1. Kapitel

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Ich lag bereits seit einigen Stunden wach in meinem Bett und starrte aus dem Fenster in die Ferne. So gerne ich auch schlafen wollte, manchmal funktionierte es einfach nicht, wie ich es wollte. Warm in meiner Decke eingewickelt beobachtete ich die vorbeiziehenden Lichter der Autos. Blöderweise wohnte ich in der Innenstadt Seouls, mitten an einer Hauptstraße, dadurch war es immer hell und man konnte nie die Sterne am Himmelszelt betrachten.

Leicht genervt richtete ich mich auf, so dass ich nun gegen die Wand gelehnt auf der Matratze saß. Meine Hand wuschelte durch meine dunklen Haare, ehe ich sie an meinen Augen reiben ließ. Ich war eigentlich wirklich müde, aber ich habe schon den ganzen Tag über geschlafen und konnte jetzt genau das nicht mehr.

Frustriert stieg ich aus meinem Bett und kramte neue Klamotten aus meinem Schrank. Wenn ich schon nichts tun konnte, sollte ich mir eine Beschäftigung suchen. Und was kam da gelegener als ein ausgedehnter nächtlicher Spaziergang?

Nur kurze Zeit später tapste ich schleichend den Flur entlang. Wenn mich niemand hören würde, würde niemand mein Fehlen bemerken. Es war schon immer so und würde auch immer so sein. Ich wurde tatsächlich sogar einmal erwischt, aber seitdem hatte ich das Verhalten des Parketts insgeheim studiert. Mir war bewusst, welche Dielen ich, um welche Tageszeit, bei welcher Raumtemperatur, überspringen musste und solange ich das wusste, konnte mich keiner aufhalten.

Vor der Haustür zögerte ich gar nicht erst lange, sondern zog mir direkt meine Schuhe an, schlüpfte in meine Jacke und öffnete die Tür, nachdem ich den Schlüssel von der Kommode gestohlen habe. Erfreut nahm ich wahr, wie die kühle Nachtluft meine Lungen füllte und mich ein Stückchen freier fühlen ließ.

Ich schlenderte ohne ein wirkliches Ziel durch die Straßen Seouls, bis ich an einen etwas ruhigeren Ort kam. Es wirkte fast wie eine andere Welt. Sobald ich die gut befahrenen Straßen hinter mir gelassen hatte, war es fast zu still. Nur entfernt hörte man das Vorbeirauschen der Fahrzeuge, aber mit ein bisschen Übung konnte man den Lärm geschickt ausblenden.

Alles hier kam mir seltsam vertraut aber zugleich fremd vor. Wie die wenigen Laternen mit großen Abständen zueinander den Weg spärlich beleuchteten, die Bäume, die so aussahen, als hätte man sich nicht ordentlich um sie gekümmert und die Häuser, die mit den Bäumen um die Wette wuchsen. Aus allen Fenstern strömte lediglich die Dunkelheit, die Zeit schien fast stillzustehen. Das trockene Laub auf dem Boden knackte unter meinen Füßen und bewies mir, dass es Herbst war.

Eine sanfte Briese trug so manches Blatt vor mir mehrere Meter in die Höhe, um es dann wieder zu Boden segeln zu lassen. Ein Blick in die Baumkronen zeigte mir ein leicht zerrupftes Bild. An manchen Stellen glaubte ich bunte Tupfen zu erkennen, doch an anderen schien es nie Leben gegeben zu haben. Jedoch zog etwas ganz anderes meine Aufmerksamkeit nach oben.

Ein paar Beine baumelten von einem hochgelegenen Ast, die Umrisse des dazugehörigen Körpers nur schemenhaft auszumachen.

Night Love ~Yoonkook~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt