n e u n z e h n

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Ich schlage die Beine übereinander und lege die Handtasche neben mir auf der gepolsterten Bank ab. Rafael nimmt gegenüber von mir Platz und breitet die Pommes, den Flammkuchen und die Mandeln vor uns aus. Grinsend reiche ich ihm seinen Glühwein und ziehe danach den Schal enger um meinen Hals.

Inzwischen hat sich die Nacht über mein Heimatstädtchen gelegt und die Straßenlaternen sowie die vielen Lichterketten, die man an jeder freien Stelle angebracht hat, spenden uns Licht.

Die Familien mit ihren Kleinkindern haben vor einiger Zeit Platz für die Jugend und Menschen in unserem Alter gemacht, sodass sich der Betrieb an den einzelnen Ständen gelegt hat. An jenen die den Glühwein verkaufen läuft dieser jedoch gerade erst wirklich an.

Rafael und ich haben uns gemeinsam den gesamten Weihnachtsmarkt angesehen und ich habe schnell vergessen, dass ich enttäuscht darüber sein sollte, dass Nolan unserer Tradition in diesem Jahr nicht nachkommen kann. Es ist amüsant gewesen, sich die Auswahl an Geschenken und Dekorationen anzusehen. Dabei ist die Unterhaltung zwischen Rafael und mir wie von selbst entstanden.

Letztendlich haben wir uns dazu entschlossen, uns eine Pause zu gönnen und etwas zu essen. Nachdem wir auf eine Bank gute fünf Minuten gewartet haben, können wir uns jetzt endlich niederlassen und das Essen genießen. Mein Magen knurrt wie der eines Bäres und ich hätte mich am liebsten sofort auf die Speisen gestürzt.

„Auf das Date deines Freundes." Rafael hebt seine Tasse an und ich lege den Kopf zur Seite. Ein Lächeln zupft an meinen Mundwinkeln und ich rolle mit den Augen. Schließlich entscheide ich mich aber doch dazu, ohne Einwand mit ihm anzustoßen.

Genüsslich nehme ich einen Schluck von dem Glühwein und stelle die Tasse dann zur Seite, um Platz für die Pommes zu haben.

„Hat mit den Plätzchen für Leah alles funktioniert? Ich hatte schon Bedenken, dass du sie alle heil nach Hause bekommst." Rafael schneidet sich ein Stück von dem Flammkuchen ab und nimmt einen Bissen.

Der Tisch zwischen uns ist nicht gerade breit und so kann ich trotz der recht dunklen Umgebung die grauen Sprenkel in seinen blauen Augen erkennen, die sie so faszinierend machen. Mittlerweile wirkt er wieder nüchtern und ich habe kein schlechtes Gefühl, ihm dabei zuzusehen, wie er an seinem Glühwein nippt. Ich bin froh, dass dem so ist, denn es fällt mir schwer, die Leute einzuschätzen, wenn sie getrunken haben. Da ich auch generell meine Probleme damit habe zu erkennen, was Rafael denkt wenn er nicht getrunken hat, bin ich erleichtert darüber, dass man mir nicht noch ein Hindernis in den Weg stellt.

„Ja, Gottseidank. Ich habe sie gestern Abend noch verpackt und heute gemeinsam mit Brie in das Café getragen. Leah kam sie dort dann abholen. Und wie es scheint, sind sie und ihre Klassenkameraden sehr zufrieden mit der Auswahl und dem Ergebnis", berichte ich. Stolz schwingt in meiner Stimme mit, gepaart mit Erleichterung darüber, dass ich es trotz allem geschafft habe, dem Versprechen nachzukommen.

„Ich wünschte, wir hätten damals mit einem solchen Stand Geld für die Abschlussfeier verdient", sinniert Rafael. Er nimmt einen weiteren Bissen und schüttelt leicht den Kopf. Ich schmunzle.

„Warum? Was habt ihr denn gemacht, um das Geld zu sammeln?", frage ich neugierig und erinnere mich dabei an die unzähligen Aktionen, die wir veranstaltet haben. Unsere Schule ist nicht gerade gut ausgestattet, was Zuschüsse und Optionen für eine schöne Feier angeht. Einen Teil des Geldes stellt man uns zur Verfügung, der Rest muss aber jedes Jahr von den Schülern kommen. Jede Stufe hat dabei seine eigenen Rituale und Ideen. Ich kann mich glücklich schätzen, dass in meinem Jahrgang eine handvoll Menschen gab, die gerne Stände und Partys organisiert haben. Schon ein Jahr vor dem Abschluss hatten wir das Geld zusammen gehabt.

Zimtherzen ₂₀₂₁ | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt