, dass sie wegen Augustus, oder wie sie ihn nannten, Kai hier waren."
Ich hätte einfach wegrennen können, aber was hätte es mir gebracht, wenn es nur ein kleiner und somit wahrscheinlich auch ein ziemlich unerfahrener Trupp war? Jetzt verstand ich. Sie hätten die Situation abchecken sollen. Der Plan war gar nicht mich zurückzuholen, sondern sicherzugehen, dass ich überhaupt da war. Ich wusste, dass Nils, mein Berater und schlimmsten Falls auch Nachfolger, schlau genug war.
Nach langen Minuten, in denen Felix sich mit dem Rettungstrupp beraten und über die Situation ausgetauscht hat, beschloss er, dass wir fürs Erste nicht ins Schloss zurückkehren werden. Ich hatte gar keine andere Wahl, als der Trupp mich und Felix mit sich nahm und wir Richtung Stadt laufen, so gut ich das verstanden habe. Dort warteten wir auf eine Kutsche, in welche ich und Felix uns hineinsetzten. Ich auf der einen und er auf der anderen Bank, sodass wir uns gegenübersaßen. Felix zog die Vorhänge zu, um sicher zugehen, dass uns niemand erkannte und die Tür wurde geschlossen.
Ich konnte Felix Blick auf mir spüren, tat die erste Minute so, als wäre ich müde und würde sein Starren nicht bemerken, entschied mich aber doch dazu, ihm in die Augen zu sehen.
Auf eine gewisse Art und Weise strahlten sie Sehnsucht aus und zwangen mich weiter in seine zu blicken. Ich konnte fühlen, wie er mir in meine Seele blickte und meinen Verstand zu benebeln schien.
Wie könne solch schöne Augen nur zu einem solch grausamen Mensch gehören?
Nein, Felix war nicht grausam, einfach nur verdammt naiv.
Als ich seinen Blick jedoch nicht mehr aushalten konnte, welche danach bettelt von mir gehalten zu werden, gab ich nach und sagte: „Komm her."
Ich sah wir sich ein Lächeln auf seinem Gesicht bildet und kurze Zeit später hat er seinen Kopf erneut gegen meine Schulter gelehnt, sodass ich erneut den außergewöhnlichen, aber angenehmen Duft von ihm reichen konnte. Seine Hand mit meiner verschränkt, sagte er etwas, was mir Angst macht. Weil ich Angst hatte nun einen dummen Fehler zu machen und alles zu ruinieren.
"Wir haben eine lange Reise vor uns und somit viel Zeit. Es gibt da etwas, was mich sehr bedrückt, und zwar, wie stehen wir zueinander, Kai?
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Freedom.
RomansaOb wir Überlebende sind? Diese Frage kann ich mir bis heute nicht wirklich beantworten. Alles was ich weiß, dass unsere Gesellschaft, welche täglich um ihr Leben kämpft, unverschämt gute Lügner sind. Man munkelt, dass es etwa 50 % sind, welche sich...