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Am meisten fürchtet man das, was man nicht verhindern kann. Das, was man nicht aufhalten kann. Es kommt langsam näher. Schleichend, bis es einen in den Klauen hat. Und dann schlägt es zu. Hart und mitleidslos.








Lustlos starre ich auf die Müsli-Schüssel vor mir und überlege, ob es überhaupt die Anstrengung wert ist, meinen Arm zu heben, um den ersten Bissen in meinen Mund zu schaufeln.

„Jules, bitte iss etwas. Du musst etwas essen", bittet mich meine Mum in sanftem Tonfall.

Ich blicke nicht auf, weil ich genau weiß, dass sie ihren besorgten und übervorsorglichen Gesichtsausdruck aufgesetzt hat. Den könnte ich vielleicht gerade noch aushalten. Aber ich weiß auch, dass ich in ihren Augen einen Funken Mitleid und Hilflosigkeit würde erkennen können, so sehr sie auch versucht, diese Gefühle zu unterdrücken, wenn ich in ihre Nähe bin.

Doch auch das ist nicht der Grund.

Ich kann sie nicht ansehen, weil ich die Schuldvorwürfe in ihren Augen nicht ertragen könnte. Sie würde mich ansehen, als hätte ich mir das Ganze ausgesucht. Als hätte ich geschrien, dass ich ernsthaft krank sein will.

So sehr sie das Ganze auch mitzunehmen scheint, ein Teil von ihr ist wütend auf mich, weil ich ihren perfekten Plan vom perfekten Leben zerstört habe.

Ich esse ein wenig, um nicht mit ihr streiten zu müssen, während ich mich gleichzeitig frage, was das Ganze bringen soll.

Es macht keinen Unterschied, ob ich genügend esse oder nicht. Ich werde so oder so sterben, falls es so sein soll.

Das eingeweichte Müsli schmeckt wie Pappe. Aber ich zwinge mich, den nächsten Löffel zu füllen und den Inhalt runter zu würgen.

Als ich entgegen meiner Vorsätze den Kopf hebe, sehe ich ein kleines siegreiches Lächeln im Gesicht meiner Mutter.

Ein paar Momente lang hüllen wir uns in Schweigen. Es ist fast so, wie an den Tagen, an denen ich noch zur Schule gehen durfte. An den Tagen, wo sie mit mir zusammen aufgestanden ist, um mir beim Frühstücken Gesellschaft zu leisten, während mein Vater sich schon auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle befand. An denen sie mir ermahnende Ratschläge gegeben hat und noch alles in Ordnung war. Jedenfalls so in Ordnung wie es in unserer Familie sein kann.

Ich frage mich, ob es fair von mir ist, zu essen, nur damit sie einen Augenblick die Illusion behalten kann, dass ich gesund sei. Die Realität wird gleich umso schmerzhafter wieder auf sie einstürzen.

Nach zwei weiteren Löffeln entscheide ich, dass ich genügend Müsli hatte.

Sofort richtet sich ihr besorgter Blick wieder auf mich und ich komme ihr zuvor, bevor sie überhaupt die Gelegenheit hat, etwas zu äußern.

„Ich habe keinen Hunger, Mum."

„Der Arzt hat gesagt, dass das Normal sei. Mangelndes Hungergefühl ist nur eine Begleiterscheinung deiner Medikamente", murmelt sie. Sie klammert sich so verzweifelt an die Fakten.

„Ich weiß, Mum."

„Du musst aber trotzdem was Essen, Jules."

Ich esse noch ein paar Löffel, damit sie zufrieden ist. Während des Schweigens, das zwischen uns herrscht, geistert er mir wieder einmal durch die Gedanken. So sehr ich es auch versuche zu vergessen, ich kriege ihn einfach nicht aus meinem Kopf. Ashton.

losing control || a.i. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt