Der Scham steht mir ins Gesicht geschrieben. Sam starrt mich ausdruckslos an, während Tom sich wieder gefangen hat. "Brad, bei allem Respekt, aber das kannst du besser", witzelt er. Ich schließe meine Augen und hoffe einfach nur, dass dieser Moment schnell vorbei geht. Meine Hände zittern und mein Hals schnürt sich zu. Plötzlich spüre ich wie etwas über mich gelegt wird. Ich reiße meine Augen auf und sehe Sam über mir stehen, die mir aufmunternd zunickt. Selten habe ich so große Dankbarkeit für jemanden empfunden, wie für sie, in diesem Moment. "Siehst du denn nicht, dass ihr Leiden weit über ihre Grenzen hinaus geht? Ich denk du magst sie. Seit wann lässt du dich von Tom so manipulieren?", nimmt sie mich in Schutz. "Aber ich...", will Tom sich rechtfertigen, doch mit einer einzigen Handbewegung bringt sie ihn zum Schweigen. Nicht mal einen Blick würdigt sie ihm. Die Augen sind fest auf Brad gerichtet. Stumm steht er da und hält den Blickkontakt aufrecht. Die Situation sorgt für eine eisige Stimmung. Etwas passiert zwischen ihm und Sam, was ich nicht ganz verstehe. "Bring sie auf ihr Zimmer", murmelt er nach einiger Zeit und dreht sich um und geht.
"Er ist... eigentlich nicht so", räuspert sich Sam, als wir in meinem Zimmer angekommen sind. Ich schüttel den Kopf. "Er hat schon Schlimmeres getan", antworte ich mit leerem Blick. Sie runzelt die Stirn. "Es geht nicht um die Handlung an sich, sondern um die Beweggründe. Dich so vorzuführen, ohne Sinn, passt nicht zu ihm. Die Arbeit raubt ihm den letzten Nerv. Ich glaube er hat Angst, dass Alles in den Sand zu setzten und damit, dass Tom seine Methoden kritisiert hat, wird er wohl einen wunden Punkt getroffen haben",versucht sie zu erklären. Doch es lässt mich kalt. Die Situation war grausam, aber solang ich nicht wieder in den Keller muss, kann ich das verkraften. Also setzte ich ein gespieltes Lächeln auf und versichere Sam, dass es mir gut geht. Ich möchte alleine sein, auch wenn ich mehr als Dankbar um sie bin. Und kaum ist Sam gegangen, ziehe ich mir die Decke über den Kopf und lasse die Tränen nur so laufen. Ich möchte nachhause. Nur einen Tag erleben, ohne von Angst begleitet zu werden. Mich wohl fühlen. Ich stelle mir vor, wie ich auf dem Sofa liege, einen Film laufen habe und dem Regen lausche. Nur ein bisschen Normalität und Geborgenheit. So traurig, wie mich der Gedanke auch macht, halte ich mich trotzdem an ihm fest, bis ich einschlafe.
Stunden vergehen, ohne das etwas passiert. Kurz haben mich irgendwelche Männer ins Bad gebracht, so dass ich duschen und Zähneputzen konnte. Sam ist kurz vorbeigekommen und hat mir Zeitschriften vorbei gebracht. Doch auch die habe ich inzwischen durchgelesen, so dass ich nur an die Decke starre. Will er mich jetzt mit Einsamkeit bestrafen? Ich habe doch nichts schlimmes getan. Verzweiflung kommt in mir auf und plötzlich schleicht sich ein Gedanke in meinen Kopf und frisst sich, wie ein Wurm, durch mein ganzes Gehirn. Was ist, wenn Brad doch tatsächlich mal Gefühle hat? Was, wenn er sich selbst Vorwürfe macht und es nicht erträgt mich zu sehen? Was, wenn er mich Tage lang alleine lässt? Das würde ich nicht aushalten. Er fügt mir Leid und Schmerzen zu, aber er ist doch der Einzige, der mich für ein kurzen Moment die Aussichtslosigkeit vergessen lässt. Ich ziehe all meine Kraft aus Brad. Irgendwas muss ich tun und so stehe ich auf und stelle mich an die Tür. Die Verzweiflung treibt einen Nachschub an Tränen in meinen Augen und ohne zu wissen wieso und mit welchem Ziel, fange ich an zu Schreien. Ich rüttel am Türgriff und nach einigen Sekunden beginne ich wie wild geworden, auf die Tür einzuschlagen. Selbst wenn es nichts bringt, so kann ich doch wenigstens all meinen Frust rauslassen. Doch zu meiner Überraschung, dauert es nicht lange und die Tür öffnet sich. Sofort verstummte ich und trete einen Schritt zurück. Völlig entgeistert starrt Brad mich an. "Was ist denn jetzt los?", fragt er verständnislos. Kurz zögere ich, doch dann gehe ich schnellen Schrittes auf ihn zu und schlinge meine Arme um ihn. Schnell vergrabe ich mein Gesicht in seinen Schultern. "Du kannst mich nicht alleine lassen", nuschel ich leise. Er schiebt mich von sich weg, so dass er mir in die Augen gucken kann. "Elli, das waren gerade mal 24 Stunden. Ich habe einen Job", sagt er, während er mich betrachtet, als hätte ich ihm gerade erzählt, dass die Erde eine Scheibe ist. Schnell beiße ich auf meine, wieder zu beben beginnende Lippe und weiche seinem Blick aus. Genervt atmet er aus. "Pass auf, dass mit eben tut mir Leid. Sam hatte recht. Das hätte nicht sein müssen. Aber das ist noch lange kein Grund, dem ganzen Haus einen Hörsturz zu verpassen", sieht er mich eindringlich an und kurz, vielleicht für eine Millisekunde, stiehlt sich ein Lächeln auf mein Gesicht, bevor mir klar wird, dass er Recht hat. "Ich glaub bei mir ist einfach kurz eine Sicherung durchgebrannt", murmel ich verlegen. Und jetzt grinst auch er. "Das glaube ich allerdings auch. Aber dann sind wir ja heute schon zu zweit", amüsiert er sich. "Bleibst du bei mir?", frage ich leise und sofort verdreht er die Augen. "Du bist hier, um mir Last abzunehmen und nicht, um selbst eine darzustellen", pampt er mich an. Ich schlucke. Das tat weh. Doch da schubst er mich schon leicht in Richtung Bett. "Na geh schon. Aber über das Geschrei sprechen wir nochmal. Nur dass das klar ist", brummt er und legt sich ins Bett. Eine gefühlte Ewigkeit liege ich auf seiner Brust und lausche seinem Herzschlag.
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Der Sog der Schwärze
RandomTrigger Warnung ⚠ /18+ Die Geschichte enthält sexuelle und gewaltvolle Szenen. Außerdem Depressionen, Vergewaltigung und Misshandlung. Der Inhalt soll NICHT als gewaltverherrlichend aufgenommen werden. Die beschriebenen Handlungen haben nichts mit e...