1

299 14 7
                                    

Eigentlich führte ich ein ziemlich normales, langweiliges Leben. Mein Name ist Maylen, ich bin 23 Jahre alt und lebe mit meine Mutter zusammen in einem kleinen Nebenort von München. Meine Eltern hatten sich scheiden lassen als ich 14 war und kurz nach der Scheidung zog mein Vater ohne sich von mir zu verabschieden ins Ausland. Er hatte durch seinen Job dort eine neue Frau kennengelernt. Damals hatte ich per Mail erfahren, dass er Deutschland vor zwei Wochen verlassen hatte und ich sah ihn mehrere Jahre nicht. Wir hatten kaum Kontakt, weswegen ich damals in ein ziemlich tiefes Loch gefallen war. Ich war von Anfang an eigentlich immer ein absolutes Papakind. Allerdings fuhr mein Vater seine eigene Firma gegen die Wand und wurde Alkoholiker. Irgendwann ließ meine Mutter sich von ihm scheiden und wir zogen in unsere neue Wohnung, in der wir nach wir vor zusammen leben.

Ich hatte mittlerweile meinen Schulabschluss an der Realschule gemacht und begann eine Ausbildung in einer Tierarztpraxis, welche ich 3 Jahre später erfolgreich abschloss. Nun arbeitete ich bereits insgesamt 6 Jahre in der Praxis und ich liebte meinen Job. Schon als kleines Kind, wenn man mich fragte, was ich später einmal werden wolle, war meine Antwort stets: irgendwas mit Tieren. Ich liebe Tiere und bin glücklich ihnen helfen zu dürfen.

Heute:

Es ist Dienstag, 12:30 Uhr und ich kümmerte mich noch schnell um eine Katze, die momentan stationär bei uns in der Praxis war bevor ich in meine wohlverdiente Pause gehen wollte. Sie hatte gestern eine Notoperation bei uns und musste noch einige Tage zur Beobachtung bleiben. Die etwas zierliche kleine Katzendame beobachtete mich mit ihren großen, grünen Augen genau, als ich ihre große Box sauber machte. Ich hatte sie solange in einen kleineren Käfig gesetzt. "So ein kleines Tier, und so viel Unordnung." redete ich liebevoll mit ihr. Ich reinigte ihre Box, füllte ihr Futter und Wasser auf und erneuerte das Streu in ihrem Klo. "So fertig kleine Maus, jetzt darfst du aus dieser kleinen Kiste wieder raus." Ich öffnete den Deckel des weißen Käfigs und hob sie vorsichtig in die große Stationsbox. Als Dank dafür erntete ich ein Fauchen der schwarz-weißen Katze. "Hey, ich will dir doch nur helfen, du musst mir nicht drohen." ermahnte ich sie leise und schloss die Box. Ich stand auf und drückte reflexartig meine Hand gegen meinen Bauch. Ich hatte auf einmal starke Magenschmerzen, es fühlte sich an wie ein starkes Stechen und ich krümmte mich nach vorne um den Schmerz etwas zu reduzieren, was allerdings kein Bisschen von Erfolg gekrönt war. Ich hatte schon immer Magenprobleme und regelmäßig Magenschmerzen, allerdings kam bei Untersuchungen nie etwas raus, außer eine chronische Magenentzündung. Der stechende Schmerz ließ einfach nicht nach und ich stütze mich mit einer Hand gegen die Wand. Mein Blick auf den Boden gerichtet. Was war das nur? Plötzlich kam dann auch noch starker Hustenreiz dazu und ich hielt mir die Hand vor den Mund. Zu meinem Entsetzen konnte ich Blut in meiner Handfläche sehen. "Lilly!!" schrie ich erschrocken nach meiner Kollegin, bevor ich auf meine Knie sank. Mir wurde langsam schwindlig und ich sah alles verschwommen. Kurz darauf kam meine Kollegin ins Stationszimmer gelaufen und ich sah sie mit Tränen in den Augen an. "Oh Gott Maylen, was ist los?!" fragte sie hektisch und kniete sich zu mir. "Ich ..ich hab so Schmerzen." antwortete ich ihr schwach und schaute wieder in meine blutige, zitternde Hand. Mein Kreislauf sackte immer mehr zusammen und ich bekam alles nur noch gedämpft mit.

Nachdem ich einige Minuten auf dem kalten Fliesenboden lag, bekam ich mit, wie sich ein Mann in roter Jacke zu mir auf den Boden kniete. Lilly hatte wohl den Notarzt gerufen. "..ihr Name, ...mich hören?" war das einzige was ich dumpf verstehen konnte. Ich sah dem Mann vom Rettungsdienst direkt in die Augen, aber ich konnte ihm nicht antworten. Angst. Todesangst und Schmerzen, war das Einzige, was ich in diesen Sekunden fühlte. Musste ich sterben? Das war das Einzige, um was sich meine Gedanken drehten. Mein Herz wurde abgehört, mein Blutdruck gemessen und mein Bauch abgetastet, nachdem der Sanitäter meine Hand, welche sich in meine Arbeitskleidung gekrallt hatte, zur Seite gelegt hatte. "Sie ist tachycard." konnte ich verstehen, und dank meiner Ausbildung wusste ich auch, dass das bedeutete, dass mein Herz viel zu schnell schlug. Kurz darauf wurde ich auf eine Trage gehoben und aus der Praxis in den Krankenwagen getragen. Alles, auf was ich mich in diesem Moment konzentrieren konnte, waren die leuchtenden, blauen Lichter des Rettungswagens. Ich wurde auf die Liege im Wagen gelegt und spürte ein leichtes Stechen in meiner Ellenbeuge, scheinbar wurde mir gerade ein Venenkatheter gelegt um meinen Kreislauf durch eine Infusion zu stabilisieren. Kurz darauf stieg noch eine Frau vom Rettungsdienst dazu, die meine Tasche in der Hand hielt. Bestimmt hatte Lilly sie ihr gegeben. Dann wurden die beiden hinteren Türen des Wagens geschlossen, die Sirene wurde angeschaltet und das Auto setzte sich in Bewegung. Auf der Fahrt wurde die Infusion angehängt und ich bekam Medikamente verabreicht. Ich hatte immer noch furchtbare Angst und konzentrierte mich nur auf das Tropfen, oben im Infusionsschlauch. Es war irgendwie hypnotisierend und lenkte mich ein Wenig ab. Einige Minuten später kam der Wagen zum stehen, die Türen wurden geöffnet und ich wurde auf der Liege durch die Krankenhausflure geschoben. Ich wusste nicht was mit mir passieren würde und suchte vergeblich nach einem mir bekannten Gesicht. Aber wen sollte ich hier schon kennen? Meine Mutter wusste vermutlich noch nicht mal, was hier gerade passierte. Es sei denn, Lilly hatte sie bereits informiert. Ich wurde in ein Behandlungszimmer gebracht und konnte erkennen, dass einige Krankenschwestern und ein Arzt um mich herum liefen. Ich konnte so viele Eindrücke kaum verarbeiten, zudem sah ich ja sowieso schon alles verschwommen und hörte alles sehr gedämpft. Kurz darauf wurde mir vollkommen schwarz vor Augen und ich verlor mein Bewusstsein.

Nächster Morgen:

Ich konnte eine warme Hand in meiner spüren. Meine Augenlider zuckten leicht, ich öffnete meine Augen und sah meine besorgte Mutter neben mir sitzen. "Zum Glück, du bist wach." lächelte sie mich leise an aber ich konnte dennoch erkenne, dass etwas nicht stimmte. Ihre Augen waren gerötet und sahen müde aus. Sie hatte wohl geweint. "Mum, was ist denn los?" fragte ich sie immer noch sehr geschwächt. "Schon gut meine Kleine, du warst seit gestern Abend ohnmächtig, aber das wird schon wieder." sie schenkte mir ein weiteres schwaches Lächeln und drehte sich kurz darauf um, da die Tür zu meinem Zimmer aufging. Ein Arzt betrat den Raum und stellte sich ans Fußende meines Bettes. "Guten Morgen Frau White." begrüßte er mich. "Maylen bitte." antwortete ich ihm leise. Mein Vater hatte englische Wurzeln, daher der englische Nachname. Allerdings war es mir schon immer lieber, wenn ich mit meinem Vornamen angesprochen wurde. "Nun gut, Maylen. Wie geht es dir heute?" fragte er mich ruhig. "Meine Schmerzen sind weg aber ich will wissen, was gestern mit mir los war." Die Ungewissheit machte mich nervös, daher wollte ich so schnell wie möglich wissen, was mit mir los war. "Naja ich habe leider keine guten Nachrichten für dich." begann er vorsichtig. "Bitte reden Sie nicht um den heißen Brei herum, ich will wissen was los ist. Ich werde das schon verkraften." sagte ich tapfer, hatte aber gleichzeitig die verweinten Augen meiner Mutter im Kopf. Ich hatte verdammte Angst vor seiner Antwort aber ich würde es so oder so erfahren, also wollte ich die Antwort kurz und schmerzlos. "Also gut, wir haben bereits letzte Nacht nach deiner Einlieferung endoskopisch eine Probe aus deinem Magen entnommen. Diese wurde über Nacht im Labor ausgewertet und das Ergebnis lautet leider Magenkarzinom." sagte der Arzt. Augenblicklich wurde mir eiskalt, meine Hände begannen zu schwitzen und ich sah den Arzt entsetzt an. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber damit? "Ich ..ich habe ..Magenkrebs?" stammelte ich hervor. "Es tut mir sehr leid." sagte der Arzt betroffen. Meine Mutter fing wieder an zu weinen und ich wusste absolut nicht, was ich diesem Moment fühlte...

Das letzte halbe Jahr. (Tom Hiddleston FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt