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⋅𖥔⋅

Summend wische ich über die Arbeitsplatte, die eine leichte Spur von Mehl aufweist. Die weiße Zutat hat sich beim Backen auf der Fläche verbreitet und alles unter ihrem Schein begraben. So, wie es seit Tagen draußen der Schnee mit den Straßen macht.

Vor einem guten Monat hatte man uns in den Wetterberichten davon überzeugen wollen, dass diese Weihnachten von Schnee begleitet sein würden. Wie sich herausstellt, sollten sie Recht behalten. Die Flocken tanzen vor meinem Fenster, als ich den Blick hebe und dem Schlamassel auf dem Tresen für einen Moment den Rücken zuwende.

Dicke Flocken legen sich langsam auf die Straße, die Bäume und Sträucher und die Anwohner, die es an diesem späten Sonntagabend durch das Städtchen treibt. Ich sehe Kinder an dem Fenster vorbeilaufen. Sie versuchen, die wandernden Schneeflocken mit ihren Händen einzufangen und Eltern, deren Lippen ein breites Lächeln ziert, als seien sie die Kinder.

Ich schmunzle über die Szene und lege den nassen Lappen zur Seite, um mir die schmutzigen Hände an der Schürze abzuwischen. Mittlerweile sieht die Backstube wieder so aus, wie man es von ihr erwartet und ich freue mich, mich endlich dem entspannendem Teil widmen zu können. Also öffne ich den Knoten der Schürze auf meinem Rücken, ziehe sie von meinem Körper und hänge sie an dem umfunktionierten Jackenhalter auf.

Einen Moment lang streichen meine Finger über das befleckte Stück Stoff, als sich ein beißender Geruch in meine Sinne drängt und ich den Kopf hebe. Wo es eben noch nach Zimt und Apfel gerochen hat, macht sich nun ein verbrannter Geruch breit.

Ich reiße den Kopf nach oben, mache eilig auf dem Absatz kehrt und laufe zum Ofen, in dem meine Plätzchen vor sich hin backen. Innerlich verfluche ich mich schon dafür, keinen Wecker gestellt und die Zeit vergessen zu haben. Es ist Jahre her, seit ich das letzte Mal für mich so kostbares Gebäck im Ofen habe verbrennen lassen.

Eilig lege ich die Hände an den Henkel der Backofentür und bin gerade im Begriff, sie an diesem zu öffnen, als mein Blick auf die Plätzchen fällt. Nachdenklich ziehe ich die Augenbrauen zusammen und schließe die Tür wieder.

Getaucht in gelbes Licht und umhüllt von wohltuender Hitze backen die kleinen Geschenke vor sich hin. Eine leichte Bräune hat sich dabei auf deren Oberflächen gelegt, aber die vorderen weisen noch immer eine glänzende Schicht auf.

Mein Kopf fliegt zur Seite und ich erfasse die kleine Eieruhr. Natürlich habe ich sie gestellt. Ich betrachte sie und lese die zwanzig Minuten von der Anzeige ab, derweil ihr Ticken leise zu mir durchdringt. Es erfüllt den Raum mit einem monotonen Geräusch und vermischt sich mit meinem unregelmäßigem Atem.

Vermutlich bin ich schon zu lange auf den Beinen und benötige nur einen Schluck kaltes Wasser und etwas anständiges zu Essen, um von meiner Paranoia wieder in mein eigentliches Leben zu gelangen.

Hoffentlich würde dann auch der eigenartige Geruch verschwinden, der mich allmählich um den Verstand bringt.

Ich wende mich ab und widme mich wieder dem rohen Teig, als...

... ich aus meinem Schlaf aufschrecke und mit einem Mal kerzengerade in meinem Bett sitze. Instinktiv wische ich mir mit dem Ärmel meines Schlafanzuges über die Stirn, vertreibe den Schweiß von meiner Haut und versuche, mich auf meine Atmung zu konzentrieren, die ungewöhnlich schnell geht.

Zimtherzen ₂₀₂₁ | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt