Narben und Feuer

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Ohne auch nur nachzudenken, trugen mich meine Beine Victoria hinterher. Sie hatte mich bisher noch nicht bemerkt, sie war zu sehr darauf fixiert, die Spitze des Berges zu erreichen, um Isabella zu ermorden. Ihre Gedanken waren kalt und bitter. Sie wollte, dass Edward genau dieselben Schmerzen ertragen musste, unter denen sie litt.
Mir entwich ein Knurren, das Tier in mir nahm Kontrolle über meinen Körper. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie ein sandfarbener Wolf mit mir aufholte, es war Seth. Er versuchte mich allerdings nicht aufzuhalten, er ließ sich ebenfalls von seinem Instinkt und seiner Wut leiten.
Ich hoffte, dass Edward Victoria früh genug bemerken würde, um nicht von ihr überrascht zu werden.
Je näher wir der Spitze des Berges kamen, desto kälter wurde es. Seths heißer Atem zeichnete sich in der eisigen Luft ab und erste Schneeflocken landeten auf meiner Haut.
Allmählich konnte ich Edwards Gedanken vernehmen, sowie Seth auch die von Embry hören konnte. Wir versuchten beide auf uns aufmerksam zu machen. Ich schrie Edwards Namen in meinen Gedanken. Er hatte noch nicht gemerkt, wie nah Victoria ihm und Bella bereits war.
Erneut versuchte ich, in seine Gedanken zu gelangen... die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass er meine Gedanken vor den von Victoria hören würde. Wir waren vertraut miteinander und durch die fast tägliche stumme Kommunikation zwischen uns beiden, hatte sich ein starker Bund zwischen unseren Fähigkeiten entwickelt.
Beinahe übersah ich einen Baumstumpf, als Edward mich in Gedanken direkt ansprach. Er fragte, was ich so nah an der Spitze des Berges tat. Ein Blick nach oben verriet mir, dass es noch immer mehrere hundert Meter bis zur Spitze waren. Panik und Wut erfüllten meinen Körper und verursachte eine adrenalinähnliche Reaktion. Meine Sinne wurden verschärft, die körperlichen Limits gebrochen und meine Geschwindigkeit stieg ins unermessliche.
Edward spürte diese Veränderungen in meinem Körper und ich machte ihm klar, wie nah Victoria bei ihnen war. Er sollte Isabella in Sicherheit bringen, sowie sich und Embry kampfbereit machen. Außerdem sagte ich ihm, dass Seth bei mir war und dass Victoria wahrscheinlich aus östlicher Himmelsrichtung auf ihn stoßen würde.
Dann vernahm Edward auch Victorias Gedanken, nur war es keine Überraschung mehr für ihn.
Doch plötzlich hörte ich eine vollkommen unbekannte Stimme. Irgendjemand redete mit Edward. Es konnte nur Riley sein, der junge Mann aus Forks, der die ganzen Neugeborenen geschaffen hatte. Es klang so, als würde Edward versuchen ihm zu erklären, dass Victoria ihn nur ausgenutzt hatte. Allerdings hatte Victoria nun die Spitze erreicht und mischte sich in das Gespräch ein.
Ich bat Edward, sie noch ein wenig länger hinzuhalten, bis Seth und ich da waren. So wären wir in der klaren Überzahl.
„Riley, hör nicht auf ihn! Er hat keine Ahnung, er will uns auseinanderreißen", konnte ich Victorias zarte Stimme hören. Gegen monatelange Manipulation konnte Edward nichts anrichten... Doch Seth und ich hatten die Spitze erreicht. Mit einer Handbewegung schickte ich Seth in die Nähe von Edward und Riley, während ich mich hinter Victoria schlich. Sie stand auf einem Felsvorsprung und sah auf das Geschehen hinab. Noch hatte sie mich nicht bemerkt. Ohne auch nur einen Laut von mir zu geben, kletterte ich auf einen Felsen, der ihren überragte.
Isabella, die ein paar Meter hinter Edward stand, war von meinem Auftreten überrascht und starrte über Victorias Kopf hinweg direkt zu mir.
„Du bist tot", knurrte Riley einige Meter unter mir und sprang auf Edward zu. Gleichzeitig deutete Victoria den Blick von Isabella und riss mich mit einem Satz von meinem Felsvorsprung. Hart landete ich mit dem Rücken auf dem Boden, nutzte allerdings meine Beine, um sie von mir weg zu katapultieren. Sie landete auf der Höhe, auf der sich auch Edward und Riley befanden. Das gab mir die Möglichkeit, das dortige Geschehen zu verfolgen. Seth und Embry hatten Riley gefasst und begannen, sich tief in seine Gliedmaßen zu beißen.  Seine Schreie waren nervenzerreißend und unerträglich.
Victoria, schockiert von dem Anblick der Wölfe und der Realisierung ihrer Unterzahl, nahm einen großen Satz auf einen nächst höheren Felsen, um von dort aus zu fliehen.
„Feiges Stück", brüllte ich in ihre Richtung und brachte sie zum Anhalten.
„Du wirst nie mehr so eine Chance bekommen! Du willst Bella und du willst, dass ich genau das gleiche fühle wie du, nachdem wir James getötet haben!" Edward trat näher und senkte seine Arme, um seinen Oberkörper schutzlos zu präsentieren.
„Als wir James zerstückelt und verbrannt haben", hängte er hinterher. Victorias Blick schnellte erst zu Edward und dann zu Isabella. Eine Millisekunde zögerte sie, doch dann nahm sie Anlauf und sprang in Edwards Richtung. Die immense Wucht von Victorias Sprung warf Edward in den steinigen Untergrund. Sofort richtete sie sich wieder auf und fixierte nun Isabella, doch bevor sie erneut zum Sprung ansetzen konnte, ergriff ich sie von hinten. Ich krallte meine Finger in ihren Hals und umschlang ihren Oberkörper mit meinen Beinen. Dabei unterschätze ich Victorias Kraft, die nicht nur durch das Menschenblut, von dem sie sich ernährte, sondern auch durch ihr verzweifeltes Verlangen nach Rache getrieben wurde.
Sie krallte sich tief in meine Arme und zog mich seitlich von ihrem Oberkörper ab, dabei setzte sie einen tiefen und mit Bitternis erfüllten Biss in meine Schulter und ließ mich zu Boden fallen. Wie zuvor auf dem Schlachtfeld, brannte sich ihr Vampirgift tief in meine Haut und fand durch meine Blutgefäße den Weg durch meinen gesamten Körper. Doch ihr Biss war deutlich intensiver und länger gewesen, weshalb sich die Schmerzen tausendmal so schlimm anfühlten. Mein Körper begann sich zu verkrampfen und ich war unfähig, mich zu bewegen. Im Augenwinkel konnte ich erkennen, wie Edward Victoria erneut angriff und sie dieses Mal mehrere Meter wegkatapultierte. Sie landete in der Krone eines Baumes. Mir entwich ein schmerzverzerrter Laut, der Edwards Aufmerksamkeit auf mich zog.
„Sam, halt durch. Es lässt gleich nach", versuchte er mich zu beruhigen. Gerührt von Edwards Besorgnis schüttelte ich abweisend den Kopf. „Pass auf Bella auf, ich bin Victoria egal." 
Benommen guckte Edward zu mir, während er Isabellas Hand hielt. Doch ihm blieb nicht viel Zeit zum Überlegen, denn Victoria attackierte Edward erneut. Dieses Mal krallten sie sich tief ineinander fest und rollten einige Meter den Berg hinab. Isabella sah Edward hinterher und blinzelte mich danach hilflos an, als sie würde sie mich auffordern zu helfen.
Der Schmerz in meinen Gliedmaßen nahm allmählich ab, bewegen konnte ich mich allerdings noch nicht. Ich erschrak, als mich seitlich die feuchte Schnauze von Seth am Hals berührte. Beinahe hatte ich vergessen, dass auch Riley auf diesem Berg war. Seth war der Meinung gewesen, Embry würde es allein schaffen ihn zu töten.
Als ich meinen Kopf wieder bewegen konnte, sah ich zu Seth auf, der mit hängenden Ohren zu mir hinabsah.
„Hilf Embry es zu beenden, mach schon", sagte ich, denn ich konnte hören, wie Embrys Gedanken panischer wurden, wie Riley wieder an Kraft gewann.
Seth schüttelte seinen großen flauschigen Kopf und drückte seine Schnauze unter meinen Rücken, sodass ich wieder aufrecht saß. Grob motorisch kehrte auch die Bewegung in meinen Armen zurück. Das nutzte ich, um Seth zurück zu Embry zu schieben. Zunächst wehrte sich Seth gegen meine sanfte Gewalt, als aber das erste schmerzverzerrte Jaulen von Embry zu vernehmen war, verstand Seth endlich, was er zu tun hatte. Er ließ von mir ab und hechtete zurück zu Embry, dem gerade die Rippen gebrochen wurden. Ohne zu zögern biss sich Seth in Rileys Hals fest und zog ihn den Berg hinab. Riley schrie verzweifelt nach Victoria, doch die war damit beschäftigt, Edward von ihrem Hals fernzuhalten.
Sobald ich wieder Gefühl in den Beinen hatte, erhob ich mich und sprintete hinüber zu Edward, der meine Hilfe benötigte. Victoria hatte ihre Finger von hinten in Edwards Hals gekrallt. Edward fasste nach ihren Händen und löste sie mit seinem starken Griff von seinem Hals. Ich nutzte den Überraschungseffekt und packte sie von hinten und zog ihren Kopf herunter, sodass ihr Rücken überdehnt wurde. Ihre Wirbelsäule begann bereits zu knacken, als Edward es mit einem gezielten Schlag beendete und den Kopf vom Körper trennte.
„Oh Gott", hörte ich Isabella flüstern. Das blasse Mädchen erschien fast so weiß wie ein Vampir in der Kälte. Seth und Embry tauchten ebenfalls wieder auf, Rileys Körper ließen sie neben Victorias zu Boden.
Edward zückte ein Feuerzeug und ließ es auf die zwei leblosen Vampire fallen, die augenblicklich in einer beißenden Flamme aufgingen.
„Es ist vorbei", sagte ich ungläubig. Meine Augen fixierten die Flammen, als fürchtete ich, dass Victoria jeden Moment wiedererwachen würde. Edward zog Isabella in eine feste Umarmung, dankbar dass keiner von uns ernsthaft verletzt wurde.
Mein Blick flog hinüber zu Embry, der noch immer leichte Schmerzen verspürte. Doch wie auch bei alle anderen Gestaltenwandler, wuchsen seine Wunden schnell wieder zusammen.
Dann drehte ich mich zu Seth und umarmte ihn fest. Sein Fell war weich und roch nach Harz aus dem Wald... „Ich liebe dich", flüsterte ich in sein Ohr.

Ein Kampf um Respekt und Unsterblichkeit? -Die neue Cullen (Twilight fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt