f ü n f z e h n

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„Ich hoffe die Pasta schmeckt dir", meint er und nimmt einen Schluck von seinem Wasser. Derweil bin ich schon dabei, das Besteck in die Hand zu nehmen und die erste Portion auf meine Gabel zu laden. „Mit Sicherheit", bestätige ich und habe dabei tatsächlich keine Zweifel.

Rafael beobachtet mich, wie ich sein Essen probiere und erinnert mich damit an den Moment in meinem Café, als er das erste Mal meinen Kaffee gekostet hat. Ich kann das Funkeln in seinen Augen sehen, als ich den ersten Bissen nehme und einen zufriedenen Laut von mir gebe. Es ist einfach köstlich.

„Das ist unglaublich gut", versichere ich ihm. Mit der Gabel deutete ich auf meinen Teller, bevor ich die Augen schließe und den Geschmack von frischen Tomaten, Pesto und verschiedenen Kräutern auf auf meiner Zunge zergehen lasse. Die Soße ist ein wahres Gedicht.

Ein leises Lachen ist zu hören, bevor er ebenfalls anfängt zu essen.

„Im ernst, wo hast du gelernt, so zu kochen?", frage ich neugierig, während ich einen zweiten Bissen nehme. Fast bin ich froh, am Mittag nichts gegessen zu haben. So habe ich viel Hunger für sein Essen mitgebracht.

Rafael räuspert sich leise und lässt sich mit dem Kauen ungewöhnlich viel Zeit.

„Meine Eltern waren immer vielbeschäftigt. Ihre Arbeit stand für sie an erster Stelle. Oft sind sie im Morgengrauen verschwunden, und erst wieder heimgekommen, als der Mond schon wieder hoch am Himmel stand", erklärt er. Mitleid keimt in mir auf und als würde er es bemerken, beeilt er sich, seine Erklärung fortzusetzen.

„Ich wollte mich beschäftigen und da ich ja auch etwas Essen musste, habe ich beides vereint. Ich habe damit angefangen, eine Kochsendung nach der anderen zu sehen. Außerdem lieh ich mir Kochbücher aus, um die Rezepte ausprobieren zu können. Es ist zu dieser Zeit einiges schief gegangen, aber ich habe auch viel daraus gelernt." Sein Blick schweift ab, aber seine Gesichtszüge sind weich. Ich lächle bei dem Gedanken an einen kleinen Rafael, der in der Küche steht und versucht, es den Sterneköchen im Fernseher nachzutun. Ich möchte mir kaum vorstellen, wie die Küche nach seinen ersten Versuchen ausgesehen haben muss.

„Das Kochen hat mich glücklich gemacht und abgelenkt. Außerdem habe ich immer so viel gemacht, dass meine Eltern am Abend noch etwas hatten, das sie sich warm machen konnten. Sie haben sich jeden Tag aufs Neue gefreut, was mich dazu angestachelt hat, immer besser zu werden." Für einen Moment wirkt es so, als würde er in Gedanken abschweifen. Aber schneller als mir lieb ist fängt er sich wieder. Das einstudierte Lächeln kehrt auf seine Lippen zurück, und er erwidert meinen Blick standhaft.

„Mit meiner Großmutter ging es mir ähnlich. Sie liebte das Backen, mehr, als ich es zu ihren Lebzeiten geahnt habe. Meine Eltern waren geschäftlich ebenfalls oft unterwegs und meine Großmutter hat dann auf mich aufgepasst. Fast täglich haben wir Rezepte aus ihren alten Büchern gebacken, oder uns selbst welche ausgedacht. Es hat uns zusammengeschweißt." Ich lächle bei dem Gedanken an meine Großmutter und senke den Blick auf den überfüllten Teller.

„Stammt von ihr die Idee mit dem Café? Habt ihr es zusammen eröffnet?", fragt er. Ich höre, wie seine Gabel über den Teller schabt, und hebe mutig den Blick.

„Ja - und nein. Die Idee beziehungsweise der Wunsch ist ihrer. Sie hat ihn in mehreren Briefen vermerkt, die sie mir vererbt hat. Als sie verstorben ist habe ich eine recht große Summe an Geld geerbt, und es schien mir nur fair, es in etwas zu investieren, das sie geschätzt hätte. So hat sich ihr Traum zu meinem entwickelt." Ich drehe den Kopf zur Seite und betrachte die unzähligen Plätzchen neben mir. Sie alle sind, auf eine verdrehte Art und Weise, durch meine Großmutter entstanden.

Zimtherzen ₂₀₂₁ | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt