Kapitel 5.0

56 12 83
                                    

Tir hat seine Kapuze tief in sein Gesicht gezogen, sein beiger Schal bedeckt alles außer seine Augen.

Sand knirscht unter unseren Schuhen.

Die Menschen auf den grau gepflasterten Straßen, die dank der dicht stehenden Steinhäuser noch im Schatten liegen, werfen uns misstrauische Blicke hinterher. Bunte Fensterrahmen und Türen erinnern mich etwas an die Aufhübschungsversuche auf Tursakrit, aber das schönste hier sind die kleinen Beete vor jedem Haus und die Pflanzen, die an den grob behauenen Steinquadern Halt finden. Nur eine Kleinigkeit schmälert den Anblick: Gewächse sind in so einem trockenen Reich ein eindeutiges Zeichen von Wohlstand und dafür, dass zwei abgerissene Gestalten wie wir nicht allzu lange durch diese Gassen wandern sollten.

Ein Steinbogen entlässt uns auf einen großen freien Platz, auf dem an Ständen aus Tüchern und Holz Obst, Gemüse und Fleisch angeboten werden.

„Mir ist bewusst, dass das nicht dein Spezialgebiet ist, aber weißt du, mit was man hier bezahlt?", will Tir wissen.

Ich setze mich auf eine niedrige Mauer und lasse meine schmerzenden Füße baumeln. Lange werde ich es hier aber auch nicht aushalten. Schon jetzt brennt die Sonne unnachgiebig herunter, dabei ist es noch Morgen. „Irgendwelche Metallmünzen. Klein, meist mit Loch in der Mitte. Wieso, hast du deinen magischen Geldbeutel mitgenommen, der je nach Planet und Ort die passende Währung ausspuckt?"

„Sehr witzig", grummelt Tir und beginnt, in den zahlreichen Taschen an seiner Kleidung zu kramen. Ab und an hält er eine Münze in die Höhe und fährt seine Suche fort, wenn ich den Kopf schüttele. Irgendwann lässt er sich neben mir nieder, seufzt tief.

Bei seinem Magengrummeln fahre ich zusammen. „Warnst du mich wenigstens, bevor du dich auf mich stürzt?" Flehend sehe ich zu ihm auf und falte die Hände. „Um der alten Zeiten willen?"

„Sehr witzig", wiederholt er.

Ich springe auf. „Gleich wieder da." Bevor er etwas sagen kann, verschwinde ich zwischen den Ständen. Wenigstens schützen die Tücher vor der Sonne und tauchen die Welt in rotes, gelbes, blaues und grünes Licht. Die eingewobenen Kristalle werfen Reflexionen auf alles. Und die Waren duften wundervoll.

Die Stadt ist groß genug, dass ich unter den Einheimischen und den Touristen nicht auffalle. Ich konzentriere mich aufs Wesentliche, mein Blick schweift umher, bleibt an einer Standbesitzerin hängen, die sich mit einer Kundin unterhält. Sie lachen laut auf und schon landen zwei grüne, ovale Früchte in meinem Bündel. Ich schlendere weiter, rempele eine alte Frau mit vollgepacktem Korb an. Sie zischt mir etwas hinterher, aber dass sie um ein fluffiges, rundes Brot ärmer ist, fällt ihr nicht auf.

Dafür spüre ich, wie sich der Arm von jemand anderem auf meine Schulter legt. Ein junger Mann mit dunklem Teint und tiefschwarzen, kurzen Haaren blickt mit einem leichten Lächeln auf mich herab, streicht eine Locke hinter mein Ohr und streift dabei meinen Hals. „Gar nicht mal so schlecht. Aber man beobachtet dich schon misstrauisch. Am besten wäre es, wenn du zumindest eine Sache kaufen würdest."

„Ich weiß nicht, was du meinst." Mein unschuldiges Lächeln steht seinem in nichts nach. „Und habe leider kein Geld dabei. Aber gucken ist doch wohl erlaubt. Nur anfassen nicht." Ich stoße demonstrativ seinen Arm von meiner Schulter.

„Ach, anfassen bestimmt auch. So lange die Hände vorsichtig sind und zu schätzen wissen, was sie berühren." Weiße Zähne blitzen in der Sonne auf.
Und neidische Augen von Frauen und ein paar Männern, die jede meiner Bewegungen verfolgen. Er hat schon recht: Ich brauche wirklich nicht noch mehr Blicke auf mir.

Mit gerunzelter Stirn sehe ich ihn an. „Dann solltest du hier bestimmt nichts anfassen. Wenn du nicht schon das meiste sowieso mindestens einmal in Händen gehalten hast."

Des Weltenwandlers SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt